Sicher arbeiten an Mittelspannungsanlagen
- Kommentare: 0
- Sicher arbeiten
- Artikel als PDF herunterladen
Die fünf Sicherheitsregeln stellen sicher, dass Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln nur im spannungsfreien Zustand erfolgen. Durch Aus-, Fort- und Weiterbildung sind Elektrofachkräfte bestens mit diesen Regeln (VDE 0105-100) vertraut. Die 5 Sicherheitsregeln sind in der angegebenen Reihenfolge einzuhalten:
- Freischalten
- Gegen Wiedereinschalten sichern
- Spannungsfreiheit feststellen
- Erden und kurzschließen
- Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken
Erst nach Durchführung der 5 Sicherheitsregeln ist ein gefahrloses Arbeiten an elektrischen Anlagen möglich. Eine Ausnahme stellt die Mittelspannungs-Kompensationsanlage dar.
Auch nach Abschaltung lebensbedrohliche Gleichspannung in den Kondensatoren
Ist die elektrische Anlage eine Mittelspannungsanlage (oder eine vergleichbare Anlage), müssen die fünf Sicherheitsregeln um weitere Schutz- und Prüfverfahren erweitert werden, um Gesundheit und Leben der Elektrofachkräfte zu schützen. Denn die im laufenden Netzbetrieb vorliegende Wechselspannung der Kompensationsanlage behält auch nach Abschaltung eine lebensbedrohliche Gleichspannung in den Kondensatoren vor.
Für Mittelspannungs-Kompensationsanlagen existieren DC-Spannungsprüfer, welche die mögliche Gleichspannung, bedingt durch die Restladung in den Kondensatoren, an den Kondensatoranschlüssen oder an den damit verbundenen Betriebsmitteln anzeigen. Doch diese DC-Prüfer gehören nicht zur Standardprüfausrüstung einer Schaltanlage.
Gleichspannungsfreiheit ist festzustellen
Aufgrund der bedrohlichen Restladung in den verbauten Kondensatoren ist es bei Abschaltung, Wartung oder anderen Eingriffen im laufenden Netzbetrieb zwingend erforderlich zu der Wechselspannungsfreiheit die Gleichspannungsspannungsfreiheit festzustellen. Des Weiteren muss nach Ablauf der sichernden Entladezeit an geeigneter Stelle (z.B. an den Kugelfestpunkten des Einspeisegerüsts) mittels Erdungs- und Kurzschließvorrichtung die vierte Sicherheitsregel durchgeführt werden. Diese erwähnte Erdung ist ungeeignet, wenn zwischen Kondensatorklemmen und den Kugelfestpunkten eine Leiterunterbrechung (durch Leistungsschalter, etc.) vorhanden ist.
Nach der Entladezeit beträgt im Normalfall die Restgleichspannung maximal 75 Volt. Das wahrscheinlich entstehende Knistergeräusch bei einem Kurzschlussvorgang < 75 Volt ist nicht lebensbedrohlich oder gesundheitsschädigend.
Downloadtipps der Redaktion
„E-Book: Prüfprotokolle für die Elektrofachkraft“
Hier gelangen Sie zum Download.
„Checkliste für die Sichtprüfung ortsfester elektrischer Arbeitsmittel und Anlagen nach DIN VDE 0105-100“
Hier gelangen Sie zum Download.
„Formular: Bestellung eines Schaltberechtigten“
Hier gelangen Sie zum Download.
„Unterweisungsprotokoll“
Mögliche Ursachen für die Erhöhung des Gefahrenpotenzials
Sollte die Restspannung im Bereich von über 75 Volt liegen, kann das Gefahrenpotenzial durch folgende Faktoren um ein Vielfaches erhöht werden:
- nicht vollständiges Abwarten der Sicherheitsentladezeit
- atypische Netzereignisse, die zu einer höheren Spannung an den Kondensatoren vor dem Freischalten geführt haben (in Folge eines ausgelösten Leistungsschalters durch Überlast)
- defekte Entladewiderstände in den Kondensatoren
Auch nach der einwandfreien Durchführung der 4. Sicherheitsregel "Erden und kurzschließen" am Einspeisegerüst können in Ausnahmefällen noch Teilspannungen an den Kondensatorklemmen vorhanden sein.
