Wiederholungsprüfungen an unter Spannung stehenden Teilen
- Kommentare: 2
- Prüfen
- Artikel als PDF herunterladen
Schleifenwiderstand messen, FI testen – und das bei laufendem Betrieb? Wiederholungsprüfungen an unter Spannung stehenden Teilen erfordern höchste Sorgfalt. Welche Sicherheitsregeln gelten und wie lässt sich die Gefahr von Stromunfällen minimieren?
Oft muss der Prüfer bei der wiederkehrenden Prüfung ortsfester elektrischer Anlagen die Anschlüsse in der Unterverteilung auf Festigkeit kontrollieren. Da es nicht immer möglich ist, die gesamte Anlage abzuschalten, fallen diese Arbeiten in die Kategorie Arbeiten unter Spannung (AuS) bzw. in der Nähe unter Spannung stehender Teile.
Muss bei Arbeiten unter Spannung und in der Nähe immer eine zweite Person anwesend sein, wie dies in den Durchführungsanweisungen zu § 8 DGUV Vorschrift 3 gefordert wird? Das würde diese an sich schon vom Kunden ungeliebte Arbeit nochmals verteuern. Genügt es, wenn der Kunde oder seine Mitarbeiter anwesend sind und ggf. die erste Hilfe durchführen oder einleiten können?
Sicher prüfen an unter Spannung stehenden elektrischen Anlagen
Bei der Durchführung von Prüfungen an unter Spannung stehenden elektrischen Anlagen ist neben der optischen Kontrolle (Besichtigen) und der Funktionsprüfung, insbesondere das Messen elektrotechnischer Werte erforderlich, wie z.B.
- Schleifenwiderstand
- Isolationswiderstand
- Auslöseverhalten von Überstrom- und Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen.
Dabei müssen in vielen Fällen Prüfspitzen und ähnliche Hilfsmittel mit aktiven Teilen in Verbindung gebracht werden.
Wenn die dabei verwendeten Prüfgeräte den elektrotechnischen Regeln, u.a. DIN EN IEC 61557 (VDE 0413) „Elektrische Sicherheit in Niederspannungsnetzen bis AC 1 000 V und DC 1 500 V – Geräte zum Prüfen, Messen oder Überwachen von Schutzmaßnahmen“, und Prüfspitzen und Leitungen sowie Spannungsprüfer ebenfalls den elektrotechnischen Regeln, z.B. den entsprechenden Abschnitten von DIN VDE 0680 „Persönliche Schutzausrüstungen, Schutzvorrichtungen und Geräte zum Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen bis 1 000 V“, entsprechen, ist davon auszugehen, dass die Regelungen von § 8 der DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ anzuwenden sind.
Tipp der Redaktion
Mustergültiger Schutz mit „Arbeitshilfen für die betriebliche Elektrosicherheit“
- über 1.000 sofort einsetzbare Arbeitshilfen in Word
- Arbeitsanweisungen nach VDE 0105-100
- Betriebsanweisungen zu Gefahrstoffen, Arbeitsmitteln, Maschinen, PSA
- Gefährdungsbeurteilungen
Normgerechte Prüfeinrichtungen
Dies bedeutet, dass bei dieser Art von Arbeiten unter Spannung, d.h. bspw. beim Heranführen von Prüfeinrichtungen an unter Spannung stehende aktive Teile,
„durch die Art der Anlage eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist“,
weil bei den verwendeten Prüfeinrichtungen die in den vergleichbaren elektrotechnischen Regeln festgelegten Werte, hier der Ableitstrom, nicht überschritten werden.
Angemerkt sei an dieser Stelle, dass bei normgerechten Prüfeinrichtungen auch die Potenzialüberbrückung weitgehend verhindert wird, wenn die Tastelektroden eine isolierende Abdeckung aufweisen. Es werden auch Tastelektroden mit verschiebbaren Kontaktspitzen angeboten.
Bei den erwähnten Einrichtungen handelt es sich um Betriebsmittel. In der DGUV Vorschrift 3 wird jedoch von der elektrischen Anlage gesprochen. Dieser scheinbare Widerspruch wird dadurch aufgehoben, dass ein an die Anlage angeschlossenes oder auch herangeführtes Betriebsmittel, z.B. ein Spannungsprüfer, im Augenblick der Verbindung mit den aktiven Teilen der Anlage nach den entsprechenden Begriffsbestimmungen ein Teil dieser Anlage wird. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass im Sinne der DGUV Vorschrift 3 in solchen Fällen eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist.
