Statistik der Stromunfälle in Deutschland: Das lernen wir daraus
- (Kommentare: 1)
- Sicher arbeiten

Die Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) zeigt auf ihrer Website die Statistiken der Stromfälle in Deutschland. Die Daten stammen vom 10. Februar 2021 aus dem Unfallregister der BG ETEM. Im Folgenden wollen wir einige der Statistiken näher betrachten.
Wie viele Menschen sterben in Deutschland an Strom?

Zuerst eine erfreuliche Nachricht: Die Zahl der Stromunfalltoten ist in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Waren im Jahr 1970 noch 256 Stromfalltote zu beklagen, so waren es im Jahr 2020 nur noch 35. Obwohl heute viel mehr elektrische Energie genutzt wird, gibt es insgesamt weniger Tote durch Stromunfälle. Auf der anderen Seite sind es aber immer noch 35 zu viel.
So wie die Nutzung elektrischer Energie in allen Bereichen zugenommen hat, ist auch die Sicherheit gestiegen. Was sieht man hieran? Auf jeden Fall, dass die Sicherheitsbestimmungen im Bereich Elektrosicherheit wichtig sind, vor allem aber ihre Umsetzung in der Praxis: da sind sie lebenswichtig.
Tipp der Redaktion

Das Nachschlagewerk für die Elektrofachkraft
Organisation, Durchführung und Dokumentation elektrotechnischer Prüfungen – „Elektrosicherheit in der Praxis“ unterstützt Sie bei der Umsetzung der Elektrosicherheit in Ihrem Unternehmen.
In welchem Spannungsbereich treten die meisten Stromunfälle auf?

Hier ist es einigermaßen verblüffend, dass im weniger gefährlichen Bereich, bei der Niederspannung, mit fast 88 % die meisten Unfälle passieren. Im Bereich der Hochspannung ist es 1 %.
Das mag zum einen daran liegen, dass im Bereich der Niederspannung viel mehr gearbeitet wird. Aber könnte es auch daran liegen, dass im Bereich der Hochspannung vorsichtiger bzw. umsichtiger gearbeitet wird? D.h., wenn es gefährlicher ist, passt man mehr auf? Diese Frage mag jeder für sich selbst beantworten und die notwendigen Schlüsse für die eigene Sicherheit ziehen.
Stromunfälle in Deutschland nach Art der elektrotechnischen Qualifikation

Geht es um die Qualifikation der Beteiligten an Stromunfällen, sind fast die Hälfte davon Elektrofachkräfte. Zu 34,2 % sind elektrotechnisch unterwiesene Personen beteiligt und nur zu 19 % sind es Laien.
Auch hier kann man bei der Interpretation der Zahlen auf zwei Seiten ansetzen. Auf der einen Seite könnte man sagen, dass Elektrofachkräfte mehr an gefährlichen elektrischen Arbeiten beteiligt sind als die anderen beiden Gruppen.
Auf der anderen Seite drängt sich die Frage auf: Sind Elektrofachkräfte vielleicht gefährdeter, weil sie davon ausgehen, dass sie es „schon richtig machen“? Dass sie Bescheid wissen über die Gefahren und richtig handeln? Das ist wieder eine Frage, mit deren Hilfe man sein eigenes Verhalten im Umgang mit elektrischer Energie einmal kritisch hinterfragen sollte.
Schließlich noch diese Betrachtung: Je mehr Berufserfahrung eine Elektrofachkraft hat, umso weniger Unfälle passieren ihr. Elektrofachkräfte mit einer Berufserfahrung unter fünf Jahren sind mit 37,6 % an Stromunfällen in ihrer Gruppe beteiligt. Dieser Anteil schrumpft auf 18,7 % bei einer über 20-jährigen Berufserfahrung. Das heißt: Je weniger Berufserfahrung jemand hat, umso vorsichtiger sollte er im Umgang mit elektrischem Strom sein.
Tipp der Redaktion

Mustergültiger Schutz mit „Arbeitshilfen für die betriebliche Elektrosicherheit“
- über 1.000 sofort einsetzbare Arbeitshilfen in Word
- Arbeitsanweisungen nach VDE 0105-100
- Betriebsanweisungen zu Gefahrstoffen, Arbeitsmitteln, Maschinen, PSA
- Gefährdungsbeurteilungen
Stromunfälle in Deutschland nach Betriebsart

Aus dieser Statistik über die Zahl der Stromunfälle nach Betriebsart kann man etwas wichtiges lernen: Besonders vorsichtig sollte man bei der Kleininstallation sein, denn hier passieren mit 46,1 % die meisten Unfälle. Der Bereich der Herstellung von elektrischen Geräten und Maschinen hat mit 27,1 % auch einen ziemlich hohen Anteil an den Unfallzahlen. Je komplizierter es technisch wird, umso mehr gehen die Unfallzahlen zurück – so sind es bei der Großinstallation bzw. Industriemontage nur noch 8,7 %.
Das hängt sicher damit zusammen, dass mit dem höheren technischen Stand auch die Zahl der durchgeführten Arbeiten zurückgeht. Trotzdem bleibt als Lerneffekt, dass die Gefahren bei der Kleininstallation wohl unterschätzt werden.
Stromunfälle nach Betriebsmitteln

