Messpraktikum: Auslöseströme und -zeiten von RCDs
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Bei Erst- und Wiederholungsprüfungen sind grundsätzlich Messungen an den Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen durchzuführen. Diese dienen dem Nachweis der Schutzmaßnahmen. Zu den wichtigsten Messungen gehören die Bestimmungen der Berührungsspannung, der Auslösezeit und des Auslösestroms.
Funktionsprinzip einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung
Die Abkürzung „RCD“ steht für die englische Bezeichnung „Residual Current Device“. In einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung werden die in einen Stromkreis hinein- und herausfließenden Ströme gemessen und miteinander verglichen. Grundsätzlich müssen beide Ströme gleich sein.
Die folgende Abbildung zeigt einen Drehstromkreis, der über eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung betrieben wird. Das magnetische Feld innerhalb des Summenstromwandlers ist in der Waage.
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Ab einer bestimmten Differenz dieser beiden Ströme (sog. Bemessungsdifferenzstrom) liegt die Vermutung nahe, dass der zurückfließende Strom einen anderen (nicht gewünschten) Weg nimmt. Grund dafür können z.B. ein Isolationsschaden mit Erdverbindung oder im schlimmsten Fall eine Körperdurchströmung einer Person sein. In jedem Fall muss eine schnelle Abschaltung des Stromkreises erfolgen.
Die nächste Abbildung zeigt den gleichen Stromkreis. Jetzt liegt jedoch ein Körperschluss am Betriebsmittel vor. Ein Teil des Stroms fließt über den Schutzleiter zurück ohne den Summenstromwandler zu durchströmen. Das magnetische Feld innerhalb des Summenstromwandlers ist nicht mehr ausgeglichen. Es gibt eine Differenz, die zur Abschaltung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung führt.
Relevanz der Messung
Gemäß DIN VDE 0100-410 Abs. 411.3.3 und 415.1.1 muss in Wechselspannungssystemen im Rahmen der Anforderungen an den Schutz bei indirektem Berühren (Fehlerschutz) ein zusätzlicher Schutz durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen vorgesehen werden. Dies gilt für alle Steckdosen (innen oder außen) mit einem Bemessungsstrom nicht größer als 32 A, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind. Weiterhin gilt dies für alle Endstromkreise für im Außenbereich verwendete tragbare Betriebsmittel mit einem Bemessungsstrom nicht größer als 32 A.
Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen sind bei vielen Anwendungen Pflicht
Die Forderungen der Norm nach Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) sind für alle Neuinstallationen anzuwenden und betreffen deshalb eine große Anzahl von Stromkreisen. In nahezu jedem neueren Gebäude kommen heutzutage Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen zur Anwendung. In der Praxis können dazu separate Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) oder Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit eingebautem Überstromschutz (sog. FI/LS-Schalter) eingesetzt werden.
Schutzziel von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit einem Bemessungsdifferenzstrom IΔN ≤ 30 mA
Das Schutzziel der Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen in den zuvor genannten Stromkreisen ist die Sicherstellung des zusätzlichen Schutzes in Wechselspannungssystemen. Dieser zusätzliche Schutz dient der Vermeidung von Personenschäden z.B. in den folgenden Gefahrenfällen:
- Versagen von Vorkehrungen für den Basisschutz (Schutz gegen direktes Berühren) und/oder
- Versagen von Vorkehrungen für den Fehlerschutz (Schutz bei indirektem Berühren) und/oder
- Sorglosigkeit von Benutzern (z.B. mangelndes Gefahrenbewusstsein oder Unwissenheit von elektrotechnischen Laien).
Zur Vermeidung von Personenschäden sind grundsätzlich Fehlerstromschutzschalter (RCDs) mit einem Differenz-Bemessungsstrom IΔN ≤ 30 mA erforderlich.
Messungen an RCDs sind laut DIN VDE 0100-600 und DIN VDE 0105-100 erforderlich
Um die Wirksamkeit von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen nachzuweisen bzw. zu überprüfen, müssen für Neuinstallationen grundsätzlich Erstprüfungen gemäß DIN VDE 0100-600 Abs. 61.3.6 durchgeführt werden. Ebenso sind im Rahmen von wiederkehrenden Prüfungen laut DIN VDE 0105-100 Abs. 5.3.3.101.0.2 Messungen durchzuführen, die die Einhaltung der nach DIN VDE 0100-410 geforderten Abschaltzeiten von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) bestätigen. Zum Nachweis der Schutzmaßnahmen im Rahmen von wiederkehrenden Prüfungen wird innerhalb der DIN VDE 0105-100 auf die Messmethoden der VDE 0100-600 verwiesen.