Zweite Person nicht gefordert
Eine zweite Person wird für diese Arbeiten in DGUV Vorschrift 3 (Durchführungsanweisung zu § 8 Nr. 1) nicht gefordert.
Ausnahmen
Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn bei Wiederholungsprüfungen oder anderen Tätigkeiten, z.B. ein isoliertes Werkzeug (Schraubendreher, Schraubenschlüssel), an die unter Spannung stehende Verschraubung einer Sammelschiene oder die Anschlussklemme eines Leitungsschutzschalters herangeführt wird, um diese zu prüfen oder zu befestigen. Bei einer solchen Arbeit ist die Gefährdung durch Körperdurchströmung und Lichtbogenbildung allein durch die Anlage und die örtliche Situation, d.h. das isolierte Werkzeug, nicht ausgeschlossen. Hier kommt es zusätzlich noch auf die richtige Arbeitsweise und eine fachgerechte Handhabung der Hilfsmittel an.
Es gelten dann die Regelungen von § 8 Nr. 2 DGUV Vorschrift 3 mit den Ausnahmebestimmungen für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile bzw. das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen.
Muss generell freigeschaltet werden?
Ob freigeschaltet werden muss oder nicht, sollte in einer allgemeinen Arbeitsanweisung festgehalten werden, in der vom Unternehmer insbesondere darauf hinzuweisen ist, dass auf eine Freischaltung in solchen Fällen verzichtet werden kann, bei denen klare und übersichtliche Verhältnisse vorliegen und die Anlage sich in einem äußerlich zufrieden stellenden Zustand befindet.
Dies wird z.B. im Allgemeinen in Wohngebäuden der Fall sein, die in den letzten 30 Jahren errichtet worden sind. Bei älteren Anlagen, u.a. aus den 30er- und 40er-Jahren, in denen so mancherlei „Improvisationen“ realisiert worden sind, muss der Einzelfall beurteilt werden. Insbesondere gilt dies z.B. dann, wenn es darum geht, „zerflossene“ Klemmstellen von Aluminiumleitern abzuschneiden und einen Neuanschluss vorzunehmen.
Downloadtipps der Redaktion
E-Book: Haftung der Elektrofachkraft
Hier gelangen Sie zum Download.
Unterweisung: VDE 1000-10 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“
Hier gelangen Sie zum Download.
Checkliste: Vergabe von Prüfdienstleistungen
Hier gelangen Sie zum Download.
Formular: Bestellung zur befähigten Person zu Prüfung gegen elektrische Gefährdungen
Hier gelangen Sie zum Download.
Arbeitsanweisung: Niederspannungsanlagen – AuS nach VDE 0105-100
Hilfsgeräte und Schutzausrüstungen für Arbeiten unter Spannung
Solche Arbeiten sind von Elektrofachkräften auszuführen, die hierfür besonders ausgebildet wurden, und von Zeit zu Zeit, spätestens aber in Abständen von einem Jahr, eine Nachschulung erhalten. Dies vor allem auch dann, wenn neuartige Klemmen oder Arbeits- und Verbindungstechniken eingeführt werden. Für all diese Tätigkeiten müssen den Mitarbeitern die erforderlichen Hilfsgeräte und Werkzeuge, insbesondere isolierte Werkzeuge nach DIN EN 60900 „Arbeiten unter Spannung“, sowie persönliche Schutzausrüstungen, wie Gesichtsschutz und isolierte Handschuhe zur Verfügung stehen und benutzt werden.
In der Durchführungsanweisung zu § 8 Nr. 2 DGUV Vorschrift 3 wird erwähnt, dass solche Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen von einer in der ersten Hilfe ausgebildeten und mindestens elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP) überwacht werden sollen. Diese Festlegung ist nach dem Text der Durchführungsanweisung nicht absolut verpflichtend. Die Regelung hat insbesondere Bedeutung, wenn Mitarbeiter einzeln an möglicherweise entlegenen Verteilungen, Anschlusskästen, Kabelmuffen und drgl. im öffentlichen oder industriellen Netz arbeiten. Wenn in Hausinstallationen unter Spannung gearbeitet werden muss, kann auf den zweiten Mann im Allgemeinen verzichtet werden, nicht zuletzt deshalb, weil dort im Regelfall Personal zur Verfügung steht, das erste Hilfe leisten oder zumindest erste Hilfe herbeirufen kann.
