Unfallbericht: Beschädigtes Kabel führt zu tödlichem Stromunfall
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Dass elektrischer Strom gefährlich ist, weiß eigentlich jeder. Dennoch sind wir so an den alltäglichen Umgang mit Elektrizität gewöhnt, dass wir die Gefahr kaum noch ernst nehmen. Doch schon bei einem vermeintlich kleinen Mangel wird der elektrische Strom schnell zur Lebensgefahr, wie Stromunfälle leider immer wieder zeigen.
Körperdurchströmung wegen beschädigtem Kabel
Während seiner Nachtschicht an einer Spritzgießmaschine ist ein Mitarbeiter damit beschäftigt, Formteile herzustellen. Während er die Maschine steuert und den Vorgang überwacht, befindet sich der Mann auf einer höhenverstellbaren Arbeitsbühne; eine alltägliche Situation in vielen Betrieben. Die Spritzgießmaschine ist über eine Mehrfachsteckdose an das Stromnetz angeschlossen.
Beim Absenken der Hebebühne wird das Kabel eingeklemmt; das dadurch beschädigte Kabel setzt die Arbeitsbühne aus Aluminium unter Spannung. Als der Mitarbeiter beim Absenken der Hebebühne gleichzeitig die Bühne und die Maschine berührt, schließt sich der Stromkreis. Der Angestellte erleidet eine Körperdurchströmung und bricht zusammen.
Besonders tragisch ist, was sich anschließend ereignet. Kurz nach dem ersten Stromunfall kommt der ältere Vorarbeiter vorbei und will im ersten Impuls seinen verunfallten Kollegen retten. Als er den Kollegen berührt, erleidet auch er eine Körperdurchströmung, da der Körper des ersten Unfallopfers aufgrund des beschädigten Kabels noch unter Spannung steht. Beide verunfallten Beschäftigte können nur noch tot geborgen werden.
Analyse des Stromunfalls aufgrund eines beschädigten Kabels
Schnelle Schuldzuweisungen aus der Ferne sind in einem solchen Fall nicht angebracht. „Die Unfalluntersuchung zeigte eine Verkettung unglücklicher Umstände", wird der Leiter des Fachgebiets Elektrotechnik bei der BG ETEM zitiert und bleibt damit in der Aussage verständlicherweise vage.
Die Untersuchung eines solchen Unfallhergangs wie oben geschildert, darf sich jedoch nicht mit „Umständen“ und „Verkettungen“ zufriedengeben. Hier müssen sämtliche Aspekte sorgsam analysiert werden. Dazu gehört das Prüfen auf technische und organisatorische Mängel genauso wie das Klären von Fehlverhalten und Verantwortlichkeiten.
Ein Fehler war sicherlich das lose im Bereich der Füße der Arbeitsbühne herumliegende Stromkabel. Eine fest installierte Zuleitung hätte nicht in der Arbeitsbühne eingeklemmt und beschädigt werden können.
Ein weiterer Aspekt ist, dass eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) den Unfall verhindert hätte. Seit 2007 muss jedem Steckdosenstromkreis ein Fehlerstrom-Schutzschalter (FI-Schalter) mit sensibler Auslöseschwelle vorgeschaltet sein. Offenbar war das bei dem Gebäude bzw. der Elektroinstallation hier nicht der Fall. Eine Pflicht zur Nachrüstung mit FI-Schaltern besteht zwar nicht, ein funktionierendes Fehlerstrom-Schutzsystem hätte diese beiden Todesfälle aber verhindert.
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Prüfnachweis: RCDs
So vermeiden Sie Unfälle durch beschädigte Kabel
Damit solche lebensgefährlichen Stoffe gar nicht erst auftreten, müssen Sie darauf achten, dass alle Kabel und Zuleitungen stets in einwandfreiem Zustand sind. Besteht die Gefahr, dass eine Zuleitung beschädigt werden kann, darf das betroffene Gerät nur über einen Stromkreis mit Fehlerstrom-Schutzeinrichtung angeschlossen werden. Das gilt auch für alle Elektroarbeiten in Umgebungen, die feucht sind oder in denen es nass werden kann.
