Wiederholungsprüfungen an unter Spannung stehenden Teilen

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Nicht für jede Prüfung ist eine zweite Person erforderlich
Nicht für jede Prüfung ist eine zweite Person erforderlich (Bildquelle: kadmy/iStock/Getty Images)

Oft muss der Prüfer bei der wiederkehrenden Prüfung ortsfester elektrischer Anlagen die Anschlüsse in der Unterverteilung auf Festigkeit kontrollieren. Da es nicht immer möglich ist, die gesamte Anlage abzuschalten, fallen diese Arbeiten in die Kategorie Arbeiten unter Spannung bzw. in der Nähe unter Spannung stehender Teile.

Muss bei Arbeiten unter Spannung und in der Nähe immer eine zweite Person anwesend sein, wie dies in den Durchführungsanweisungen zu § 8 DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) gefordert wird? Das würde diese an sich schon vom Kunden ungeliebte Arbeit nochmals verteuern. Genügt es, wenn der Kunde oder seine Mitarbeiter anwesend sind und ggf. die erste Hilfe durchführen oder einleiten können?

Sicher prüfen an unter Spannung stehenden elektrischen Anlagen

Bei der Durchführung von Prüfungen an unter Spannung stehenden elektrischen Anlagen ist neben der optischen Kontrolle (Besichtigen) und der Funktionsprüfung, insbesondere das Messen elektrotechnischer Werte erforderlich, wie z.B.

  • Schleifenwiderstand
  • Isolationswiderstand
  • Auslöseverhalten von Überstrom- und FI-Schutzeinrichtungen.

Dabei müssen in vielen Fällen Prüfspitzen und ähnliche Hilfsmittel mit aktiven Teilen in Verbindung gebracht werden.

Wenn die dabei verwendeten Prüfgeräte den elektrotechnischen Regeln, u.a. DIN VDE 0413, und Prüfspitzen und Leitungen sowie Spannungsprüfer ebenfalls den elektrotechnischen Regeln, z.B. den entsprechenden Abschnitten von DIN VDE 0680, entsprechen, ist davon auszugehen, dass die Regelungen von § 8 der DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ anzuwenden sind.

Normgerechte Prüfeinrichtungen

Dies bedeutet, dass bei dieser Art von Arbeiten unter Spannung, d.h. bspw. beim Heranführen von Prüfeinrichtungen an unter Spannung stehende aktive Teile,

„durch die Art der Anlage eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist“,

weil bei den verwendeten Prüfeinrichtungen die in den vergleichbaren elektrotechnischen Regeln festgelegten Werte, hier der Ableitstrom, nicht überschritten werden.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass bei normgerechten Prüfeinrichtungen auch die Potenzialüberbrückung weitgehend verhindert wird, wenn die Tastelektroden eine isolierende Abdeckung aufweisen. Es werden auch Tastelektroden mit verschiebbaren Kontaktspitzen angeboten.

Bei den erwähnten Einrichtungen handelt es sich um Betriebsmittel. In der DGUV Vorschrift 3 wird jedoch von der elektrischen Anlage gesprochen. Dieser scheinbare Widerspruch wird dadurch aufgehoben, dass ein an die Anlage angeschlossenes oder auch herangeführtes Betriebsmittel, z.B. ein Spannungsprüfer, im Augenblick der Verbindung mit den aktiven Teilen der Anlage nach den entsprechenden Begriffsbestimmungen ein Teil dieser Anlage wird. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass im Sinne der DGUV Vorschrift 3 in solchen Fällen eine Gefährdung durch Körperdurchströmung oder durch Lichtbogenbildung ausgeschlossen ist.

Zweite Person nicht gefordert

Eine zweite Person wird für diese Arbeiten in DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) (Durchführungsanweisung zu § 8 Nr. 1) nicht gefordert.

Ausnahmen

Anders ist die Situation zu beurteilen, wenn bei Wiederholungsprüfungen oder anderen Tätigkeiten, z.B. ein isoliertes Werkzeug (Schraubendreher, Schraubenschlüssel), an die unter Spannung stehende Verschraubung einer Sammelschiene oder die Anschlussklemme eines Leitungsschutzschalters herangeführt wird, um diese zu prüfen oder zu befestigen. Bei einer solchen Arbeit ist die Gefährdung durch Körperdurchströmung und Lichtbogenbildung allein durch die Anlage und die örtliche Situation, d.h. das isolierte Werkzeug, nicht ausgeschlossen. Hier kommt es zusätzlich noch auf die richtige Arbeitsweise und eine fachgerechte Handhabung der Hilfsmittel an.

Es gelten dann die Regelungen von § 8 Nr. 2 DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) mit den Ausnahmebestimmungen für das Arbeiten in der Nähe unter Spannung stehender Teile bzw. das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen.

Muss generell freigeschaltet werden?

Ob freigeschaltet werden muss oder nicht, sollte in einer allgemeinen Arbeitsanweisung festgehalten werden, in der vom Unternehmer insbesondere darauf hinzuweisen ist, dass auf eine Freischaltung in solchen Fällen verzichtet werden kann, bei denen klare und übersichtliche Verhältnisse vorliegen und die Anlage sich in einem äußerlich zufrieden stellenden Zustand befindet.

