Herausforderung Elektrosicherheit: veraltete Elektroinstallationen
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Oft passiert ein tödlicher Stromunfall nicht im Beruf, sondern im privaten Umfeld. Ursache sind oft Leichtsinn, Unkenntnis und mangelnder Wahrnehmung der Gefahren des elektrischen Stroms. Aber auch veraltete Elektroinstallationen oder Heimwerkerprojekte, die ein elektrotechnischer Laie ohne die notwendigen Fachkenntnisse durchführt, können tödlich sein.
Rechtslage zur Elektrosicherheit
In Betrieben und Unternehmen ist klar geregelt, wer für Sicherheits- und Elektrosicherheitsaspekte zuständig ist. Der Arbeitgeber und Betreiber der Arbeitsstätte ist verantwortlich für die Sicherheit seiner Beschäftigten. Er hat dafür zu sorgen, dass niemand durch elektrische Installationen und Betriebsmittel gefährdet wird. Alle gewerblichen elektrischen Anlagen müssen sicher installiert und betrieben werden. Elektrisch betriebene Maschinen und Elektrowerkzeuge müssen regelmäßig geprüft und instandgehalten werden. Das ist Aufgabe der Elektrofachkraft.
Bei privaten Immobilien sieht es ganz anders aus. Die Rechtslage zur Elektrosicherheit ist hier weniger bekannt. Gewerbeaufsichtsämter, Arbeitsschutzbehörden oder Berufsgenossenschaften treten gegenüber privaten Immobilienbesitzern nicht in Erscheinung und das Bewusstsein für die Gefahren des elektrischen Stroms entsteht oft erst, wenn etwas passiert ist.
Häufig werden Elektroarbeiten von Hausbesitzern, Bewohnern und Mietern in Eigenleistung durchgeführt – obwohl diese keinerlei elektrotechnische Qualifikation besitzen und als elektrotechnische Laien gelten. Dazu kommt, dass elektrische Installationen in älteren Gebäuden oft Jahre oder sogar Jahrzehnte alt sind und nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprechen.
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Was viele private Immobilienbesitzer nicht wissen
Jeder Gebäudebesitzer hat eine Sorgfaltspflicht für seine Immobilie, die auch die elektrischen Installationen umfasst. Laut § 13 der Niederspannungsanschlussverordnung
- ist der Anschlussnehmer – das ist in der Regel der Eigentümer eines Gebäudes – für die ordnungsgemäße Errichtung, Erweiterung, Änderung und Instandhaltung der elektrischen Anlage hinter der Hausanschlusssicherung gegenüber dem Netzbetreiber verantwortlich. Dies gilt auch, wenn das Gebäude oder Teile des Gebäudes vermietet werden.
- darf eine elektrische Anlage nur nach den Vorschriften der Niederspannungsanschlussverordnung und anderen Rechtsvorschriften sowie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik errichtet, erweitert, geändert und instandgehalten werden.
- dürfen die im letzten Punkt genannten Arbeiten außer durch den Netzbetreiber nur durch ein in ein Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers eingetragenes Installationsunternehmen durchgeführt werden. Das gilt – außer für den Abschnitt zwischen Hausanschlusssicherung und Messeinrichtung – allerdings nicht für die Instandhaltung der Anlage.
Daraus folgt: Ein elektrotechnischer Laie ist nicht befugt, elektrische Anlagen, die an die öffentliche Stromversorgung angeschlossen sind oder angeschlossen werden sollen, zu installieren oder zu erweitern. Auch die Instandhaltung der elektrischen Anlage muss ein elektrotechnischer Laie Fachkräften überlassen. Denn gemäß der DIN VDE 0105-100 dürfen Laien maximal unter Aufsicht einer Elektrofachkraft an der Instandhaltung elektrischer Anlagen mitwirken.
