Ursachen einer Neutralleiterunterbrechung
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In einer elektrischen Anlage treten wiederholt gefährliche Spannungen auf, was auf eine Neutralleiterunterbrechung in einem zentralen Bereich der Anlage zurückzuführen ist. Fehler und Sicherheitsmängel an elektrischen Anlagen verursachen nicht nur Sachschäden durch Überspannung oder Brand, es besteht auch eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben.
In dieser Fachfrage, die uns erreichte, beschreibt der User sehr gefährliche Umstände.
Frage aus der Praxis
In einer umfangreichen elektrischen Anlage habe ich folgendes Phänomen festgestellt.
Über L1 Vorsicherung und L1 FI und dann über LSS-Automat sollte am betreffenden Strang, an dem meines Wissens nur 2 Doppelsteckdosen installiert sind, eine 3. Doppelsteckdose installiert werden. Beim Anschluss dieser an die vermeintlich stromlose Zuleitung habe ich festgestellt, dass diese wohl doch nicht spannungsfrei ist, und es wurde sogar der FI ausgelöst (hat ganz gut gezwickt).
Mit DUS-Pol konnte auch eine Spannung festgestellt werden, aber keine 230 V. Mit dem Multimeter habe ich dann eine Spannung von 81 V messen können. Auch nachdem ich die Vorsicherung L1 (Neozed) entfernt hatte und auf der Stromschiene auch keine Spannung mehr zu messen war, lagen am Ausgang der Sicherung immer noch 81 V an. Nachdem ich die Vorsicherung L2 entfernt hatte war die Leitung nicht spannungsfrei, allerdings waren es nur noch 1,2 V, sodass ich vermeintlich gefahrlos arbeiten konnte. Die Spannung fiel auch bei eingedrehten Vorsicherungen, als ich einen benachbarten LSS (L2) ausgeschaltet hatte, auf 1,2 V.
Nachdem ich die neue Leitung und Steckdosen verlegt hatte, und die Leitung anschließen wollte, habe ich abermals einen Stromschlag bekommen, obwohl ich vor der Montage auch drangefasst hatte und nichts war. Nun konnte ich an der Sicherung und der Leitung 50 V messen. Erst als ich alle 3 Vorsicherungen (L1-3) entfernt hatte, war der Strang spannungsfrei. Nach Rücksprache mit einem Kollegen, der wohl mehr Berufserfahrung hat, sagte dieser, so was könne vorkommen bei so umfangreichen Anlagen, und wäre auf induktive oder kapazitive Spannungen zurückzuführen, die möglicherweise von einer Neonlampe kommen könnte, die noch mit an dem Strang hinge, obwohl ich das eigentlich ausschließen würde.
Daher meine Frage:
Liegt mein Kollege da richtig, und man müsse mit so was leben und könne das nicht ändern, oder darf das gar nicht sein und ist auf einen Schaltungsfehler zurückzuführen?
Kurz noch zur Info: Es gibt noch zwei weitere Unterverteilungen mit Vorsicherung und FI. Die Leitung geht möglicherweise über einen zweiten Schaltkasten/Klemmleiste. An der betreffenden Unterverteilung hängen noch drei Klimaanlagen über Drehstromsicherungsautomaten. Die gemessenen Spannungen von 1,2 V, 50 V und 81 V sind je nach Konstellation konstant und bauen sich nicht nach und nach auf. Die meisten Leitungen liegen in einer Drahtpritsche oder sind in dicken Bündeln verlegt.
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Antwort des Experten
Bei dem geschilderten Problem handelt es sich vermutlich um eine Neutralleiterunterbrechung in einem zentralen Bereich der Anlage. Die Ursachen für eine Neutralleiterunterbrechung können sehr vielfältig sein.
Um dieses besser zu verstehen, muss die Theorie der Drehstromtechnik betrachtet werden. Dabei wird das Dreileitersystem ohne Sternpunktbelastung, sowie das Vierleiternetz des öffentlichen Energieverteilungssystems mit den Leiterbezeichnungen L1, L2, L3, N mit dem angeschlossenen Neutralleiter im Sternpunkt, betrachtet.