Dies wird z.B. im Allgemeinen in Wohngebäuden der Fall sein, die in den letzten 30 Jahren errichtet worden sind. Bei älteren Anlagen, u.a. aus den 30er- und 40er-Jahren, in denen so mancherlei „Improvisationen“ realisiert worden sind, muss der Einzelfall beurteilt werden. Insbesondere gilt dies z.B. dann, wenn es darum geht, „zerflossene“ Klemmstellen von Aluminiumleitern abzuschneiden und einen Neuanschluss vorzunehmen.

Hilfsgeräte und Schutzausrüstungen für Arbeiten unter Spannung

Solche Arbeiten sind von Elektrofachkräften auszuführen, die hierfür besonders ausgebildet wurden, und von Zeit zu Zeit, spätestens aber in Abständen von einem Jahr, eine Nachschulung erhalten. Dies vor allem auch dann, wenn neuartige Klemmen oder Arbeits- und Verbindungstechniken eingeführt werden. Für all diese Tätigkeiten müssen den Mitarbeitern die erforderlichen Hilfsgeräte und Werkzeuge, insbesondere isolierte Werkzeuge nach DIN EN 60900, sowie persönliche Schutzausrüstungen, wie Gesichtsschutz und isolierte Handschuhe zur Verfügung stehen und benutzt werden.

In der Durchführungsanweisung zu § 8 Nr. 2 DGUV Vorschrift 3 (BGV A3) wird erwähnt, dass solche Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen von einer in der ersten Hilfe ausgebildeten und mindestens elektrotechnisch unterwiesenen Person (EuP) überwacht werden sollen. Diese Festlegung ist nach dem Text der Durchführungsanweisung nicht absolut verpflichtend. Die Regelung hat insbesondere Bedeutung, wenn Mitarbeiter einzeln an möglicherweise entlegenen Verteilungen, Anschlusskästen, Kabelmuffen und drgl. im öffentlichen oder industriellen Netz arbeiten. Wenn in Hausinstallationen unter Spannung gearbeitet werden muss, kann auf den zweiten Mann im Allgemeinen verzichtet werden, nicht zuletzt deshalb, weil dort im Regelfall Personal zur Verfügung steht, das erste Hilfe leisten oder zumindest erste Hilfe herbeirufen kann.

Fazit

Zusammenfassend ist für die wiederkehrende Prüfung festzustellen:

  1. Vom Unternehmer ist eine Arbeitsanweisung zu erstellen, in der präzise festgelegt wird, wann und unter welchen Bedingungen, von wem, mit welchen Hilfsmitteln und Ausrüstungen gearbeitet werden darf (zwingender Grund).
  2. Diese Arbeitsanweisung ist den betreffenden Mitarbeitern im Rahmen einer Unterweisung zu erläutern und später ggf. aufgrund der praktischen Erfahrung zu ergänzen und fortzuschreiben
  3. Wiederholungsprüfungen dürfen nur durch besonders für diese Tätigkeiten ausgebildete Elektrofachkräfte ausgeführt werden. Diese Ausbildung ist in den jeweils erforderlichen Zeitabständen und bei Bedarf zu wiederholen, spätestens aber jährlich.
  4. Im Rahmen der organisatorischen Maßnahmen sind die notwendigen persönlichen Schutzausrüstungen und Hilfsmittel, einschließlich isolierter Werkzeuge, zur Verfügung zu stellen und zu verwenden. Soweit es sich um Arbeiten in Wohnungsinstallationen handelt, wird man im Regelfall auf die Anwesenheit einer zweiten Elektrofachkraft oder EuP verzichten können, wenn andere Personen zur Verfügung stehen, die erste Hilfe leisten oder veranlassen können.

Man erkennt, dass für solche Entscheidungen in jedem Fall das Fachwissen und die Erfahrung einer verantwortlichen Elektrofachkraft erforderlich sind, die entsprechende Regelungen in praxisbezogener Form in die Arbeitsanweisungen übernehmen wird.

Beitrag aus dem Jahr 2008, wurde geprüft und aktualisiert am 24.04.2020

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Kommentare

Kommentar von Jörg Pospisil |

Der Absatz "Muss generell freigeschaltet werden" ist zu allgemein gehalten, da hier auf einen Neuanschluss Bezug genommen wird. Hierbei handelt es sich nämlich um das "Arbeiten unter Spannung"! Diese ist geregelt durch die DGUV Regel 103-011 und der VDE 0105-100 und bedarf einer Spezialausbildung. Dazu gehört unter anderem, dass diese alle 4 Jahre wiederholt werden muss mit theoretischer und praktischer Prüfung und jährlich in den Sicherheitsunterweisungen einfließen muss. Der Unternehmer (Vorgesetzte) darf nicht entscheiden ob freigeschaltet werden muss oder nicht, nach dem Gesichtspunkt ob: "... klare und übersichtliche Verhältnisse vorliegen und die Anlage sich in einem äußerlich zufrieden stellenden Zustand befindet." oder die Spannung z.B. bei Batterieanlagen nicht abgeschaltet werden kann. Er hat zu berücksichtigen, ob es geeignete Verfahren gibt oder diese entwickelt werden können. Diese müssen auf Grund einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung, die nicht nur die elektrischen Gefährdungen, sondern unter anderem auch das Fehlverhalten der Ausführenden berücksichtigt, beurteilt und dokumentiert werden.

Das Prüfen und Messen bis 1kV gilt als erlaubtes Arbeiten unter Spannung.

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