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Prüfliste „Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)“
Messungen von Abschaltzeit und Bemessungsdifferenzstrom erforderlich
In beiden Fällen (Erst-und Wiederholungsprüfung in TN-Systemen) müssen deshalb alle Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) gemäß DIN VDE 0100-600 Abs. 6.4.3.7.1 auch messtechnisch geprüft werden.
Ziel ist es, die Wirksamkeit der automatischen Abschaltung der Stromversorgung durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit geeigneten Messgeräten nachzuweisen. Insbesondere der Nachweis der entsprechenden Anforderungen aus der DIN VDE 0100-410 sind hierbei zu erbringen. Die Messungen müssen sich zum einen auf die Abschaltzeit und zum anderen auf den Bemessungsdifferenzstrom beziehen. Als maximale Abschaltzeiten werden hierzu die Zeiten der Tabelle 41.1 der DIN VDE 0100-410 betrachtet. Der maximale Auslösestrom ist der Bemessungsdifferenzstrom der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung. Normativ ist die Wirksamkeit der Schutzmaßnahme nachgewiesen, wenn die Abschaltung spätestens beim Bemessungsdifferenzstrom eintritt (z.B. IΔN ≤ 30 mA als Personenschutz). Bei TT-Systemen ist normativ zusätzlich die Messung der Berührungsspannung UL (≤ 50 V) erforderlich, die nicht überschritten werden darf.
Prüftaste der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung
An dieser Stelle soll auch auf die Prüftaste an RCDs eingegangen werden. Die Auslösung einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung durch Betätigen der Prüftaste gilt als Erproben der Auslösefunktion und nicht als Messen. Durch die Prüftaste wird ein Fehlerstrom erzeugt, der die RCD sicher zum Auslösen bringen sollte. Die Größe dieses Fehlerstroms kann jedoch nicht als Nachweis der Schutzmaßnahme genutzt werden.
Aus Sicht des Autors kann das Betätigen der Prüftaste bestensfalls die Funktion der Mechanik bestätigen, jedoch nicht die exakte elektrische Funktion der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (z.B. Nachweis des Bemessungsdifferenzstroms). Grundsätzlich ist das wiederkehrende Erproben mittels Prüftaste jedoch sinnvoll, da dadurch gröbere Fehler (z.B. Schwergängigkeit der Mechanik, Komplettversagen der Differenzmessung u.ä.) auch durch Laien erkannt werden können. Zahlreiche Hersteller vermerken dies auch mit Aufdrucken auf ihren Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen im Bereich der Prüftasten (z.B. „halbjährlich betätigen“, „Test halbjährlich“, „Test regelmäßig“ oder „test monthly“).
Praktische Messungen mittels Messgerät
In der Praxis hat die Elektrofachkraft somit die drei folgenden Messungen durchzuführen:
- Messung der Berührungsspannung, die auch gleichzeitig als Nachweis der unterbrechungsfreien Verbindung und Durchgängigkeit des Schutzleiters genutzt werden kann. Das folgende Foto zeigt eine erfolgreiche Messung der Berührungsspannung.
- Im Anschluss an die erfolgreiche Messung der Berührungsspannung sollte zumindest einmal je Fehlerstrom-Schutzeinrichtung die Auslösezeit bei Bemessungsdifferenzstrom gemessen werden. Die nächste Abbildung zeigt die erfolgreiche Messung der Auslösezeit (hier 36 ms).
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Protokoll für die Wiederholungsprüfung
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- Als letzte Messung ist der Auslösestrom (Bemessungsdifferenzstrom) der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung zu bestimmen.
Die Messung des Auslösestroms (Bemessungsdifferenzstrom) wird in der Praxis meist mit einem sog. Rampentest durchgeführt. Dabei steigt der simulierte Fehlerstrom langsam und kontinuierlich an. Kommt es zu einer frühzeitigen Auslösung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (z.B. schon bei 15 mA) so gibt dieser Messwert der erfahrenen Elektrofachkraft die Möglichkeit Rückschlüsse auf die geschützten Stromkreise und auf die Verbraucher zu schließen.
Es könnte sich z.B. um eine sehr empfindliche Fehlerstrom-Schutzeinrichtung handeln oder es sind an dem Stromkreis Verbraucher angeschlossen, die einen unerwünschten Ableitstrom verursachen. Hier könnte z.B. das Ausstecken von allen an Steckdosen betriebenen Verbrauchern weitere Aufschlüsse geben. Ebenso lassen verspätete Auslösungen (z.B. bei 35 mA) die Rückschlüsse zu, dass entweder die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung mechanisch schwergängig ist bzw. eine Störung der Schutzeinrichtung bevorsteht. Alternativ könnte es sich auch um ein Messgerät mit einem höheren Toleranzwert handeln. Hier könnte z.B. eine Vergleichmessung mit einem anderen Messgerät weitere Aufschlüsse geben.