Im Vierleitersystem fließt bei symmetrischer Last (Außenleiterströme sind gleich groß) kein Rückstrom über den Neutralleiter. An jedem Strang liegt die gleiche Spannung an. Sind die Belastungen der einzelnen Stränge unterschiedlich hoch, bleibt die Spannung gleich (230 V/400 V), die Strangströme unterscheiden sich und es fließt ein Ausgleichsstrom über den Neutralleiter zurück. Etwaige Unsymmetrien im Versorgungsnetz werden im Vierleiternetz ausschließlich über den Strom im Neutralleiter ausgeglichen. Werden die Außenleiter symmetrisch belastet, fließt im Neutralleiter kein Rückstrom (siehe Drehstromverbraucher wie z.B. Motoren).
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Unterbrechung des Neutralleiters: Auswirkungen
Ist jedoch der Neutralleiter (Sternpunkt) unterbrochen, bilden die Widerstände der Verbraucher an den einzelnen Außenleitern einen Spannungsteiler, wodurch sich das Potenzial des nun Sternpunkts „verschoben“ wird. Diese ungleiche Lastaufteilung wird als „Schieflast“ bezeichnet.
So kann bei unterschiedlich hohen Strömen in den Außenleitern, die Spannung zwischen den am geringsten belasteten Außenleiter und dem Sternpunkt (Neutralleiter) nahezu auf die Spannung zwischen zwei Außenleitern steigen. Dieses kann zu erheblichen Überspannungsschäden an den elektrischen Betriebsmitteln führen.
Unterbricht man nun L1 durch Herausdrehen der Neozed-Vorsicherung, entsteht eine Reihenschaltung der Verbraucher von Strang L2 und L3, die direkt auf der Außenleiterspannung von 400 V angeschlossen sind (siehe Skizze unten).
Laut den Kirchhoffschen Regeln werden die Verbraucher vom gleichen Strom durchflossen bzw. an den Betriebsmitteln mit dem höchsten Widerstand und geringster Leistung, fällt die höchste Spannung ab. Im Umkehrschluss heißt das konkret, die kleinsten Verbraucher hängen an der höchsten Spannung (Überspannungsschäden!!), die größten Verbraucher mit kleinem Widerstand hängen an niedriger Spannung.
Je nach Anzahl der eingeschalteten Verbraucher an L2 und L3, wird die Spannung unterschiedlich aufgeteilt (Prinzip Spannungsteiler) die ganz klar zwischen Neutralleiter und Erdpotenzial gemessen werden kann (81 V/50 V/1,2 V). Deswegen löst bei Berührung, trotz ausgedrehter Sicherung, die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) aus. D.h. kleinere Verbraucher (z.B. Fernseher, Netzteile usw.) können durch die Überspannung bzw. Brand zerstört werden, wobei große Verbraucher nicht richtig funktionieren und ausfallen können (z.B. Heizkörper heizen nicht richtig).
Fazit zu den Ursachen einer Neutralleiterunterbrechung
Das von Ihnen geschilderte Problem ist ein sehr großer Fehler und Sicherheitsmangel in der Anlage und muss schnellstens behoben werden!
Hierbei kann es nicht nur zu Sachschäden durch Überspannung oder Brand kommen, es besteht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben!
Mögliche Ursachen:
- Der Neutralleiter kann durch Überlastung in einer der Verteilungen „abgeschmort“ sein.
- lockere Klemmverbindung im zentralen Bereich der Anlage
- Drahtbruch durch mögliche Erschütterung
Beitrag von September 2014, zuletzt aktualisiert am 30.04.2021
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Kommentare
Kommentar von Kim Osterkamp |
In meinem neuen Haus gab es elektrische Probleme. Dieser Artikel half mir, eine mögliche Ursache zu erkennen. Es ist beunruhigend, über solche Sicherheitsmängel nachzudenken. Ich bin für die klaren Informationen dankbar. Sicherheit sollte immer an erster Stelle stehen. Jeder Bauherr sollte informiert sein.
Kommentar von Kim Osterkamp |
Als Auszubildende im Bereich Elektrotechnik war ich kürzlich mit einem ähnlichen Problem konfrontiert. Dieser Artikel hat mir geholfen, die Ursachen und Auswirkungen einer Neutralleiterunterbrechung besser zu verstehen. Es ist beängstigend zu denken, dass solch ein Fehler so gefährliche Konsequenzen haben kann. Ich bin dankbar für die klaren Informationen und werde sicherstellen, dass ich in meiner zukünftigen Karriere solche Sicherheitsmängel ernst nehme und umgehend behebe. Jeder, der in diesem Bereich arbeitet, sollte diesen Artikel lesen. Sicherheit sollte immer an erster Stelle stehen!
