Feuergefährdete Betriebsstätten gemäß DIN VDE 0100-420 und VdS 2033

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Was bedeutet „feuergefährdet“ eigentlich genau?
Was bedeutet „feuergefährdet“ eigentlich genau? (Bildquelle: koyu/iStock/Getty Images Plus)

Der Begriff „feuergefährdete Betriebsstätte“

Den Begriff „feuergefährdete Betriebsstätte“ hat sicherlich jede Elektrofachkraft (EFK) schon einmal gehört. Doch was bedeutet eigentlich „feuergefährdet“? Feuergefährdete Betriebsstätten gehören zu den Räumen und Orten mit besonderen Brandrisiken. Wie entstehen diese besonderen Brandrisiken? Die folgende erste kleine Normenrecherche soll Aufschluss darüber geben.

Erläuterung aus der DIN VDE 0100-510

Eine erste Definition findet sich in der DIN VDE 0100-510, deren Anwendungsbereich die Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel von Niederspannungsanlagen ist. Dort werden in der Tabelle ZA.1 unter dem Kurzzeichen BE2 die folgenden Merkmale einer feuergefährdeten Betriebsstätte aufgeführt: Herstellung, Bearbeitung oder Lagerung von brennbarem Material einschließlich Vorhandensein von Staub.

Als typische Beispiele für solche Orte werden Scheunen, Werkstätten für Holzbearbeitung und Papierfabriken genannt (vgl. VDE 0100-510). Das erste Foto zeigt eine holzverarbeitende Werkstatt, in der brennbarer Staub entsteht.

Zusätzliche Beschreibung in der DIN VDE 0100-420:2019-10

Eine etwas ausführlichere Beschreibung ist in der VDE 0100-420, die sich mit den Schutzmaßnahmen gegen thermische Auswirkungen befasst, vorhanden. Besondere Brandrisiken liegen vor, wenn ein Brandrisiko durch die Art der Verarbeitung oder Lagerung von brennbaren Materialien einschließlich der Ansammlung von Staub verursacht wird. Neben den bereits erwähnten Scheunen, holzverarbeitenden Betrieben und Papierfabriken werden dort auch Textilfabriken und „Ähnliches“ als Beispiel aufgeführt. Aus der Sicht des Autors versteht die Norm unter „Ähnliches“ wohl gleichwertige, gleichzustellende bzw. ähnliche Risiken. Doch dazu später mehr.

Laut Abschnitt 422.3 „Räume oder Orte mit besonderem Brandrisiko – Feuergefährdete Betriebsstätte“ der VDE 0100-420 ist für die Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte der Betreiber/Nutzer der elektrischen Anlage verantwortlich. Dieser soll erforderlichenfalls unter Einbeziehung eines Sachkundigen unter Beachtung des Baurechts und der Unfallverhütungsvorschriften die Einstufung vornehmen.

In der gleichen Anmerkung wird auf die Richtlinie zur Schadenverhütung (VdS 2033) „Elektrische Anlagen in feuergefährdeten Betriebsstätten und diesen gleichzustellende Risiken“, herausgegeben durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), verwiesen (vgl. VDE 0100-420). Die VdS-Richtlinie 2033 ist in der jeweils aktuellen Fassung, momentan VdS 2033:2019-11 (07), unter https://vds.de kostenfrei verfügbar.