Ein ähnliches Bild präsentiert sich bei den Stromunfällen mit Betriebsmitteln. Je einfacher der Bereich, umso mehr Unfälle, je komplizierter der Bereich, umso weniger Unfälle. So machen allgemeine Verbraucher und Verteiler insgesamt 63 % aus, während es in der Erzeugung und Umformung nur 8 % sind. Aufschlussreich ist aber auch, dass bei den Betriebsmitteln im Bereich der Verteilung mehr als doppelt so viele Unfälle passieren wie bei den Betriebsmitteln im Bereich der allgemeinen Verbraucher.
Auch hier gilt die Feststellung: Vorsicht gerade bei den scheinbar einfachen und alltäglichen elektrischen Arbeiten! Hier passieren die meisten Unfälle.
Stromunfälle durch Verstöße gegen die 5 Sicherheitsregeln

Betrachten wir zuletzt die Verstöße gegen die fünf Sicherheitsregeln. Am meisten Unfälle, nämlich fast 45 %, passieren beim Verstoß gegen die 3. Sicherheitsregel „Spannungsfreiheit feststellen“. Danach folgt gleich der Verstoß gegen die 1. Sicherheitsregel „Freischalten“ mit einer Unfallhäufigkeit von knapp 37 %. Die Verstöße gegen die anderen Sicherheitsregeln haben bei weitem nicht das Ausmaß wie die Verstöße gegen die 1. und die 3. Sicherheitsregel.
Die Konsequenz aus dieser Statistik muss lauten: Beim Arbeiten mit elektrischem Strom sollte man sich immer wieder die fünf Sicherheitsregeln bewusst machen, besonders aber das Freischalten und das Feststellen der Spannungsfreiheit.
Fazit
Die Zahl der tödlichen Stromunfälle ist insgesamt zurückgegangen, im Jahr 2020 ist die Zahl der Stromunfälle im Vergleich zum Vorjahr allerdings leicht gestiegen. Mehr als die Hälfte dieser Unfälle ist darauf zurückzuführen, dass die fundamentalen Sicherheitsregeln nicht eingehalten wurden – genauer gesagt, sind 82,7 % der Stromunfälle verursacht durch Verstöße gegen Sicherheitsregeln Nr. 1 und Nr. 3.
Alle, die mit elektrischem Strom arbeiten, können aus diesen Statistiken lernen. Vorsichtig sollte man gerade bei den vermeintlich einfachen Routinearbeiten sein, denn hier passieren die meisten Unfälle. Elektrofachkräfte mit einer Berufserfahrung unter fünf Jahren sind besonders gefordert, denn sie gehören zur Gruppe mit der höchsten Unfallgefahr. Und zu guter Letzt: Die Einhaltung der 5 Sicherheitsregeln kann Leben retten.
Weitere Beiträge zum Thema
Stromunfälle: Die Ursachen sind oft in den Betrieben zu finden!
Elektrofachkräfte berichten von Mängeln in eigenen Unternehmen
Auch erfahrene Elektrofachkräfte machen Fehler
Fast 90 % der Elektrounfälle im Bereich der Niederspannung
Stromunfälle: Ursachen und Maßnahmen
Elektrounfall: So führen Sie eine Unfallanalyse durch
Unfallbericht: 3. Sicherheitsregel missachtet
Unfallbeispiel: Kurzschluss beim Wechseln eines Zählers im Kindergarten
Kommentare
Kommentar von OLaf Schley |
Bei der statisitschen Betrachtung werden die Unfallzahlen miteinander verglichen. Im Ergebnis stimmt das zwar, jedoch wird ein entscheidender Punkt dabei nicht betrachtet. Der Bezug! Wenn nur zweimal im Jahr eine komplizierte Anlage in Deutschland errichtet wird und es bei einer Anlage zu einem Unfall kommt, wird dieser Unfall nicht als häufiger Unfall in die Statistik mit aufgenommen, wenn im gleichen Zeitraum 5000 Unfälle an wenig komplizierten Tätigkeiten zu verzeichnen waren, hier aber z.B. die Tätigkeit über 10.000.000fach ausgeübt wurde. Im ersten Fall haben wir eine Unfallrate im Bezug zur Tätigkeit von 50%, im zweiten Fall haben wir eine Rate von 0,05%. Also kommt es bei der statisitischen Betrachtung auch auf die Häufigkeit der Handlungen an, um die Ergebnisse zu bewerten.
Gar keine Frage, jeder Unfall ist einer zu viel.
Einen Kommentar schreiben