Folgende Ursachen können diese Restgleichspannung hervorrufen:
- defekte Entladewiderstände in den Kondensatoren
- defekte Entladewiderstände in den Kondensatoren und gleichzeitig zeitweilige Unterbrechungen
Durch diese zeitweilige Unterbrechung kann, z.B. durch eine defekte Verbindungsbrücke bei in Reihe geschalteten Kondensatorbänken, der Entladevorgang nicht vollständig abgeschlossen werden. Sollte beim anschließenden Transport oder bei der Lagerung der Stromkreis zwischen Kondensator und Elektrofachkraft ungewollt geschlossen werden, können schon relativ geringe Spannungen zu schweren Unfällen führen, oftmals durch Sekundärverletzungen wie Sturz von der Arbeitsleiter oder Ladefläche eines Transporters.
Pole und Gehäuse müssen untereinander kurzgeschlossen werden, sodass auch bei defekten Entladewiderständen oder beschädigten Stromverbindungen innerhalb des Kondensators, keine gefährliche Restspannung auf die Elektrofachkraft einwirkt.
Ergänzung der 5 Sicherheitsregeln um weitere Schutz- und Prüfverfahren
Aus diesen Gründen müssen die folgenden zusätzlichen Sicherheitsregeln eingehalten werden:
- Nach Freischaltung der Kompensationsanlage und Beachtung der Entladezeit müssen alle Kondensatoranschlüsse, parallele Baugruppen, falls vorhanden beide Sternpunkte, mit der Erdungsschiene kurzgeschlossen und geerdet werden. Bei Reihenschaltung mehrerer Kondensatoren sind diese untereinander zu erden.
- Bei Transport sowie Lagerung von Kondensatoren sind die Anschlüsse untereinander und mit dem Gehäuse kurzzuschließen.
- Um die Spannungsfreiheit der Mittelspannungs-Kompensationsanlage, den Kondensatoren und Betriebsmitteln reell festzustellen, ist ein zusätzlicher Check mit einem DC-Prüfer unumgänglich.
Tipp der Redaktion
Sie wollen mehr Infos zu diesem und weiteren Themen?
Dann empfehlen wir Ihnen elektrofachkraft.de – Das Magazin:
- spannende Expertenbeiträge zu aktuellen Themen
- Download-Flat mit Prüflisten, Checklisten, Arbeits- und Betriebsanweisungen.
Auch als Onlineversion erhältlich. Machen Sie mit beim Papiersparen.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten: Vom Hersteller werden Schutzeinrichtungen wie Unsymmetrieschutz, Überdruckschalter, Entladewiderstände u.v.m. in den Kondensatoren verbaut, um das Gefahrenpotenzial eines Kondensatordefekts gegenüber der Elektrofachkraft zu minimieren. Trotzdem sind Kurzschlussstromüberwachung in Verbindung mit Einhaltung der fünf Sicherheitsregeln und die Nutzung des AC- sowie eines DC-Hochspannungsprüfers Pflicht beim sicheren Arbeiten an Mittelspannungsanlagen. Aufgrund der verbauten und unter Spannung stehenden Kondensatoren, müssen bei Wartungs- oder Instandsetzungsarbeiten durch die Elektrofachkraft besondere Vorkehrungen getroffen werden, um die Spannungsfreiheit der Anlage immer sicherzustellen.
Um das sichere Arbeiten an Mittelspannungs-Kondensatoren zu gewährleisten, sind die fünf Sicherheitsregeln wie folgt zu erweitern:
- Freischalten
- Gegen Wiedereinschalten sichern
- Spannungsfreiheit feststellen
3a. netzseitige AC-Prüfung
3b. DC-Prüfung mit Gleichspannungsprüfer für große Spannungen - Erden und kurzschließen
4a. Kurzschließen der Kondensatorpole untereinander - Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken.
Weitere Beiträge zum Thema
Wer darf was? Schaltberechtigungen für elektrische Anlagen
Elektrosicherheit bei Windenergieanlagen
Erste Hilfe bei einem Elektrounfall
Anforderungen an elektrische Anlagen in Sonderbauten
Kommentare
Einen Kommentar schreiben