Mit gutem Grund verpflichtet der Gesetzgeber jeden Arbeitgeber, seinen Beschäftigten sichere elektrische Geräte, Maschinen und Anlagen für die Arbeit zur Verfügung zu stellen. Damit der sichere Zustand über den gesamten Nutzungszyklus erhalten bleibt, müssen elektrische Maschinen und Anlagen regelmäßig geprüft werden.
Die Erstprüfung elektrischer Anlagen ist ein essenzieller Bestandteil der Elektrosicherheit und stellt eine der anspruchvollsten Aufgaben für Elektrofachkräfte dar. Das E-Book „Erstprüfungen nach DIN VDE 0100-600“ bietet eine fundierte und praxisnahe Einführung in die Anforderungen der maßgeblichen Norm DIN VDE 0100-600.
Elektrische Anlagen von Sonderbauten wie Hochhäusern erfordern zusätzliche Anforderungen. (Bildquelle: franz12/iStock/Getty Images Plus)
Die normalen Auflagen und Forderungen der Bauordnungen reichen in Sonderbauten nicht aus, um die Sicherheit der darin befindlichen Personen sicherzustellen. Deshalb erlassen die Gesetzgeber (Landesregierungen der Bundesländer) für diese Gebäude zusätzliche, über das normale Maß hinausgehende Auflagen. Für die Planung und Errichtung elektrischer Anlagen in Sonderbauten gelten besondere Anforderungen.
Merkmale von Sonderbauten
Für einige besondere Gebäude (sog. Sonderbauten) sind aufgrund
ihrer Höhe (z.B. Hochhäuser),
ihrer räumlichen Ausdehnung (z.B. Messehallen),
der Zahl der gleichzeitig anwesenden Personen (z.B. Theater und Kinos) oder
ihrer Unübersichtlichkeit (z.B. Arbeitsstätten oder Industriebetriebe)
zusätzliche Anforderungen an die elektrischen Anlagen notwendig. Die Elektrofachkraft muss diese besonderen Anforderungen bei der Planung, Projektierung und Errichtung von elektrischen Anlagen berücksichtigen.
Verordnungen und Richtlinien der Bundesländer enthalten Angaben zum Umfang der Elektroinstallation
Diese Auflagen werden in sog. Sonderbauverordnungen bzw. in Richtlinien zu den einzelnen Gebäudetypen in den einzelnen Bundesländern beschrieben. Für einige elektrische Anlagen, z.B. für die Sicherheitsbeleuchtung, werden in diesen besonderen Verordnungen und Richtlinien detaillierte Angaben über den Umfang der Installation gemacht, die teilweise über die Inhalte der VDE-Vorschriften hinausgehen. Am Beispiel für das Bundesland Nordrhein-Westfalen wird im Folgenden auf die „Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten (Sonderbauverordnung – SBauVO)“ eingegangen.
Beispiel SBauVO NRW
In der SBauVO NRW werden die folgenden Sonderbauten zusammengefasst (vgl. SBauVO NRW 2016):
Versammlungsstätten (z.B. Theater und Kinos)
Beherbergungsstätten (z.B. Hotels)
Verkaufsstätten (z.B. Einkaufszentren)
Hochhäuser (z.B. Wohn- oder Bürohochhäuser)
Garagen (z.B. öffentliche Tiefgaragen)
Betriebsräume für elektrische Anlagen (z.B. Transformatoren- oder Mittelspannungs-Schaltanlagenräume)
Die Anforderungen der SBauVO NRW beziehen sich u.a. auf die Ausbildung von Decken, Wänden und Türen sowie auf deren Feuerwiderstandsdauer (z.B. für spezielle elektrische Betriebsräume) oder auf die Pflicht zur Installation von besonderen technischen Anlagen und Einrichtungen (z.B. Sicherheitsbeleuchtung oder Brandmeldeanlage).