Ausführliche Definition aus der VdS 2033

Der GDV definiert feuergefährdete Betriebsstätten in der VdS 2033 ebenfalls als Räume oder Orte oder Stellen in Räumen oder im Freien, bei denen die Brandgefahr durch die Art der verarbeiteten oder gelagerten Materialien, die Verarbeitung oder die Lagerung von brennbaren Materialien oder die Ansammlung von Staub oder Ähnlichem verursacht wird. Eine potenzielle Brandgefahr besteht dabei durch das Vorhandensein einer gefahrdrohenden Menge von leicht entzündlichen Stoffen, die sich an erhöhten betriebs- oder fehlerbedingten Temperaturen von elektrischen Betriebsmitteln entzünden können (vgl. VdS 2033). Eine gefahrdrohende Menge liegt vor, wenn die Stoffe nicht nur lokal auf einen Ort beschränkt, sondern in größeren Mengen und weiträumig verteilt vorhanden sind. Ein lokales Brandereignis könnte sich dadurch als Lauffeuer schnell ausbreiten. Brennbare Stoffe gelten als leicht entzündlich, wenn diese der Flamme eines Zündholzes 10 Sekunden lang ausgesetzt werden und diese anschließend, nach dem Entfernen der Zündquelle, selbsttätig weiterbrennen oder weiterglimmen. Das heißt, leicht entzündliche, brennbare Stoffe erlöschen nicht selbstständig. Typische Beispiele für leicht entzündliche Stoffe sind Heu, Stroh, Strohstaub, Mehl, Hobelspäne, lose Holzwolle, Magnesiumspäne, Reisig, loses Papier, Baum- und Zellwollfasern, Kunststoffe, Lacke, Lösungsmittel oder Öle. Das folgende Foto wurde in einem textilverarbeitenden Betrieb aufgenommen, bei dem sich Textilfasern im gesamten Betrieb weiträumig verteilt haben.

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Leicht entzündliche Stoffe mit/ohne Staub und/oder Fasern

Darüber hinaus unterscheidet die VdS 2033 feuergefährdete Betriebsstätten in solche mit leicht entzündlichen Stoffen ohne Staub und/oder Fasern und solche mit Staub und/oder Fasern. Weiterhin gibt es den Hinweis, dass sich bei brennbaren Stoffen ohne Staub und/oder Fasern erfahrungsgemäß keine gefahrdrohenden Mengen an Staub und/oder Fasern auf elektrische Betriebsmittel niederschlagen. Zu den Stoffen können jedoch auch brennbare Gase und entzündliche Flüssigkeiten gehören, für die dann ggf. weitergehende Anforderungen zu beachten sind.

Einer feuergefährdeten Betriebsstätte gleichzustellendes Risiko

Im Abschnitt 3.2 der VdS 2033 gibt es auch eine Definition für – aus der Sicht des Versicherers – gleichzustellende Risiken. Dabei handelt es sich um Gebäude, Räume, Orte, Stellen in Räumen oder im Freien, in denen eine erhöhte Sachwertgefährdung bzw. ein erhöhtes Betriebsunterbrechungsrisiko vorliegt. Eine erhöhte Sachwertgefährdung bzw. ein hohes Betriebsunterbrechungsrisiko ist z.B. in Rechenzentren, Leitwarten, Bahnhöfen oder Flughäfen gegeben. Darüber hinaus gelten unwiederbringliche Kulturgüter als einer feuergefährdeten Betriebsstätte gleichzustellende Risiken. Als Beispiel für unwiederbringliche Kulturgüter gelten Kirchen, Museen, Galerien, Archive oder Baudenkmäler.

Rechtliche Grundlage für die Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte

Ob eine feuergefährdete Betriebsstätte vorliegt oder nicht, hat der Arbeitgeber auf Basis des Arbeitsschutzgesetzes bzw. der Betriebssicherheitsverordnung im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Laut § 5 Abs. 1 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln und Maßnahmen des Arbeitsschutzes festzulegen. Dabei sind mindestens die folgenden Gefährdungen zu berücksichtigen (vgl. ArbSchG):

  • Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes
  • physikalische, chemische und biologische Einwirkungen
  • Gestaltung, Auswahl und Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen, sowie der Umgang damit
  • Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken
  • unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten
  • psychische Belastungen bei der Arbeit

