Photovoltaikanlagen und die Gefahr durch Überspannungen
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Eine mangelhafte Errichtung oder Instandhaltung von Photovoltaikanlagen birgt erhebliche Gefahren, welche sich sowohl auf die Niederspannungs- als auch auf die Gleichspannungsseite auswirken können. Äußere Einflüsse oder Veränderungen der Anlage, welche zunächst unbemerkt bleiben, verstärken diese Gefahr. Das kann mitunter großen Schaden − sowohl für das Gebäude als auch für Leib und Leben − nach sich ziehen.
Wie können Überspannungen entstehen?
Die Gefahr einer gefährlichen Überspannung entsteht entweder durch einen Defekt eines Photovoltaikmoduls, einer Beschädigung der Leitungsanlage oder durch äußerliche Einflüsse z.B. durch einen Blitzeinschlag. Hierbei kann eine Überspannung verschiedene Ausmaße annehmen und somit auf unterschiedlichste Weise in das Niederspannungssystem einwirken. Aus diesem Grund ist eine fachgerechte Installation des Blitzschutzes wichtig, um die Ableitung der entstehenden Ströme von bis zu 100 kA gewährleisten zu können. Über ein installiertes Maschensystem können diese Ströme bei fachgerechter Installation und Wartung sicher in das Erdreich abgeleitet werden. Im Falle einer Überspannung durch einen Anlagendefekt oder durch einen induktiven Eintrag in Folge eines indirekten Blitzeinschlages kann es jedoch zu einem ungeplanten Eintrag in die Niederspannungsanlage kommen. Die entstehende Überspannung auf der Niederspannungsseite kann nicht nur ein erhebliches Brandrisiko, sondern auch ein besonderes Ausfallrisiko der Anlage darstellen.
Deshalb ist die sofortige Abschaltung der Verbindung zur Niederspannungsanlage im Falle einer erhöhten Spannung wichtig und vorgeschrieben.

Blitzschutzsysteme zum Schutz
Zur Einordnung der Blitzschutzklasse findet man innerhalb der VdS Publikation 2010:2021-02 „Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz“ detaillierte Hinweise. Demnach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von über 10 kWp mit einem äußeren Blitzschutzsystem der Blitzschutzklasse III sowie einem inneren Blitzschutz in Form eines Überspannungssystems auszustatten.
DIN VDE 0185-305-3 Bbl 5:2014-02 „Blitzschutz Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen – Beiblatt 5: Blitz- und Überspannungsschutz für PV-Stromversorgungssysteme“, Abschnitt 4.5
Ein Blitzschutzsystem, das für Schutzklasse III ausgelegt ist, entspricht den normalen Anforderungen für PV-Stromversorgungssysteme.
[...}
Die blitzschutztechnischen Maßnahmen für das PV-Stromversorgungssystem werden an die Blitzschutzklasse der baulichen Anlage angepasst.
Zur Beurteilung der Notwendigkeit eines inneren Blitzschutzes gelten gemäß DIN VDE 0100-443:2016-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 4-44: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Störspannungen und elektromagnetischen Störgrößen – Abschnitt 443: Schutz bei transienten Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse oder von Schaltvorgängen“ folgende Kriterien:
Die Überspannungen haben Auswirkungen auf
- Menschenleben
- Öffentliche Einrichtungen
- Gewerbe- oder Industrieaktivitäten
- Ansammlung von Personen
Soll das Gebäude vor den Auswirkungen eines Blitzeinschlages effektiv geschützt werden, so ist gemäß DIN VDE 0100-534:2016-10 „Errichten von Niederspannungsanlagen Teil 5-53: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Trennen, Schalten und Steuern – Abschnitt 534: Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs)“ die Prüfklasse 1 zur Anwendung zu bringen. Dies bedeutet, dass die eingesetzten Geräte, sofern gefordert einen Blitzstoßstrom IImp = 12,5 kA sicher ableiten können (Blitzschutzklasse 3).
Durch diese Maßnahmen wird zum einen ein direkter Blitzeinschlag sicher ins Erdreich abgeleitet und zum anderen Folgen einer induktiven Übertragung in die elektrische Anlage sowie Schäden durch Überspannungen weitestgehend verhindert, indem betroffene Bauteile sicher getrennt werden. Sollten innerhalb der elektrischen Anlage weitere empfindliche Bauteile vorhanden sein, so sind diese zusätzlich mittels Überspannungseinrichtungen der Klasse 2 oder 3 zu schützen.
Um den Eintrag einer Photovoltaikanlage in die Niederspannungsschaltanlage im Falle einer Überspannung zusätzlich kleinstmöglich zu halten, ist bereits bei der Installation auf eine induktionsarme Verlegung der Gleichspannungsleitungen zu achten. So werden unnötige Schleifenbildungen verhindert.

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Gefährdungsbeurteilung: Gefährdungen ermitteln (allgemein)
Verantwortlichkeiten klar regeln
Wie bei allen Bestandteilen der elektrischen Anlage sind auch bei der Installation und dem Betrieb von Photovoltaikanlagen die Verantwortlichkeiten klar zu regeln. Schon während der Planungsphase müssen die Rahmenbedingungen der Anlage bekannt sein und entsprechend berücksichtigt werden. Sollte die Installation der Anlage und die Anbindung an die Niederspannungsschaltanlage von unterschiedlichen Unternehmen durchgeführt werden, so sollten klare und gemeinsame Abstimmungen mit den Errichtern der elektrischen Anlage, der Blitzschutzanlage etc. getroffen werden. Gleichzeitig muss der Umfang der Prüfung und Wartung der Photovoltaikanlage durch den Betreiber in Abstimmung mit den Behörden und Sachversicherern festgelegt werden.
Globale Sachversicherer haben eindeutig festgestellt:
„Der Betreiber von PV-Anlagen haftet gegenüber Dritten, wenn von seiner Anlage über die Pfade Luft, Wasser und Boden Gefahren drohen.“
Maßnahmen zur Risikominimierung erforderlich
Um die Anlagenqualität sicherzustellen sind daher Maßnahmen zur Risikominimierung erforderlich. Hierzu zählen neben der Beurteilung z.B. der Dachqualität auch die Auswahl einer zertifizierten Fachfirma zur Installation der Photovoltaikanlage sowie die Erstellung eines Wartungs- und Prüfkonzeptes. Die Anlage sollte im Betrieb mindestens einmal pro Jahr einer Wartung unterzogen werden, um Beschädigungen frühzeitig erkennen zu können.
Hierbei ist zu beachten, dass die gleichen Regeln, welche für die elektrische Anlage gelten, auch bei der Photovoltaikanlage Anwendung finden.
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DIN VDE 0126-23-1:2019-04 „Photovoltaik (PV)-Systeme – Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung Teil 1: Netzgekoppelte Systeme – Dokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und Prüfanforderungen“, Abschnitt 5.1
Das Prüfintervall für ein PV-System darf nicht größer sein, als es für das Wechselstromnetz gefordert wird, an das das PV-System angeschlossen ist.
Innerhalb der regelmäßigen Wartung und Prüfung soll festgestellt werden, ob die Sicherheit der elektrischen Anlage weiterhin gegeben ist. Die Beurteilung des Wartungsintervalls sowie der Ergebnisse aus den Teilbereichen der Wartung obliegt der Elektrofachkraft gemäß DIN VDE 1000-10:2021-06 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“ und ist ausschließlich von dieser durchzuführen.
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