„Wer haftet bei einer Wiederholungsprüfung im Schadensfall?“

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Wer haftet bei einer Wiederholungsprüfung im Schadensfall?
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Frage aus der Praxis

Ich muss momentan in einem Industriebetrieb eine Wiederholungsprüfung durchführen. Allerdings hatte ich seit der Berufsschule kaum etwas mit VDE-Messungen zu tun. Ich habe zwar nebenbei noch ein Fernstudium zum staatlich geprüften Techniker für Elektrotechnik gemacht, aber darin wurde die Wiederholungsprüfung nur nebenbei erwähnt. Also habe ich mich am Anfang auf das verlassen, was mir mein Chef oder unser Vorarbeiter gesagt haben.

Inzwischen habe ich aber mehrere Informationen im Internet darüber gefunden, dass ich bei der Prüfung einiges nicht vorschriftsmäßig oder unvollständig gemacht habe, noch dazu hätte ich die Prüfung gar nicht durchführen dürfen, weil ich keine befähigte Person dafür bin. Nach meinem jetzigen Kenntnisstand benötige ich dazu eine Schulung über die Wiederholungsprüfung, Messpraxis und ausreichende Normenkenntnisse. Meiner Meinung nach erfülle ich keine der drei Forderungen.

Meine Frage daher: Wie sieht es mit der Haftung in einem Schadensfall aus? Soweit ich weiß, ist das von der Firma eine vorsätzliche Handlung. Aber wie genau sieht es da mit mir aus? Zählt es von meiner Seite aus auch als fahrlässig, spätestens wenn ich die Protokolle unterschreibe?

Antwort des Experten

Es gibt zwei unterschiedliche Formen der Haftung: die meist bekanntere und gefürchtete strafrechtliche Haftung und die zivilrechtliche Haftung. Beide Haftungen verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen und basieren auf unterschiedlichen Ansätzen.

Die strafrechtliche Haftung sorgt für eine Bestrafung für Vergehen oder Verbrechen, die zivilrechtliche für Schadensersatz als Wiedergutmachung. Im Zivilrecht lässt sich noch zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung unterscheiden. Für vertragliche Haftung ist ein zwischen den Parteien bestehender Vertrag erforderlich. Werden Pflichten aus dem Vertrag schuldhaft verletzt, so tritt die Haftung ein. Im Deliktsrecht besteht zwischen Schädiger und Geschädigtem gerade keine Sonderbeziehung. Das Deliktsrecht schlägt mit § 823 Abs. 2 BGB auch eine Brücke zum Strafrecht.

Sieht man von der Gefährdungshaftung ab, so wird nur für eigenes Verschulden gehaftet. Verschulden – im Zivilrecht auch als Vertretenmüssen bezeichnet – ist der Oberbegriff für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Ebenfalls juristische Nuancen ausgeklammert, decken sich straf- und zivilrechtlicher Vorsatzbegriff, während die Fahrlässigkeitsdefinitionen stark voneinander abweichen.

Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

Als Vorsatz bezeichnet man ein im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auf den (Tat-)Erfolg gerichtetes Wissen und Wollen. Zivilrechtliche Fahrlässigkeit ist in § 276 Abs. 2 BGB definiert als Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Dies ist ein objektiver Ansatz. Strafrechtliche Fahrlässigkeit betrachtet jedoch die individuellen Möglichkeiten des Täters, die Unrechtmäßigkeit seines Handelns bei gehöriger Anspannung seiner geistigen und seelischen Kräfte erkennen zu können und verfolgt somit einen subjektiven Ansatz. Hier ist vieles umstritten und soll daher nicht dargestellt werden, um den Rahmen nicht zu sprengen.