VDE 0100-718 für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art
Bei allen zuvor genannten Gebäudetypen handelt sich um Sonderbauten im Sinne der Bauordnung NRW (BauO NRW). Bei der Installation von elektrischen Anlagen sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören die VDE-Vorschriften. Für einige Bereiche mit einer erhöhten Gefährdung, wie z.B. Schwimmbäder und Badezimmer, sind für die elektrischen Anlagen die Normen der Gruppe 700 zu berücksichtigen. Zu diesen Bereichen mit einer erhöhten Gefährdung zählen auch die zuvor genannten Sonderbauten.
Für diese Sonderbauten gilt die DIN VDE 0100-718:2014-06 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-718: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Öffentliche Einrichtungen und Arbeitsstätten“. Der Anwendungsbereich der VDE 0100-718 wurde im Jahr 2014 geändert. Dies ist auch im Titel der Norm zu erkennen. Dort wird ausdrücklich der Begriff „Arbeitsstätte“ mit aufgeführt. Die Elektrofachkraft hat somit auch bei Installationsarbeiten in größeren Industrie- oder Gewerbebetrieben die VDE 0100-718 zu berücksichtigen.
Industriebaurichtlinie für Arbeitsstätten mit einer Grundfläche > 2.000 m2
Arbeitsstätten mit einer Grundfläche von mehr als 2.000 m2 gelten in Nordrhein-Westfalen i.A. als Sonderbauten. Für diese Gebäude ist zum einen die Industriebaurichtlinie NRW (IndBauR NRW 2015) hinzuzuziehen, zum anderen die zuvor genannte VDE 0100-718. In der Industriebaurichtlinie werden Anforderungen an die sicherheitstechnische Ausrüstung in Abhängigkeit von den Brandabschnittsgrößen innerhalb der Industriebauten gestellt (vgl. IndBauR NRW 2015).
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In den verschiedenen Bundesländern gelten für Sonderbauten unterschiedliche Verordnungen und Richtlinien. Die Inhalte der SBauVO oder Industriebaurichtlinie in Nordrhein-Westfalen können also nicht auf andere Bundesländer übertragen werden. Es ist jeweils die Verordnung des Bundeslandes zu berücksichtigen, in dem das Gebäude errichtet ist. Im Gegensatz dazu gelten die VDE-Vorschriften ortsunabhängig und bundesweit. Die folgende Abbildung zeigt einen solchen größeren Industriebetrieb mit einigen zehntausend Quadratmetern Lagerflächen.
Fazit
Bei Elektroinstallationsarbeiten in Sonderbauten muss die Elektrofachkraft bei der Planung, Projektierung oder Installation die allgemein anerkannten Regeln der Technik berücksichtigen. Dazu gehören zum einen die VDE-Vorschriften, aber auch die für das jeweilige Gebäude in den einzelnen Bundesländern erlassenen Verordnungen und Richtlinien. Diese enthalten z.T. detaillierte Angaben zur Installationspflicht bzw. zur Umsetzung der elektrischen Anlagen, zur Sicherheitsbeleuchtung und zu den Brandmeldeanlagen, die von der Elektrofachkraft in der betrieblichen Praxis ebenfalls zu berücksichtigen sind. Bei Sonderbauten ist somit immer auch ein Blick in mitgeltende Verordnungen und Richtlinien der Bundesländer zu werfen, insbesondere da sich die Verordnungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Quellenangaben:
SBauVO NRW (2015): Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten (Sonderbauverordnung – SBauVO), Stand: 02.12.2016
IndBauR NRW (2015): Richtlinie über den baulichen Brandschutz im Industriebau (Industriebaurichtlinie – IndBauR NRW), Stand: 04.02.2015
Beitrag aus dem Jahr 2015, wurde geprüft und aktualisiert am 18.11.2025
geschäftsführender Gesellschafter im Sachverständigenbüro Bluhm + Schneppe
Christoph Schneppe betreut als freiberuflicher Sachverständiger für Elektrotechnik den Schwerpunkt baurechtliche Prüfungen. Er ist VdS-anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen und staatlich anerkannter Sachverständiger (Prüfsachverständiger) für Sicherheitsbeleuchtungs-, Sicherheitsstromversorgungs-, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen.
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