Das sind die Anwendungsgrenzen von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs)

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Anwendungsgrenzen von Fehlerstromschutzeinrichtungen
(Bildquelle: sb-borg/iStock/Getty Images Plus)

In diesem Artikel erfährst du, wie eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) funktioniert und welche Grenzen sich daraus ergeben.

Wie funktioniert eine RCD?

Der Strom fließt über die Außenleiter zum Verbraucher hin und über den Neutralleiter zurück. Die RCD vergleicht die beiden Stromwerte und schaltet ab, wenn die Differenz größer ist als ihr Auslösewert, der im Falle eines Personenschutzes bei höchstens 30 mA liegen darf.

Der Unfall – was ist passiert?

Elektrounfall

Als Elektriker in Ausbildung bei einer großen Münchner Elektrofirma hatte ich vor vielen Jahren einen kleinen Fehler gemacht und die RCD zum Auslösen gebracht.

Der Stromfluss ging dabei von Hand zu Hand, also über mein Herz zur Erde.

Für jeden, der so etwas noch nicht erlebt hat, stellen sich sicherlich folgende Fragen:

  • Spürt man das?
  • Tut das weh?
  • Ist das gefährlich?

Ja, man spürt es, obwohl die RCD „sofort“ abschaltet. Man hat aber keine Zeit, vor Schreck den Schmerz hinauszuschreien, denn bevor man das Sprachzentrum ansteuern kann, hat die RCD bereits abgeschaltet. Ja, es ist gefährlich.

Auch wenn eine RCD ordnungsgemäß funktioniert, ergeben sich für einen kurzen Moment Zustände, die ein Herzkammerflimmern und damit den möglichen Herztod herbeiführen können. So eine Schädigung vergessen die Herzzellen übrigens nie mehr.

Es wäre also auch denkbar, dass man, obwohl die RCD auslöst, durch den Stromschlag Herzkammerflimmern bekommt.

Rechnerisch ergibt sich hier ein Stromfluss von 220 mA.

Ohm‘sches Gesetz: U = R · I, also I = U/R. Dabei war die Spannung damals noch 220 Volt.

I = 220 Volt/1.000 Ohm = 220 mA

Die Abschaltzeit dürfte ca. 100 ms betragen (technisch gefordert sind im TNC-Netz 200 ms). Bei der Wechselfrequenz von 50 Hz bedeutet das fünf volle Sinusschwingungen des Stroms übers Herz – und diese nimmt man sehr bewusst wahr und sie tun weh.

Beachte: Eine RCD begrenzt den Strom nicht!

Auch wenn der Auslösestrom der RCD überschritten wird und sie auslöst, so benötigt sie doch eine kleine Weile zum Abschalten – und in dieser Weile steigt der Strom auf den durch das Ohm‘sche Gesetz beschriebenen Wert.

Für die Stromstärke, die im Körper den Schaden anrichtet, sind der Widerstand und die Spannung, die an einem abfällt, ausschlaggebend. Bei einem Unfall wie dem zuvor geschilderten wird der Widerstand durch den Körperwiderstand bestimmt.

Was ist ein indirekter Berührschutz?

Im Gegensatz zum direkten Berührschutz, dem Basisschutz, also der Isolierung einer Leitung, stellt eine RCD einen indirekten Berührschutz dar, d.h., sie schützt dann, wenn ein Fehlerfall vorliegt und der Kontakt zum aktiven Teil über einen Körperschluss besteht.

indirekter Berühungsschutz
(Bildquelle: seamartini/iStock/Getty Images Plus)

Das Bild zeigt die Basisisolierung, sie dient als sehr wirksamer direkter Berührschutz.

Die Basisisolierung wird bei der Prüfung des Isolationswiderstands gemessen. Sie ist bei erhöhtem Berührschutz, wie z.B. Schutzklasse-II-Geräten oder Installationsleitungen, doppelt ausgeführt.

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Ein Leitungsschutz ist kein Personenschutz

Eine RCD erkennt also beide Berührungen, sowohl die direkte als auch die indirekte, schaltet schnell ab und kann damit Leben retten. Zu bedenken ist, dass man ein paar Stromdurchgänge mitbekommt und deshalb den Umgang mit aktiven Teilen vermeiden sollte.

Die Einhaltung der 5 Sicherheitsregeln ist bei Arbeiten an elektrotechnischen Anlagen der wirkungsvollste Schutz.

direktes und indirektes Berühren

Das Bild zeigt:

1. ein mögliches direktes Berühren, d.h., es ist kein Basisschutz vorhanden

2. ein mögliches indirektes Berühren, d.h., den Fehlerfall Körperschluss mit hochohmiger Schleifenimpedanz

Bei der Prüfung einer elektrischen Anlage wird die Schleifenimpedanz gemessen.