Strafrechtlich wird nur für Vorsatz gehaftet, wenn nicht (ausnahmsweise) auch Fahrlässigkeit mit Strafe bedroht ist. Dies muss ausdrücklich im Strafgesetz stehen. Zivilrechtlich spielen die Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie die möglichen Abstufungen derselben selten eine Rolle. Entweder ist vom Vertretenmüssen die Rede (z.B. § 280 BGB) oder Vorsatz und Fahrlässigkeit sind gleichwertig genannt (z.B. § 823 BGB).

Prüfverpflichtung für elektrische Anlagen, Maschinen und Arbeitsmittel

Die Prüfpflicht liegt beim Unternehmer
Die Prüfpflicht liegt beim Unternehmer (Bildquelle: Hramovnick/iStock/Thinkstock)

Die Prüfverpflichtung trifft aufgrund der Betriebssicherheitsverordnung sowie der DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ den Unternehmer, der die elektrischen Anlagen, Maschinen und Arbeitsmittel seinen Beschäftigten für die Arbeit zur Verfügung stellt. Der Unternehmer (Arbeitgeber) muss dafür sorgen, dass diese entsprechend seiner Gefährdungsbeurteilung durch eine befähigte Person (bP) nach § 2 Abs. 6 der Betriebssicherheitsverordnung in Verbindung mit der Technischen Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1203 „Befähigte Personen“ (für die Elektrotechnik insbesondere hier Kapitel 3.3) geprüft werden.

Verfügt der Unternehmer über keine geeigneten befähigten Personen, kann er sich Prüfdienstleistern bedienen. Der Begriff „Prüfdienstleister“ soll im Folgenden den Unternehmer (Arbeitgeber) bezeichnen, der den Prüfauftrag ausführen soll. Dies kann ein Einzelunternehmer, eine Personengesellschaft oder eine juristische Person, wie z.B. eine GmbH, sein. Zwischen dem Unternehmer und dem Prüfdienstleister wird dann ein zivilrechtlicher Prüfvertrag abgeschlossen, der entweder als Dienst- oder Werkvertrag zu qualifizieren sein könnte. Welcher Vertragstyp zur Anwendung kommt, ist nach den Umständen zu ermitteln und soll hier dahinstehen. Jedenfalls knüpfen insbesondere unterschiedliche Mängelrechte an die jeweiligen Vertragstypen.

Der Prüfdienstleister kann sich Mitarbeitern bedienen, die er als befähigte Personen einsetzt. Zwischen dem Prüfdienstleister und den Mitarbeitern bestehen Arbeitsverträge (Dienstverträge nach §§ 611 ff. BGB). Diese Mitarbeiter führen beim auftraggebenden Unternehmer die Prüfungen tatsächlich aus. Für Schlechtleistungen bei der Vertragserfüllung der von ihm eingesetzten befähigten Personen haftet der Prüfdienstleister vertragsrechtlich auf Schadensersatz.

Richtet der eingesetzte Mitarbeiter einen weiteren Schaden an, so haftet deliktsrechtlich einerseits der Mitarbeiter dafür selbst nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB sowie zusätzlich der Prüfdienstleister nach § 831 BGB, wenn es ihm nicht gelingt, den dort genannten Entlastungsbeweis zu führen. Vertrags- und deliktsrechtliche Haftung schließen sich gegenseitig nicht aus und können immer nebeneinander bestehen. Tatsächlich werden immer beide Ansprüche geprüft.

Nur die strafrechtliche Haftung trifft immer nur natürliche Personen, und zwar diejenige Person, die gehandelt hat oder eine solche Handlung unterlässt, obwohl sie erforderlich und sie zur Ausführung verpflichtet gewesen wäre. Letzteres nennt man Garantenstellung. Wann diese vorliegt und ob der Arbeitgeber sich in Bezug auf die Handlungen seiner Arbeitnehmer in einer solchen befindet, ist umstritten und letztlich wieder eine Frage des Einzelfalls. Hier fehlt der Raum, um ausführlich darauf einzugehen.