Gefahren durch veraltete Elektroinstallationen
Nicht nur unsere Anforderungen an Komfort und Sicherheit haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert, auch die Vorschriften für elektrische Anlagen haben sich immer weiterentwickelt. Doch in älteren Gebäuden findet man noch immer veraltete Elektroinstallationen. Oft befinden sich die Anlagen noch in ihrem ursprünglichen Zustand und entsprechen nicht den heutigen Anforderungen an sichere Elektroinstallationen, z.B.:
- Die Anzahl der Steckdosen reicht nicht aus, um die vielen elektrischen Geräte für Haushalt, Kommunikation und Unterhaltung zu versorgen. Um trotz fehlender Steckdosen alle benötigten Geräte nutzen zu können, werden häufig Mehrfachsteckdosen verwendet – oft auch hintereinander geschalten.
- In manchen Zimmern fehlen Steckdosen ganz, zum Beispiel in manchen Bädern oder Nebenräumen.
- Die alten Elektroleitungen sind zweiadrig ausgelegt, in sogenannter „klassischer Nullung“ ohne besonderen Schutzleiter.
- Jahrzehnte alte Elektroleitungen können brüchig geworden sein. Bei ihrer Installation war kaum vorauszusehen, wie viele elektrische Verbraucher heute oft gleichzeitig angeschlossen sind.
- Ein Sicherungskasten enthält Schmelzsicherungen zum Überstromschutz statt Leitungsschutzschalter.
Die genannten Punkte stellen zwar nicht zwangsläufig eine akute Gefahr dar, spätestens bei einer Renovierung oder einem Umbau sollten die aus Sicht der Elektrosicherheit kritischen Schwachstellen jedoch fachgerecht behoben werden.
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Der viel diskutierte Bestandsschutz
Wenn eine elektrische Anlage zum Zeitpunkt ihrer Installation den Vorschriften entsprochen hat, besteht keine grundsätzliche Pflicht zur Nachrüstung. Wie dieser sogenannte Bestandsschutz in der Praxis zu handhaben ist, wird immer wieder und auch kontrovers diskutiert. Es gilt der Grundsatz, dass bei wesentlichen Änderungen an einer Elektroanlage die komplette Anlage an die inzwischen geltenden Vorschriften angepasst werden muss. Dies bedeutet, dass in vielen Fällen die komplette Installation auf den aktuellen Stand gebracht werden muss, wenn in eine bestehende Elektroinstallation eingegriffen oder diese erweitert wird. Dann sind Leitungen dreiadrig auszuführen, Fehlerstromschutz muss nachgerüstet werden usw.
Insbesondere die Versorgung einer Wohnung oder eines Gebäudes mit einer ausreichenden Anzahl an Steckdosen ist bei Renovierungen oft der erste Wunsch der Bewohner. Dies dient nicht nur der Bequemlichkeit, sondern auch dem Brandschutz. Denn hintereinandergeschaltete Mehrfachsteckdosen und Verlängerungen sind nicht nur eine Stolperfalle, sondern es besteht bei Überlastung die Gefahr eines Kabelbrandes.
Orientierung zur Zahl der Steckdosen und TV- und Datenanschlüssen bei der Modernisierung bestehender Elektroinstallationen bietet die RAL-RG 678. Für Mieter hat der Bundesgerichtshof bereits vor mehr als 10 Jahren einen Mindeststandard postuliert (VIII ZR 281/03). Auch in nicht sanierten Altbauwohnungen muss es möglich sein, die „für die Haushaltsführung allgemein üblichen" Elektrogeräte zu verwenden. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein Mieter z.B. auf eine Waschmaschine verzichten muss oder nicht staubsaugen kann, während der Geschirrspüler läuft, weil ansonsten die Leitungen überlasten würden.
Beitrag ursprünglich aus März 2017, zuletzt aktualisiert im Januar 2024
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Kommentare
Kommentar von USc |
Hallo,
was bedeutet "alt" in der Aussage "Die alten Elektroleitungen sind zweiadrig ausgelegt, in sogenannter „klassischer Nullung“ ohne besonderen Schutzleiter."? Vor einiger Zeit habe ich in einem Haus, gebaut 1989, genau solche eine (einzelne) Unterputz-Steckdosenanschlussleitung in einer Küche gesehen.
Wie geht man damit um?
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