Auch erfahrene Elektrofachkräfte machen Fehler
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Dass Berufserfahrung und Weiterbildung eine Elektrofachkraft nicht immer vor den Gefahren des elektrischen Stroms schützen können, zeigt die Statistik der Stromunfälle in Deutschland. Und auch der folgende tragische Fall macht deutlich, wie schnell für eine erfahrene Elektrofachkraft bei Elektroarbeiten der Tod lauert, wenn Regeln nicht strikt befolgt werden.
Unfallhergang: keine Spannungsfreiheit bei Wartungsarbeiten
Der Unfall geschah bei Wartungsarbeiten von Spritzgießmaschinen in einem Betrieb der Kunststoffverarbeitung. Die Produktion war seit einigen Tagen eingestellt, da an den Maschinen u.a die Kontakte der Spannungsversorgung gewartet werden mussten.
Die zuständige Elektrofachkraft wollte die Muttern zur Befestigung der Kabel der Starkstromversorgung nachziehen. Man fand den Mann leblos neben der Spritzgießmaschine. Der Steckschlüssel lag auf dem Boden. Der Hauptschalter der Maschine war eingeschaltet.
Unfallopfer: eine berufserfahrene Elektrofachkraft
Der tödlich verunfallte Mitarbeiter galt als überaus vorbildliche und sorgfältige EFK, die ihre Prüfunterlagen stets exzellent führte und die erst kürzlich an einer Weiterbildung teilnahm. Die Elektrofachkraft besaß ein eigenes Schloss zum Abschließen der Hauptschalter zur Sicherung gegen Wiedereinschalten, das persönlich beschriftet war.
Unfallursache: versäumte Prüfung auf Spannungsfreiheit?
Der Unfall geschah einen Tag vor Weihnachten. Offenbar war die Elektrofachkraft in Eile, weil noch Geschenkekauf und andere Festtagsvorbereitungen anstanden.
Die Kollegen vermuten im Nachhinein, dass sich die EFK das konsequente Abarbeiten der fünf Sicherheitsregeln ersparen bzw. abkürzen wollte. Der Kollege war gedanklich möglicherweise bereits bei den Feiertagen und in Eile. Offensichtlich war er von der Spannungsfreiheit ausgegangen und hatte versäumt, vor einem Zugriff auf die ansonsten spannungsführenden Teile die Spannungsfreiheit tatsächlich zu überprüfen.
Die zuständige Aufsichtsperson der BG RCI spricht davon, dass ein „eingeübtes und emotional verankertes sicherheitsgerechtes Verhalten“ gerade bei Routinearbeiten überlebensnotwendig ist. Man muss die fünf Sicherheitsregeln nicht nur kennen, sie müssen in Fleisch und Blut übergegangen sein. Nur dann kann man auch in Hektik und bei mangelnder Aufmerksamkeit überleben.
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Die fünf Sicherheitsregeln bleiben essenziell und unverzichtbar
Wer über viele Jahre hinweg beim Prüfen der Spannungsfreiheit stets die Rückmeldung erhält, dass keine Spannung vorhanden ist, läuft Gefahr nachlässig zu werden. Diese Routinefalle schafft ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Dazu kommt, dass niemand davor gefeit ist, trotz allen Bemühens um konzentriertes Arbeiten, in Eile oder Hektik Fehler zu machen.
Die 5 Sicherheitsregeln für Elektrofachkräfte
- Freischalten
- Gegen Wiedereinschalten sichern
- Spannungsfreiheit feststellen
- Erden und kurzschließen
- Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken
Die fünf Sicherheitsregeln für das Arbeiten in und an elektrischen Anlagen müssen daher alternativlos und konsequent angewendet werden. Denn sie wurden nicht entwickelt, um einen überzogenen Kontrollwahn zu erzeugen. Sie sind auch keineswegs übertrieben im Sinne von unnötiger Doppelregelungen, wenn etwa trotz Freischalten die Spannungsfreiheit explizit geprüft werden muss. Die fünf Sicherheitsregeln bauen aufeinander auf und ergänzen sich, so dass möglichst jede vorstellbare betriebliche Situation und Konstellation von Arbeitsbedingungen und persönlichen Befindlichkeiten aufgefangen wird.
Es ist verständlich und nachvollziehbar, dass das strikte Einhalten von Vorschriften und Regeln manchmal als übertrieben, überflüssig oder sogar sinnlos empfunden wird. Doch wenn es um Gefahren für Leib und Leben geht, gibt es zur konsequenten Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen keine Alternative. Dieser Punkt kann in Sicherheitsunterweisungen nicht oft genug betont werden. Jeder Sicherheitsverantwortliche sollte scharf eingreifen und deutliche Worte finden, wenn Mitarbeiter oder gar Ausbilder die Meinung vertreten, man müsse es „nicht immer so genau“ nehmen. Denn auch wenn Nachlässigkeiten jahrelang ohne Konsequenzen bleiben, kann ein einziger Fehler genügen, um schwerste Unfälle herbeizuführen.
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Kommentare
Kommentar von Doris Detering |
Sehr geehrter Herr Kring,
ich erlaube mir, Ihren Bericht als Beispiel in meinen Erste Hilfe Kursen die ich bei Betrieben der Sparte Elektro halte, zum Thema Stromunfall zu nutzen. Auch die 5 Sicherheitsregeln frage ich ab und thematisiere sie. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden,
mit freundlichem Gruß
Doris Detering
Leitung Breitenausbildung
mit freundlichem Gruß
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