Kommentar von Emanuel |
Guten Tag.
Passiert das alles nur bei einer symmetrischen Belastung oder auch bei einer unsymmetrischen Belastung ?.
Interessant zu wissen wäre, wenn wir im Wohnbau eine unsymmetrische Belastung haben und nur der PEN abraucht würden sich dann auch an den Steckdosen die Spannung addieren oder müsste dafür auch erstmal ein Außenleiter ausfallen ?
Kommentar von Heinrich Randelshofer |
Habe bei einem umbau im Zählerschrank eines Hauses mit Drehstromversorgung aus Versehen die Verbindung zwischen Verbindung vom Fi-Schalter zu Null-Leiterschiene unterbrochen und dadurch wie oben beschrieben einen größeren Schaden durch Überspannung verursacht. Meine Frage ist, gibt es Fi-Schalter die diesen Fehler erkennen, wäre theoretisch ja möglich weil bei ungleicher Belastung der Phasen (Schieflast) eigentlich Strom über den Neutralleiter zurückfließen müsste, was bei fehlender Verbindung nicht ist.
Kommentar von robin mueller |
Hallo
ich hab mal ne Frage. Bin eher Elektroniker als Elektriker und weis grad nicht weiter.
Hab in meiner Küche riesen Probleme, essen brennt an oder wird nicht gar. Teilweise brauch ich 50% länger als am beim letzten mal als ich das gleiche gekocht habe.
Habe nun mal die Spannung nachgemessen. Im Abstellraum (wohl anderer Stromkreis und nbischen näher am Verteiler) habe ich 236V. In der Küche 230-236V. Schalte ich nun mal verschieden Verbraucher (Friteuse,Wasserkocher,Herdplatten,Backofen) an sinkt die Spannung auf 214V.
Frage,
1. Ist das noch im normalen Umfang?
2. Hieße 10% weniger Spannung auch 10% weniger Leistung oder kommen in der Praxis noch irgendwelche Faktoren dazu?
3. Kann das ein Problem mit dem Neutralleiter sein, Unterbrechnung oder so? Wenn, kann ich das überprüfen in dem ich gegen Erde messe, = 0 = alles ok ?
Oder ist das so ok und ich bin nur zu dumm zum kochen??
Grüße aus Hagen
Kommentar von Gunter Hartmann |
In meinem Ferienhaus und auch den Nachbarhäusern kam es vor kurzem über mehr als 12h zu einer Überspannung von ca 400V. Wahrscheinlich war der Neutralleiter in der Zuleitung unterbrochen.
Zahlreiche Geräte sind verschmorte, es entstand sogar ein kleiner Brand.
Gibt es dagegen einen wirksamen Schutz? Es ist ja nicht immer jhemand da, der sofort löschen kann.
Kommentar von Chris |
Ich glaube nicht, dass du einen "Halbleiter" meinst und dass der bei dir entstehen könnte.
Passen würde die Neutralleiterunterbrechung, bei angeschlossener Lampe hast du einen wie im Artikel beschriebenen Spannungsteiler. Problem wäre, sollte der andere Verbraucher allein dran hängen, blieben für ihn zwischen zwei Außenleitern 300 Volt übrig.
Diese Unterbrechung müsste aber vor der Neutralleiterschiene liegen.
Kommentar von Rupprecht |
@Rehbein
@S
Leider findet man kaum belastbare Informationen über "das Herzkammerflimmern, das erst Stunden nachher auftreten kann". Ich wäre für die entsprechenden Links dankbar. Es gibt soweit ich es nachvollziehen konnte auch keine Untersuchungen darüber.
Natürlich ist klar, dass bei stärkerer Durchströmung oder bei Risikofaktoren wie allgemeine Herzprobleme man auf Nummer Sicher gehen sollte.
Jedoch ist nicht nachvollziehbar, dass ein leichter Schlag (einpolig) noch nach mehreren Stunden zu Herzkammerflimmern führen könnte - weshalb auch?
Für fachkundige Links bin ich dankbar.
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