Elektrofahrzeuge im gewerblichen Umfeld

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E-Transporter: Fahrzeug oder Arbeitsmittel?
E-Transporter: Fahrzeug oder Arbeitsmittel? © Scharfsinn86/iStock/Getty Images Plus

Vom elektrischen Hubwagen über E-Transporter bis hin zu elektrischen Flurförderzeugen − Elektrofahrzeuge sind aus dem gewerblichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch wie sind diese Fahrzeuge rechtlich einzuordnen? Gelten sie als elektrische Arbeits- und Betriebsmittel oder als Fahrzeuge? Und welche Sicherheits- und Prüfpflichten ergeben sich daraus für Unternehmen?

Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei den Elektrofahrzeugen, die gewerblich oder überhaupt während der Arbeit von Beschäftigten eingesetzt und benutzt (verwendet) werden, um Arbeitsmittel i.S.d. § 2 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) handelt. Der Arbeitgeber oder seine nach § 13 ArbSchG verantwortliche Person hat somit den sicheren Zustand der Fahrzeuge zu gewährleisten, die er den Beschäftigten zur Verwendung zur Verfügung stellt. Unter anderem ist dazu die regelmäßige Prüfung entsprechend § 14 Abs. 2 BetrSichV sowie nach Instandsetzungen an sicherheitsrelevanten Teilen auch nach § 14 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 9 BetrSichV erforderlich.

DGUV Vorschrift 3

Die DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ der jeweiligen Unfallversicherungsträger, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ist dann einschlägig, wenn für das in Rede stehende Arbeitsmittel (die DGUV-Vorschriften sprechen von Betriebsmitteln) der Geltungsbereich gemäß den einleitenden Begriffsbestimmungen eröffnet ist.

Anmerkung: Im Bereich öffentlicher und kommunaler Einrichtungen gilt die inhaltsgleiche DGUV Vorschrift 4; wir werden jedoch weiter nur von der DGUV Vorschrift 3 sprechen, um die Lesbarkeit nicht zu beeinträchtigen.

Begriffsbestimmung

Hier heißt es in § 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 3:

Elektrische Betriebsmittel im Sinne dieser Unfallverhütungsvorschrift sind alle Gegenstände, die als Ganzes oder in einzelnen Teilendem Anwenden elektrischer Energie (z.B. Gegenstände zum Erzeugen, Fortleiten, Verteilen, Speichern, Messen, Umsetzen und Verbrauchen) oder dem Übertragen, Verteilen und Verarbeiten von Informationen (z.B. Gegenstände der Fernmelde- und Informationstechnik) dienen.

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E-Fahrzeuge als elektrische Arbeitsmittel

Wie eingangs festgestellt, handelt es sich bei Elektrofahrzeugen, die für die Arbeit eingesetzt werden, um Arbeitsmittel (= Betriebsmittel). Aufgrund der Tatsache, dass diese mit elektrischer Energie betrieben werden, handelt es sich nach vorstehender Begriffsbestimmung um elektrische Arbeitsmittel. Spannungsgrenzen sind zunächst nicht festgelegt und daher unbeachtlich. Ergo ist die DGUV Vorschrift 3 einschlägig und anzuwenden.

Anwendung der DGUV Vorschrift 3

Gemäß § 3 Abs. 1 DGUV Vorschrift 3 hat der Unternehmer (entspricht in diesem Kontext dem Arbeitgeber und schließt den nach § 13 ArbSchG bzw. § 13 DGUV Vorschrift 1 Beauftragten ein) dafür zu sorgen, dass elektrische Arbeitsmittel nur von einer Elektrofachkraft (EFK) − oder unter deren Leitung und Aufsicht − den elektrotechnischen Regeln entsprechend errichtet, geändert und instand gehalten werden. Diesen Forderungen wird entsprochen, wenn die Elektrofahrzeuge in Fachwerkstätten gemäß DGUV Information 209-093 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ von für Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen qualifiziertem Personal instand gehalten werden. Hier steht die Fachkundige Person Hochvolt (FHV) ab Stufe 2 im Mittelpunkt. Dieses Personal ist als Elektrofachkraft im Sinne der DGUV Vorschrift 3 anzusehen.

Instandhaltung von E-Fahrzeugen

Für die Instandhaltung von Elektrofahrzeugen muss daher auch eine ähnliche Sicherheitsorganisation aufgebaut werden wie für sonstige elektrische Anlagen und Betriebsmittel.