Fazit
Zusammenfassend ist für die wiederkehrende Prüfung festzustellen:
- Vom Unternehmer ist eine Arbeitsanweisung zu erstellen, in der präzise festgelegt wird, wann und unter welchen Bedingungen, von wem, mit welchen Hilfsmitteln und Ausrüstungen gearbeitet werden darf (zwingender Grund).
- Diese Arbeitsanweisung ist den betreffenden Mitarbeitern im Rahmen einer Unterweisung zu erläutern und später ggf. aufgrund der praktischen Erfahrung zu ergänzen und fortzuschreiben
- Wiederholungsprüfungen dürfen nur durch besonders für diese Tätigkeiten ausgebildete Elektrofachkräfte ausgeführt werden. Diese Ausbildung ist in den jeweils erforderlichen Zeitabständen und bei Bedarf zu wiederholen, spätestens aber jährlich.
- Im Rahmen der organisatorischen Maßnahmen sind die notwendigen persönlichen Schutzausrüstungen und Hilfsmittel, einschließlich isolierter Werkzeuge, zur Verfügung zu stellen und zu verwenden. Soweit es sich um Arbeiten in Wohnungsinstallationen handelt, wird man im Regelfall auf die Anwesenheit einer zweiten Elektrofachkraft oder EuP verzichten können, wenn andere Personen zur Verfügung stehen, die erste Hilfe leisten oder veranlassen können.
Man erkennt, dass für solche Entscheidungen in jedem Fall das Fachwissen und die Erfahrung einer verantwortlichen Elektrofachkraft erforderlich sind, die entsprechende Regelungen in praxisbezogener Form in die Arbeitsanweisungen übernehmen wird.
Beitrag aus dem Jahr 2008, wurde geprüft und aktualisiert am 07.11.2025.
Kommentare
Kommentar von Bauer Michael |
Hallo zusammen,
vielen Dank für den interessanten Bericht zu einem wichtigen Thema.
Aus meiner Sicht liegt eine der größten Herausforderungen darin, dass Mitarbeitende oft nicht erkennen, in welcher konkreten Gefahrensituation sie sich befinden, wenn sie Messungen durchführen. Unsere Anlagen sind mit hohen Energien an die Niederspannungsverteilung angeschlossen – allein das Messen von Energien oder Schleifenwiderständen ist per se bereits eine gefährliche Tätigkeit.
Wichtig ist nach meinen Erfahrungen vor allem das Erkennen der Gefährdung und das Greifbarmachen der vorhandenen Energien. Der Schlüssel liegt meiner Meinung nach darin, dass sich Elektrofachkräfte der Energie bewusst werden, die an den jeweiligen Messpunkten anliegt. Erst dann können Schutzmaßnahmen wie Persönliche Schutzausrüstung (PSA) oder Standortisolation sinnvoll und gezielt eingesetzt werden.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn solche Arbeiten grundsätzlich nur durch zwei Personen durchgeführt werden – um gemeinsam die Gefährdung zu besprechen und sich gegenseitig abzusichern.
Kommentar von Jörg Pospisil |
Der Absatz "Muss generell freigeschaltet werden" ist zu allgemein gehalten, da hier auf einen Neuanschluss Bezug genommen wird. Hierbei handelt es sich nämlich um das "Arbeiten unter Spannung"! Diese ist geregelt durch die DGUV Regel 103-011 und der VDE 0105-100 und bedarf einer Spezialausbildung. Dazu gehört unter anderem, dass diese alle 4 Jahre wiederholt werden muss mit theoretischer und praktischer Prüfung und jährlich in den Sicherheitsunterweisungen einfließen muss. Der Unternehmer (Vorgesetzte) darf nicht entscheiden ob freigeschaltet werden muss oder nicht, nach dem Gesichtspunkt ob: "... klare und übersichtliche Verhältnisse vorliegen und die Anlage sich in einem äußerlich zufrieden stellenden Zustand befindet." oder die Spannung z.B. bei Batterieanlagen nicht abgeschaltet werden kann. Er hat zu berücksichtigen, ob es geeignete Verfahren gibt oder diese entwickelt werden können. Diese müssen auf Grund einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, die nicht nur die elektrischen Gefährdungen, sondern unter anderem auch das Fehlverhalten der Ausführenden berücksichtigt, beurteilt und dokumentiert werden.
Das Prüfen und Messen bis 1kV gilt als erlaubtes Arbeiten unter Spannung.
Einen Kommentar schreiben