
Erinnern Sie sich noch an den Fachartikel „Ab sofort bist du Elektrofachkraft“? Ein User von elektrofachkraft.de hat uns die Frage gestellt, ob sein Vorgesetzter ihm ohne entsprechende Ausbildung und Fähigkeiten elektrotechnische Arbeiten zuweisen und ihn damit zur Elektrofachkraft (EFK) ernennen kann. Außerdem ging es darum, dass der User bei einem Kollegen eine EuP-Schulung durchführen sollte.
Die Antworten unseres Autors waren eindeutig:
- DIN VDE 1000-10 und DGUV Vorschrift 3 entscheiden, wer als Elektrofachkraft eingestuft wird.
- Als Nachweis dienen der Gesellenbrief im erlernten Ausbildungsberuf, die Ausbildung zur Elektrofachkraft sowie die jährliche Fortbildung nach DGUV Vorschrift 1.
- Der Arbeitgeber muss sich vor der Beauftragung eines Mitarbeiters darüber vergewissern, dass dieser für die Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben entsprechend ausgebildet, unterwiesen und geschult ist.
- Der Arbeitgeber kann einen Mitarbeiter nicht dazu zwingen, diese Funktion auszuüben. Der Mitarbeiter gibt selbst an, nach eigenem Ermessen nicht für die genannten Tätigkeitsbereiche geeignet zu sein. Er könnte beispielsweise durch entsprechende Schulungen und Unterweisungen die nötigen Qualifikationen auffrischen und/oder erlangen.
Was bleibt, ...
wenn wir aus dem oben genannten alle Normen und Vorschriften sowie die Wörter „nicht“ „muss“ und „könnte“ weglassen?
Die Realität
- und die ist nicht sonderlich erfreulich und hoffnungsvoll. Hier einige Ihrer Reaktionen:
„Wer eine elektrotechnische Ausbildung hat, kann und darf Installationen durchführen, ganz gleich, wie lange die Ausbildung her ist.“
„... Hauptsache die Maschinen laufen. Bei einem Unfall sind die rechtlichen Folgen beim ersten Mal nicht so hoch, wenn man ein bisschen getan hat.“
„..., wenn man eine x-beliebige Schulung hatte, kann man diese Schulung jederzeit auch selbst unterweisen.“
„... Gespräche verlaufen im Sand ...“
„Es ist alles wichtiger als die elektrische Sicherheit.“
„Trotz vielfachem Bitten, Betteln, Hinweisen, Anfragen ... werden keine Weiterbildungen bewilligt.“
„Elektroinstallation war nie Inhalt meiner Ausbildung und trotzdem wurde ich nach der Prüfung immer geschickt, Steckdosen setzen.“
„Es wird einfach davon ausgegangen, dass ich alles kann aufgrund meines 25 Jahre alten Gesellenbriefs.“
Gefahren des elektrischen Stroms werden unterschätzt
Stromunfälle zählen zu den am häufigsten tödlich verlaufenden Arbeitsunfällen. In den letzten Jahren ist die Zahl der gemeldeten Stromunfälle gestiegen. 90 % der Unfälle geschehen im Niederspannungsbereich (Quelle: BG ETM) – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Gefahren des elektrischen Stroms bei geringen Spannungen unterschätzt werden.
Viel zu oft liest oder hört man „Monteur erlitt Stromschlag“, „Lichtbogenunfall endete tödlich“. Die Unfallbeispiele auf elektrofachkraft.de zeigen, wie schnell ein Stromunfall geschehen und welche Folgen er haben kann.
Neben der Missachtung der fünf Sicherheitsregeln ist Unkenntnis eine der häufigsten Unfallursachen. Unzulängliches Wissen und mangelnde Erfahrungen haben im Zusammenhang mit elektrischem Strom nichts zu suchen. Dennoch sind sie häufig anzutreffen und verursachen Unfälle mit Schäden an Menschen und Sachen.