Elektrische Arbeitsmittel müssen sicher sein

Entsprechend § 4 Abs. 2 DGUV Vorschrift 3 müssen sich elektrische Arbeitsmittel in einem sicheren Zustand befinden und in diesem erhalten werden. Hierin ist aufgrund der Dualität des deutschen Arbeitsschutzrechts eine aus der BetrSichV bekannte und gleichlautende Forderung zu sehen. Insoweit sind der DGUV Vorschrift 3 keine über das staatliche Arbeitsschutzrechthinausgehenden Forderungen zu entnehmen. Weitere Forderungen sowie die aus den §§ 6 und 7 betreffen überwiegend die Instandhaltung und sind für den reinen Betrieb daher transparent. § 5 DGUV Vorschrift 3 wiederholt das eingangs erwähnte Prüferfordernis aus § 14 BetrSichV für elektrische Arbeitsmittel. Jedoch gibt die DGUV Vorschrift 3, wie auch die Betriebssicherheitsverordnung selbst, keine Prüfverfahren oder -methoden vor, sodass für diese die entsprechenden (elektrotechnischen) Regeln herangezogen werden müssen.

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Dokumentation der Prüfung

Ein Prüfbuch wäre nur zu führen, wenn dies ausdrücklich vom Unfallversicherungsträger verlangt wird (§ 5 Abs. 3 DGUV Vorschrift 3). Meist gibt es diese Auflage nicht. Es kann jedoch im Einzelfall aufgrund der örtlich vorzufindenden Gemengelage zu so einer Auflage gekommen sein. Gleichwohl ist es geboten, das Ergebnis der Prüfung in geeigneter Weise aufzuzeichnen (siehe dazu § 14 Abs. 7 BetrSichV).

Prüfungen von Fahrzeugen

Gleichzeitig handelt es sich bei dem Arbeitsmittel um ein Fahrzeug im Sinne der DGUV Vorschrift 70 „Fahrzeuge“. Neben den einsatztäglich durch den Fahrzeugführer durchzuführenden Prüfungen (Fahrzeugcheck − DGUV Grundsatz 314-002 [früher: BGG 915]) hat der Unternehmer gemäß § 57 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70 jedes Fahrzeug nach Bedarf, mindestens jedoch einmal jährlich, durch einen Sachkundigen prüfen zu lassen. Der Sachkundige entspricht der in § 2 Abs. 6 BetrSichV beschriebenen und in der TRBS 1203 konkretisierten „zur Prüfung befähigten Person“ (ZPbP). Zur Prüfdurchführung selbst enthält die DGUV Vorschrift 70 keine Anhaltspunkte und unterscheidet sich somit nicht von der DGUV Vorschrift 3 und der BetrSichV. Hier wird lediglich in § 57 Abs. 2 in Übereinstimmung mit § 14 Abs. 7 BetrSichV verlangt, das Ergebnis der Prüfung schriftlich festzuhalten und diesen Nachweis mindestens bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren.

Die durch die DGUV Vorschrift 70 geforderten jährlichen Prüfungen sollten unter Beachtung des DGUV Grundsatzes 314-003 „Prüfung von Fahrzeugen auf Betriebssicherheit“ ausgeführt werden. Darin ist unter Prüfpunkt A 19 die elektrische Anlage enthalten, sodass durch diese Prüfung auch gleichzeitig die Anforderungen der DGUV Vorschrift 3 erfüllt werden. Speziell für Elektrofahrzeuge gibt es die Prüfpunkte V 4 und V 9 aus der Prüfliste „Verkehrssicherheit und Antriebssystem“, die sich mit der elektrischen Anlage und dem Elektroantriebbeschäftigen. In V 4.13 werden die Batterien, wozu auch die Hochvoltbatterie gehört, und in V 9.4 der elektrische Fahrzeugantrieb betrachtet. Der Verweis in Prüfpunkt A 19.7 auf die DIN VDE 0100-717:2010-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ gilt nicht für elektrische Fahrzeugantriebe. Allerdings ist der Prüfpunkt A 22.3 auf die Beschädigungsfreiheit von Ladekabeln gerichtet. Weiteres dazu siehe unten.

Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO

Die gesetzlich durch § 29 StVZO (Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung) vorgeschriebene Hauptuntersuchung ersetzt die Prüfungen nach BetrSichV sowie der DGUV Vorschriften 3 und 70 nicht. Die Hauptuntersuchung fokussiert die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs. Die anderen Vorschriften stellen auf die Arbeitssicherheit ab. Beide Prüfungen zusammen führen zur notwendigerweise zu gewährleistenden Betriebssicherheit des Fahrzeugs. Lediglich insoweit, als dass sich Prüfpunkte decken, kann die Hauptuntersuchung als Äquivalent zur Prüfung nach DGUV Vorschrift 70 und Betriebssicherheitsverordnung angenommen werden. In dem Maße, in dem bei der Hauptuntersuchung die elektrische Anlage des (Elektro-)Fahrzeugs geprüft wird, könnte diese Prüfung auch im Sinne der Unfallverhütungsvorschriften ausreichend sein. Dabei muss während der Prüfung auf die Besonderheiten eines Hochvoltfahrzeugs eingegangen worden sein. Somit sind Doppelprüfungen nicht gefordert. Allerdings kann der Umfang der Hauptuntersuchung von hier aus nicht eingeschätzt werden. Hierzu wären die zugelassenen Überwachungsstellen zu befragen.