Die Betriebssicherheitsverordnung fordert in § 3 Abs. 1, dass der Arbeitgeber vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen hat (sogenannte Gefährdungsbeurteilung). Für die dabei festgestellten Gefährdungen sind notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Die Gefährdungsbeurteilung muss alle Gefährdungen berücksichtigen, die bei der Verwendung der Arbeitsmittel selbst, der Arbeitsumgebung und bei den Arbeitsgegenständen, an denen Tätigkeiten mit Arbeitsmitteln durchgeführt werden, auftreten können. Hierbei sind mindestens die folgenden Aspekte zu betrachten (vgl. BetrSichV):

  • die Gebrauchstauglichkeit von Arbeitsmitteln einschließlich der ergonomischen, alters- und alternsgerechten Gestaltung
  • die sicherheitsrelevanten einschließlich der ergonomischen Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe
  • die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln auftreten
  • vorhersehbare Betriebsstörungen und die Gefährdung bei Maßnahmen zu deren Beseitigung

Praxisleitfaden für die Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte

Die oben aufgelisteten rechtlichen Grundlagen sind zunächst einmal sehr theoretisch. Die VdS 2033 bietet jedoch in ihren Anhängen B und C einen praxisgerechten Leitfaden an. Zunächst erfolgt eine Grobeinstufung. Anhand Tabelle 1 des Anhangs C ist zu prüfen, ob eine Übereinstimmung mit den in Tabelle 1 aufgelisteten Beispielen für mögliche feuergefährdete Betriebsstätten, Teilbereiche oder Materialien vorliegt. Die Tabelle listet sowohl zahlreiche typische feuergefährdete Betriebsstätten als auch brennbare Materialien auf, die für die Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte sprechen. Danach erfolgt ein Abgleich mit der Tabelle 2 des Anhangs C. Dort sind mögliche, einer feuergefährdeten Betriebsstätte gleichzustellende Risiken aufgelistet. Findet sich hier eine Übereinstimmung, könnte es sich ebenfalls um eine feuergefährdete Betriebsstätte handeln. Die folgende Abbildung zeigt einen möglichen Ablauf bei der Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte nach den Kriterien der VdS 2033.

Unter Zuhilfenahme des Anhangs B wird eine detaillierte Einstufung durchgeführt. Dabei müssen drei Kriterien bewertet werden:

  1. Sind leicht entzündliche Stoffe vorhanden?
  2. Liegt eine gefahrdrohende Menge von leicht entzündlichen Stoffen vor?
  3. Können sich leicht entzündliche Stoffe den elektrischen Betriebsmitteln oder die elektrischen Betriebsmittel den leicht entzündlichen Stoffen so nähern, dass eine Entzündung wahrscheinlich ist?

Die unten stehende Abbildung zeigt die drei Kriterien der VdS 2033, die eine feuergefährdete Betriebsstätte klassifizieren.

Sind alle drei Kriterien erfüllt, dann erfolgt eine Einstufung als feuergefährdete Betriebsstätte. Bei der Einstufung kann auch berücksichtigt werden, ob die Kriterien im gesamten Betrieb oder nur in einem Teilbereich erfüllt werden. So kann z.B. die Schreinerei der Versandabteilung eines produzierenden Maschinenbaubetriebs sehr wohl als feuergefährdete Betriebsstätte eingestuft werden, obwohl der Gesamtbetrieb keine feuergefährdete Betriebsstätte ist. In diesem Fall würde eventuell nur ein Teilbereich oder ein einzelner Raum die Kriterien der feuergefährdeten Betriebsstätte erfüllen.

  • Autor:

    Dipl.-Ing. (FH) Christoph Schneppe, B.A.

    geschäftsführender Gesellschafter im Sachverständigenbüro Bluhm + Schneppe

    Christoph Schneppe

    Christoph Schneppe betreut als freiberuflicher Sachverständiger für Elektrotechnik den Schwerpunkt baurechtliche Prüfungen. Er ist VdS-anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen und staatlich anerkannter Sachverständiger (Prüfsachverständiger) für Sicherheitsbeleuchtungs-, Sicherheitsstromversorgungs-, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen.

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