Sollte man nun wie im obigen Unfallbeispiel als „Verbraucher“ in den Stromkreis integriert sein, dann fließt der Fehlerstrom über den eigenen Körper und schädigt diesen. Die Schadensschwere hängt von Stromhöhe und Einwirkdauer ab.

Eine RCD misst wie zuvor beschrieben den Strom, der hin und zurück fließt, und vergleicht ihn mit dem Strom, der in die andere Richtung zurückfließt. Wenn der Unterschied größer als der Differenzstrom ist, beim Personenschutz höchstens 30 mA, dann unterbricht die RCD in kurzer Zeit den Stromkreis.

Wichtig: Verwende die richtige RCD!

Richtige RCD verwenden

Nun gibt es unterschiedliche Arten von RCDs, die auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmt sind.

Die Lasten bestimmen hier die richtige Auswahl, denn bei Elektroniken, z.B. dreiphasigen Frequenzumrichtern, induktiven oder kapazitiven Lasten, können Ausgleichsströme fließen. Diese können aus glatten Gleichströmen bestehen.

Die Ausgleichsströme werden von der Standard-RCD nicht oder nur teilweise erkannt, weshalb eine gefährliche Körperdurchströmung möglich ist.

Glatte Gleichstromanteile führen beim RCD-Typ A zur Entmagnetisierung, sodass dieser einen pulsenden Gleich- oder Wechselstrom nicht mehr korrekt erkennt.

Kommt es dann zu einer Körperdurchströmung mit gefährlicher Stromhöhe, reagiert die RCD vielleicht nicht.

Folgende Typen von RCDs werden unterschieden:

Typ AC erkennt nur Wechselströme nicht zugelassen
Typ A erkennt Puls- und Wechselströme ca. 80 Euro
Typ B erkennt Puls-, Wechselströme, Mischfrequenzen und glatte Gleichfehlerströme (allstromsensitive Fehlerstormschutzeinrichtung) ca. 550 Euro
Typ B+ wie Typ B, aber schneller und bei erhöhtem Brandschutz anzutreffen ca. 600 Euro
Typ F erkennt Puls-, Wechselströme und Mischfrequenzen ca. 250 Euro

Je nach Anwendungsfall ist die richtige RCD auszuwählen.

Typ F kann den Typ B nicht ersetzen. (Die Preise sind dem Internet entnommen und dienen zur Orientierung.)

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Welche Stromwerte sind gefährlich?

Strom gefährlich

Wann Ströme für den Einzelnen gefährlich sind, kann man nicht an einem genauen Wert festmachen, da jeder Mensch und jede Stromeinwirkung anders sind und die Reaktion auch ein bisschen vom Glück abhängt (z.B. ob der herzansteuernde Sinusstrom in gleicher Flanke mit dem von außen einwirkenden Strom ist). Folgende Stromgrenzen sind aber der gängigen Literatur zu entnehmen und zu beachten:

  • ca. 12 mA – die Muskulatur verkrampft und ein Loslassen aus eigenem Antrieb ist nicht mehr möglich
  • ca. 30 mA – körperliche Schäden werden bei längerer Einwirkdauer wahrscheinlich
  • ca. 50 mA – eine Einwirkzeit von mehr als einer Sekunde führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Herzkammerflimmern

Bei deutlich höheren Strömen gibt es im Körper irreversible Zellschäden.

Wie werden RCDs geprüft?

Zum Schluss noch ein Hinweis zur Prüfung der RCDs.

Prüfintervalle und -inhalt legen die Verantwortlichen (Unternehmer, Bauleiter, Hausherr etc.) selbst fest. Die schwarze Prüftaste dient der Prüfung der Mechanik und sollte öfter einmal betätigt werden.

Die aufwendigere Prüfung der Abschaltzeit und des Auslösestroms muss ebenfalls regelmäßig durchgeführt werden, und dabei sollte man sich an Herstellerangaben oder an das einschlägige technische Regelwerk halten, z.B. die Informationsschriften des VdS und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Beachte!

Eine RCD kann Leben oder Sachgüter retten, aber man sollte sich nicht zu sehr auf sie verlassen.

Downloadtipps der Redaktion

Prüfliste „Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)“

Hier gelangst du zum Download.

„Prüfbericht Erprobung“

Hier gelangst du zum Download.

  • Autor:

    Dipl.-Ing. (FH) Franz Weber

    Technische Aufsichtsperson Ingenieurbüro WEBCO

    Franz Weber

    Franz Weber ist Inhaber des Ingenieurbüros WEBCO und Technische Aufsichtsperson. Außerdem ist er Ausbilder für Ausbilder zur Ladungssicherung nach VDI 2700 Blatt A.

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