Die HU-Prüfung verfolgt einen anderen Ansatz. Hier kann der Sachverständigeneben Pflichtprüfungen den Fokus mehr oder weniger auf andere Prüfungen legen. Bei Arbeitsschutzprüfungen gibt es diesen Spielraum nicht. Der ein Hochvoltfahrzeug prüfende Sachverständige muss − sofern er die Prüfungen in Spannungsbereichen über 25 V AC bzw. 60 V DC durchführt – Elektrofachkraft und mindestens entsprechend DGUV Information 209-093 als Fachkundige Person Hochvolt (FHV) qualifiziert sein.

Besonderheiten bei Prüfungen von Elektrofahrzeugen

Für den über die Prüfungen der Hauptuntersuchung hinausgehenden Teil (Delta) ist eine Prüfung nach den Vorgaben der Unfallverhütungsvorschrift 70 durch einen Sachkundigen (zur Prüfung befähigte Person) − für den Hochvoltteil qualifiziert als Elektrofachkraft − erforderlich. Diese Prüfung kann natürlich im Rahmen der Hauptuntersuchung durch den Sachverständigen (zugelassene Überwachungsstelle) ergänzend durchgeführt werden. Wichtig hierbei ist, dass diese ergänzende Prüfung auch ausdrücklich bescheinigt wird. Dazu reicht die Bestätigung über eine erfolgreiche Hauptuntersuchung nicht aus, sodass in diesem Fall immer eine ausdrückliche Inbezugnahme der Unfallverhütungsvorschriften – am besten ergänzt durch einen Hinweis auf die verwendete Prüfgrundlage, wie z.B. DGUV Grundsatz 314-003 − erfolgen muss. Es wird darauf hingewiesen, dass insbesondere die gesetzliche Frequenz der Hauptuntersuchungen den Anforderungen gemäß § 57 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70 nicht genügt, da diese mindestens jährlich durchzuführen sind.

Umgekehrt reicht die erfolgreiche Prüfung nach Unfallverhütungsvorschriften selbstverständlich in keinem Fall als Ersatz oder Grundlage für die Hauptuntersuchung.

Prüfung der Ladekabel

Mobile Ladekabel für Elektrofahrzeuge sind unabhängig vom Fahrzeug als elektrische Arbeitsmittel nach § 5 Abs. 1 DGUV Vorschrift 3 gemäß DIN EN 50699 VDE 0702:2021-06 „Wiederholungsprüfung für elektrische Geräte“ durch eine Elektrofachkraft als zur Prüfung befähigte Person zu prüfen. Dies wird auch im Prüfpunkt A 22.4 der Prüfliste aus dem DGUV Grundsatz 314-003 erwähnt. Für stationäres elektrisches Ladeequipment gilt DIN VDE 0105-100/A1:2017-06 „Betrieb von elektrischen Anlagen“, Abschn. 5.3.3.101 (deutsche Umsetzung des Harmonisierungsdokuments HD 60364-6:2016-07 „Prüfungen“). Für weiterführende Informationen sei auf den „Handlungsrahmen Elektromobilität“ (FAQ-Liste) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Stand: Januar 2016) verwiesen.

Fazit

Elektrofahrzeuge sind als elektrische Arbeitsmittel nach DGUV Vorschrift 3 zu prüfen. Diese Prüfpflicht wird jedoch bei fachgerecht nach DGUV Grundsatz 314-003 im Rahmen der mindestens jährlich durchzuführenden Prüfung nach DGUV Vorschrift 70 erfüllt. Der Prüfer für diesen Prüfpunkt an einem Hochvoltfahrzeug muss Elektrofachkraft sein. Die Hauptuntersuchung ist als Äquivalent nur insoweit geeignet, als dass sich Prüfpunkte zur Verkehrssicherheit mit denen zur Arbeitssicherheit decken. Das Prüfergebnis ist entsprechend § 14 Abs. 7 BetrSichV aufzuzeichnen und dieser Nachweis ist mindestens bis zur nächsten Prüfung verfügbar aufzubewahren.

  • Autor:

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.

    EABCon-Ingenieurbüro Klar - Consulting Elektrotechnik - Arbeitsschutz - Betriebsorganisation

    Markus Klar

    Markus Klar ist langjähriger, ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Gera, seit 2011 am Landesarbeitsgericht Thüringen und als Autor und freiberuflicher Ingenieur mit dem Schwerpunkt rechtssichere Betriebsorganisation, Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beratend tätig.

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