Beugen Sie Elektrounfällen durch beschädigte Kabel vor
- Gewöhnen Sie sich an, vor dem Einschalten eines Elektrogeräts auf beschädigte Kabel zu achten. Ist ein Kabel gequetscht, gibt es Risse oder Schnitte an einer Leitung oder brüchige Isolierungen? Tückisch sind auch Stellen, an denen ein Kabel abgerieben oder gar dünner erscheint, weil es beispielsweise häufig über raue Böden und Kanten gezogen wurde.
- Melden Sie jede Beschädigung oder „komische Stelle“ an einem Kabel sofort Ihrem Vorgesetzten.
- Verwenden Sie das Elektrowerkzeug oder die Kabeltrommel auf keinen Fall weiter, sobald Sie ein beschädigtes Kabel bemerken, sondern sortieren Sie das Werkzeug bzw. das Kabel aus und entsorgen Sie es.
- Vermeiden Sie Knickstellen an Kabeln und Zuleitungen. Befindet sich eine Steckdose beispielsweise hinter einer Tür, müssen Sie diese Tür gegen Zuschlagen sichern.
Außerdem ist es wichtig, dass vor Beginn der Tätigkeit die verpflichtend vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung für die Maschine bzw. den Arbeitsplatz und die Tätigkeit vorliegt. In der Gefährdungsbeurteilung zu unserem Unfallbeispiel muss berücksichtigt werden, dass die Stromversorgung der Maschine über eine frei über den Boden verlegte Zuleitung erfolgte.
Weiterhin müssen alle Beschäftigten die Grundregeln zur Ersten Hilfe nach Elektrounfällen kennen und zur Notwendigkeit des Eigenschutzes unterwiesen sein. Es empfiehlt sich, diese wichtige Unterweisung regelmäßig, beispielsweise im Zuge der jährlichen Sicherheitsunterweisung, zu wiederholen.
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Kommentare
Kommentar von Thomas Koch |
Sehr geehrte Kollegen, ich war in der Vergangenheit in besagtem Unternehmen tätig wo der beschriebene Unfall so geschehen ist. Ursächlich war eine Verlängerungsleitung für temporäre Arbeiten die dort ursprünglich nicht gelegen hatte. Die Elektrotechnischen Anlagen waren alle korrekt geprüft. Eine Hebebühne wie diese funktioniert übrigens hydraulisch und hat somit keine elektrischen Bauteile bzw. Erdungsanschlüsse, außer den extern sitzenden Hydraulikantrieb. Die Bühne wurde Bestimmungsgemäß eingesetzt, jede Veränderung hätte man vorher abwägen müssen bzw. keiner verändert etwas an neu gekauften Maschinen die mit entsprechender CE Erklärung ausgeliefert werden. Sind "Sie" sicher das in Ihrem Unternehmen alle, wirklich "alle" berührbaren Metallteile niederohmig mit dem Schutz-/Potenzialausgleichsleiter verbunden sind und haben Sie dies dokumentiert?
Mit kollegialem Gruß
T.Koch
Kommentar von W. Zölch (IB Zölch) |
Klassisch nach dem Schweizer Käse- Modell - die Lücken der einzelnen Sicherheitsbarrieren haben sich überlagert:
Das heißt, sowohl technisch als auch organisatorisch sind Defizite entstanden, die nicht erkannt wurden.
Umso wichtiger finde ich es daher, Gefährdungsbeurteilungen (GBU) interdisziplinär durchzuführen sowie eine spezielle GBU für die elektrische Anlage (ortsfest) zu erstellen.
Kommentar von Jo Walther |
War durch die Quetschung evtl.der Schutzleiter unterbrochen?Ich finde die Spannungsversorgung der Maschine ungewöhnlich.Die verantwortliche EFK sollte diese sehr kritisch hinterfragen.
Kommentar von J. Baehr |
Normalerweise sollte die Arbeitsbühne geerdet und damit ein Unter-Spannung-Stehen unmöglich sein.
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