Befähigte Person für Prüfungen

Nur befähigte Personen nach TRBS 1203 dürfen Prüfungen durchführen
Nur befähigte Personen nach TRBS 1203 dürfen Prüfungen durchführen (Bildquelle: Minerva Studio/iStock/Thinkstock)

Grundsätzlich hat derjenige, der einen Mitarbeiter als befähigte Person einsetzen möchte, das Vorliegen der Voraussetzungen nach TRBS 1203 sicherzustellen. Diese sind bei Vorhandensein einer elektrotechnischen Berufsausbildung, einer mindestens einjährigen Berufserfahrung mit der Errichtung, dem Zusammenbau oder der Instandhaltung elektrischer Anlagen oder Arbeitsmittel und einer zeitnahen beruflichen Tätigkeit u.a. bei der Durchführung von Prüfungen gegeben. Wird von diesen Vorgaben abgewichen, muss die Gleichwertigkeit der gewählten Lösung im Ernstfall nachgewiesen werden.

Ein Prüfdienstleister, der Arbeitnehmer zu Prüfungen einsetzt, ohne dass diese befähigte Personen sind oder ohne das von diesen ermittelte Prüfergebnis von befähigten Personen abschließend bewerten zu lassen, macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er dem Auftraggeber die Prüfung durch befähigte Personen zugesagt hat.

Welche Leistung schuldet der Arbeitnehmer?

Der Arbeitnehmer schuldet die Leistung, zu der er sich im Arbeitsvertrag verpflichtet hat. Sofern diese dort nur rahmenmäßig umschrieben wurde, ist die Grundlage für die Leistung das Berufsbild (z.B. Elektriker). Dann wären grundsätzlich alle in diesem Berufsbild zu erbringenden Leistungen geschuldet. Natürlich ist es aufgrund der Breite des Berufsfelds nicht möglich, sämtliche Tätigkeiten mit einer hinreichenden Korrektheit zu beherrschen. Daher kommt es darauf an, was der Arbeitgeber berechtigt erwarten konnte. In diesem Rahmen steht ihm ein Weisungsrecht hinsichtlich Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung zu. Mit Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert der Arbeitgeber die Leistungspflicht im Einzelfall. In dem nach billigem Ermessen auszuübenden Weisungsrecht muss er die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Arbeitnehmers berücksichtigen. Geht er dabei darüber hinaus, so muss der Arbeitnehmer intervenieren. Eine Leistung, die seine Fähigkeiten übersteigt, schuldet der Arbeitnehmer nämlich nicht.

Das Übernahmeverschulden

Unterbleibt eine Intervention des Arbeitnehmers, so kann ein Übernahmeverschulden vorliegen. Hier übersteigen die tatsächlichen Fähigkeiten des Arbeitnehmers die erforderlichen. Die Gründe für ein Verschweigen können vielfältig sein. So kann der Arbeitnehmer bei seiner Einstellung dem Arbeitgeber durchaus ein anderes Bild von sich selbst gezeichnet haben, das er jetzt nicht verspielen will. Dies wäre letztlich auch ein Anfechtungsgrund, der den Arbeitsvertrag vernichten kann. Auch gruppendynamische Einflüsse können eine Rolle spielen. Es bleibt der Vorstellungskraft des Lesers überlassen, welche weiteren Gründe hier vorliegen könnten.

Führt jedenfalls der Arbeitnehmer die Aufgabe, der er nicht gewachsen ist, trotzdem in dem Hoffen aus, es werde schon alles gut gehen oder das Fehlen der Fähigkeiten würde unentdeckt bleiben, so liegt ein Übernahmeverschulden vor, welches einen Spezialfall der Fahrlässigkeit darstellt. Klassisches Schulbeispiel ist der Landarzt, welcher seine schwer kranken Patienten nicht an einen Spezialisten überweist, sondern mit seinen Methoden weiter zu kurieren versucht. Der Arbeitnehmer muss seine Fähigkeiten kennen und darf sich nicht auf Experimente einlassen. Tut er es doch, so wird er im Ernstfall mit strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert oder er macht sich schadensersatzpflichtig.