Aus Ihren Anmerkungen ist aber zu erkennen, dass die ursprünglichen Ursachen für Stromunfälle direkt in den Betrieben zu finden sind, in denen die Arbeitgeber nachlässig mit den Gefahren des elektrischen Stroms umgehen.
Fehlendes systematisches Schutzkonzept
In vielen Unternehmen besteht keine funktionierende, ordentlich aufgebaute Organisation. Dabei ist das Erstellen eines systematischen Schutzkonzepts für den Bereich der Elektrotechnik eine wichtige Maßnahme, um die Elektrosicherheit im Betrieb zu gewährleisten. Leider wird dies in vielen Unternehmen vernachlässigt.
Missachtung von Normen und Vorschriften
Der Unternehmer ist dazu verpflichtet, seinen Mitarbeitern die für ihre Arbeit notwendigen Normen und Vorschriften bereitzustellen. Auch dies scheint in vielen Betrieben nicht der Fall zu sein. Aber das wundert auch nicht wirklich, wenn in diesen Unternehmen Vorschriften grundsätzlich keine Beachtung finden.
Übertragung von Arbeiten an nicht ausreichend qualifiziertes Personal
Mitarbeiter werden dazu verpflichtet, Arbeiten auszuführen, für die sie nicht qualifiziert sind. Ihre Bedenken, für eine bestimmte Tätigkeit nicht ausreichend qualifiziert zu sein, werden von Vorgesetzten nicht ernst genommen. Bitten die Mitarbeiter um ein klärendes Gespräch, wird dieses nicht wahrgenommen oder es findet zwischen „Tür und Angel“ statt.
Mangelndes Angebot an Weiterbildungsmaßnahmen
Auch wenn es um Weiterbildungsmaßnahmen geht, sieht es in vielen Betrieben alles andere als gut aus. Viele Arbeitgeber leben nach dem Motto, dass einmal Gelerntes ein Leben lang bleibt. Einmal eine elektrotechnische Ausbildung absolviert, bedeutet für viele, dass man in der Elektrotechnik jede Tätigkeit ausführen kann. Daher werden Weiterbildungen für nicht notwendig gehalten und nicht genehmigt. Stattdessen wird erwartet, dass die Kollegen sich untereinander schulen. Aber wie kann man beispielsweise von einem Techniker verlangen, eine EuP-Schulung zu halten, die eigentlich von einer Elektrofachkraft durchgeführt werden muss? Nach einem Studium oder einer Berufsausbildung im Bereich Elektrotechnik ist man noch lange keine Elektrofachkraft!
Die Folgen: Die Beschäftigten führen Arbeiten aus, für die sie nicht ausgebildet oder befähigt sind. Wundert es da, dass dann Unfälle passieren? Mit all diesen Unterlassungen setzt der Unternehmer die Gesundheit seiner Mitarbeiter leichtfertig aufs Spiel.
Beim Lesen der Anmerkungen und Kommentare habe ich mir immer wieder diese Fragen gestellt: Wie kann das sein? Wie kann man so nachlässig mit seinen Mitarbeitern umgehen? Und wie kann man, um es ganz direkt zu sagen, so fahrlässig mit dem Leben anderer umgehen?
Wir alle kennen die Gründe. Es geht um Geld, um Zeit, Kapazitäten. Es ist überall das Gleiche. In der Elektrotechnik können diese Einwände im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben.
Mich interessieren Ihre Erfahrungen und Ihre Meinungen zu diesem Thema.
Kennen Sie solche Vorfälle aus Ihrem eigenen Betrieb oder läuft es bei Ihnen absolut vorbildlich? Ich freue mich, wenn ich auch mal positive Erfahrungsberichte lesen darf.
Hinterlassen Sie einen Kommentar oder schreiben Sie direkt an redaktion@elektrofachkraft.de.
Autorin: Christina Wernicke
Dirk Merkel am 22.02.2019
Philipps Melanie am 11.02.2019
Steffen N. am 08.02.2019
Tobias Trapp am 06.02.2019