Spätestens jedoch wenn Messwerte erreicht werden, die außerhalb des laut DIN VDE 0413 bei kalibrierten Messgeräten zulässigen Bereichs von 30 % Messfehler liegen, ist Vorsicht geboten. Sollten Messwerte vorliegen, die 1,3 x IΔN übersteigen, so handelt es sich um eine fehlerhafte Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (1,3 x 30 mA = 39 mA). Bei Erreichen dieser Werte stoppen die meisten Messgeräte selbständig die Messung und geben eine Warnung heraus.
Das letzte Foto zeigt eine solche nicht erfolgreiche Messung des Auslösestroms an einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung mit einem Bemessungsdifferenzstrom von IΔN ≤ 30 mA. Die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung ist defekt.
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Protokollierung der Messungen
Zuletzt sind die gemessenen Werte für Berührungsspannung, Auslösezeit und Auslösestrom der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung im Prüf-/Messprotokoll zu dokumentieren. Der Elektrofachkraft geben die erfassten Messwerte spätestens bei den nächsten wiederkehrenden Prüfungen die Möglichkeit, eine Veränderung in der elektrischen Anlage zu erkennen.
Beitrag von 2016, aktualisiert im Mai 2022
Kommentare
Kommentar von Peter Vogel |
Hallo zusammen,
in welchen Intervallen muss ein RCD gemessen werden (nicht geprüft!) und wo ist dies verankert?
Danke
Kommentar von Peter |
Frage 1
Ein Typ A RCD muss ja in 3 "Fällen" abschalten können,
1. pulsierend Plus, 2. pulsierend minus und natürlich auch bei einen
3. sinusförmigen wechselstrom
daher müsste man ja auch alle 3 Varianten messen müssen, oder?
Mein Messgerät Metrel MI 3155 Eurotest XD kann gar keinen sinus mehr messen.
selbst wenn ich auf Typ AC stelle, kann ich nur puls. + und puls. - einstellen.
Frage 2
muss ich bei einen 4pol. RCD alle 3 Phasen messen, oder reicht eine Phase...
( der summentrafo müsste das egal sein, welchen "Draht" ich verwende... )
Besten Dank für die Mühe
Kommentar von Holfeld Andreas |
1. Gemäß VDE 0100 - 600 ist die Bestimmung der Auslösezeit bei RCD bei Erstprüfungen nicht notwendig.
2. Bei Wiederholungsprüfungen nach VDE 0105 - 100 sollte seit 2009 und auch aktuell die Prüfung mit dem 5 fachen idn vorgenommen
werden. Dann gelten nicht die o.g. Abschaltzeiten 0,2 s oder 0,4 s sondern 40 ms.
Der Grund dafür liegt in der Schutzfunktion bei Versagen der Schutzmaßnahmen bei direktem Berühren, Isolation und der Schutzmaßnahme bei indirektem Berühren Personenschutz.
Durch die Biegelmeierversuche in den 80 iger Jahren wurde am Menschen nachgewiesen, daß bei einer Strombelastung < 400 mA und Abschaltzeiten unter
30 ms keine bleibenden Schäden oder Herzkammerflimmern auftreten.
Als Abschaltzeit für RCD in diesem Bereich ist nur die Angabe 5 x idn / 40 ms vorhanden.
Auf eine seperate Abschaltzeit bei Idn konnte man sich bisher mit Rücksicht auf RCD Typ B, B+, F, kurzzeitverzögerte RCD o.ä. nicht einigen.
Der Schutz bei direktem Berühren ist daher nur gegeben wenn die 30 mS bzw. 40 mS unterschritten werden.
Wenn RCD das bei idn erreichen ist das auch ausreichend.
Ansonsten muß nach GB nach VDE 0105 - 100 mit 5 x idn und 40 mS gearbeitet werden.
Bei einer Wiederholungsprüfung ist eine Rampenmessung nicht gefordert und nicht erforderlich.
Selbst bei der Erstprüfung ist nur erforderlich, daß bei idn abgeschaltet wird.
Das Prüfen mit festem Idn
erfüllt beide Bedingungen.
Die Rampenmessung kann damit auch grundsätzlich entfallen und ist so nicht explizit gefordert.
Kommentar von Kummerer Helmut |
Hallo zusammen,
möchte mich der Frage von Hrn. Lehmair anschließen. Die Messungen bei RCD Typ B liefern durchwegs erhöhte Auslöseströme. Vielleicht gibt es hierfür eine Tabelle, der zulässigen Grenzwerte?
Kommentar von Jürgen Lehmair |
Sehr geehrter Hr. Schneppe, interessant zu wissen wäre derzeit auch die Vorgehensweise bei der Prüfung des Typ B RCD (allstromsensitiv), dass z.B. bei der Gleichstromfehlermessung höhere Auslöseströme zulässig sind und welche Messungen generell zusätzlich notwendig werden.
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