  • Autor:

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.

    EABCon-Ingenieurbüro Klar - Consulting Elektrotechnik - Arbeitsschutz - Betriebsorganisation

    Markus Klar

    Markus Klar ist langjähriger, ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Gera, seit 2011 am Landesarbeitsgericht Thüringen und als Autor und freiberuflicher Ingenieur mit dem Schwerpunkt rechtssichere Betriebsorganisation, Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beratend tätig.

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Kommentare

Kommentar von Jasmin Sprenger von elektrofachkraft.de |

Wir möchten zu den Anmerkungen unseren Fachautor Herrn Klar zitieren, um die Sachlage noch etwas zu verdeutlichen:

"Übernahmeverschulden ... hat man keine Ahnung von der zu übernehmenden Tätigkeit und übernimmt sie trotzdem, dann haftet man wie ein Profi. Aber auch hier ist der Arbeitgeber im Boot: Er darf nur qualifizierten Personen die Aufgabe übertragen. Bei Fehlern liegt ein Auswahlverschulden vor, aus dem sich wieder Haftung anleiten lässt. Widerspricht der Ausgewählte nicht und lässt sich auf die Aufgabe ein, obwohl er sie nicht beherrscht oder lässt er den Arbeitgeber gar im Glauben, er könne das Begehrte, dann rückt er immer mehr in eine Haftung ein. Die Haftung gegenüber dem Geschädigten ergibt sich – wie erwähnt – aus dem Deliktsrecht (§§823, 831 BGB), wobei sich bei geschädigten Arbeitnehmern besagtes Haftungsprivileg aus dem SGB VII dazwischen schieben kann (Personenschaden). Bei Sachschäden gibt es das nicht. Nun kann auch ein Dritter geschädigt werden, dann kommt es darauf an, wer welche Pflicht verletzt hat. Insgesamt ist das aber nicht trivial und bedürfte einer umfangreichen Erörterung.
Obgleich die EFKffT die Installationen prüfen kann, die sie im Rahmen der festgelegten Tätigkeiten errichtet hat, sehe ich sie als allgemeiner Prüfer/zur Prüfung befähigte Person jedweder elektrischer Arbeitsmittel zunächst nicht geeignet. Wir dürfen nicht vergessen, die EFKffT führt festgelegte Tätigkeiten aus, die in einer Arbeitsanweisung beschrieben wurde. Wer also eine EFKffT als allgemeine zPbP einsetzt, hat einen Fuß im Auswahlverschulden. Dass dann der Arbeitnehmer ein Übernahmeverschulden auf sich nimmt, statt seinem Arbeitgeber zu sagen, dass er die begehrte Aufgabe nicht kann, ist schon bedenklich."

Kommentar von Schulze, Rainer |

Leider kann ich die zwei Kommentare bisher nicht nachvollziehen. Die Sachlage ist doch klar und gut Dargestellt. Ist ein Fachmann für eine Aufgabe nicht richtig und zeitnah geschult, so kann er unter Umständen haftbar gemacht werden. Ohne klaren Auftrag des Unternehmers und richtige vorhandene Ausführungsberechtigung des Arbeitnehmers, machen sich beide Schuldig.
Elektromeister

Kommentar von Christian Michel |

....ich hätte mir hier auch eine konkretere/eindeutige Aussage gewünscht. Es kommt immer wieder vor das der Vorgesetzte sagt, du warst auf dem Lehrgang (z. B. Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten) also musst du das können....führe die Tätigkeiten aus. Da hat man Es dann teilweise schon scher dagegenzuhalten....

Kommentar von Sebastian Holzner |

Sehr geehrter Herr Klar, was sollen wir nun mit Ihrer Antwort anfangen? Schon sehr ausführlich. Aber auf die Frage gehen Sie nicht konkrekt ein. Die Lösung kann man sich nun aus Ihrem Beitrag zusammen puzzeln.

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