Sind Photovoltaik-Inselanlagen meldepflichtig?

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Werden immer beliebter: Insel-Photovoltaikanlagen.
Selbstversorgung ohne Netzanschluss – sind die PV-Inselanlagen meldepflichtig? (Bildquelle: EKH-Pictures/iStock/Getty Images Plus)

In der Praxis kommt es vor, dass ein Verteilungsnetzbetreiber (VNB) die Anmeldung einer Photovoltaik-Inselanlage beim Betreiber reklamiert. Dazu verweist er auf die Technischen Anschlussbedingungen.

Wenn der Verteilungsnetzbetreiber etwas begehrt, dann muss er darauf einen Anspruch haben. Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen fordern zu können (§ 194 Abs. 1 BGB). Jeder Anspruch benötigt eine Anspruchsgrundlage. Diese kann gesetzlicher oder vertraglicher Natur sein.

Schauen wir uns die Rechtsgrundlagen einmal genauer an: Steht in den Normen oder Vorschriften etwas von einer Prüfpflicht für Photovoltaik-Inselanlagen?

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Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“

Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ allein ist nicht anspruchsbegründend, da sie rechtlich die Qualität einer privaten Bestimmung hat. Daher benötigt sie – um selbst Geltung zu beanspruchen – zunächst auch eine eigene Ermächtigungsgrundlage.

Dies könnte § 49 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sein, der die allgemein anerkannten Regeln der Technik in den Bestimmungen des VDE e.V. beachtet wissen will.

Technische Anschlussbedingungen 2007

Vertragsrechtlich können die Technischen Anschlussbedingungen (TAB 2007) eine Anspruchsgrundlage darstellen, da diese beim Anschlussvertrag vom Anschlussnehmer anzuerkennen sind.

Im Kapitel 2 der TAB 2007 wird eine Reihe von anmelde- und zustimmungspflichtigen sowie davon befreiten Tatbeständen aufgezählt. Allen ist gemein, dass hier eine Verbindung (Anschluss) an das Netz des VNB stattfinden soll. Auch das Kapitel 3 ist für die Inbetriebsetzung auf eine Verbindung mit dem öffentlichen Netz ausgerichtet. Abgesehen von diesem Fokus nennen die TAB 2007 die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 weder ausdrücklich noch global als „VDE-Bestimmung“.

Das TAB-Regelwerk führt stattdessen die VDE-Bestimmungen auf, die es angewendet wissen will. Die TAB 2007 sind daher keine taugliche Grundlage für die VDE-AR-N-4105.

Nach TAB 2007 ist die Photovoltaik-Inselanlage ohne Verbindung zum Niederspannungsnetz mangels Nennung nicht anmeldepflichtig.

Technische Anschlussbedingungen 2019

In den TAB 2019 ist die Situation ähnlich. Zwar wird hier die VDE-AR-N 4105 ausdrücklich erwähnt, jedoch ist der Geltungsbereich in Kapitel 1 auf elektrische Anlagen beschränkt, die an das Niederspannungsnetz des Netzbetreibers angeschlossen sind oder werden. Da die TAB auf der NAV basieren, kann es auch gar keinen anderen Fokus geben.

Nun kennen die TAB 2019 tatsächlich den Begriff „Inselbetrieb“ im Zusammenhang mit Notstromaggregaten (VDE-AR-N 4100 Anwendungsregel:2019-04 „Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz und deren Betrieb (TAR Niederspannung)“). Hierbei erfolgt jedoch sehr wohl der Anschluss an das Versorgungsnetz, ohne dass eine Einspeisung erfolgt. Solche Photovoltaikanlagen sind dann durchaus anmeldepflichtig, weil aufgrund der Verbindung eine Synchronisation mit dem öffentlichen Netz erfolgen muss. Autarke Inselanlagen sind jedoch nicht erfasst.

Niederspannungsanschlussverordnung (NAV)

Die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) ist ebenfalls nach § 1 Abs. 1 auf den Anschluss von Kundenanlagen („Jedermann“) an das Niederspannungsnetz ausgerichtet. Sie mag die VDE-AR-N 4105, sofern man in ihr eine anerkannte Regel der Technik erblicken mag, tragen. Tatsächlich sind Regelungen, die keinen Bezug zur Sicherheitstechnik haben und sich mit organisatorischen oder rechtlichen Fragen beschäftigen, auch dann keine allgemein anerkannten Regeln der Technik, wenn sie überwiegend angewandt werden (vgl. hierzu Peter Marburger: Die Regeln der Technik im Recht, S. 47 und 148).

Eine Anmeldepflicht für nicht und an keiner Stelle mit dem Niederspannungsnetz verbundene Photovoltaik-Inselanlagen ist aus ihr mangels fehlendem Anwendungsbereich nicht abzulesen.

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

Gleiches gilt für das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), dessen Zweck noch viel weiter gefasst ist, wobei man Netzverträglichkeit sowie Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems aus § 1 Abs. 4 Nr. 3 als Begründung für den Verweis auf die VDE-Bestimmungen anerkennen kann. Doch auch hier geht es um das Energieversorgungssystem, das sich in den Energieversorgungsnetzen manifestiert. Tatbestände außerhalb der Netze sind nicht im Fokus des EnWG.

VDE-AR-N 4105 fokussiert keine Inselanlagen

Selbst die zurückgezogene Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2011-08 setzt sich als Anwendungsbereich im Kapitel 1 die Planung, die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Erzeugungsanlagen, die an das Niederspannungsnetz eines Netzbetreibers angeschlossen und parallel mit dem Netz betrieben werden (Netzanschlusspunkt im Niederspannungsnetz). Wird die Anlage nun nicht an das Niederspannungsnetz des Netzbetreibers angeschlossen, sondern von diesem unabhängig und autark betrieben, so ist die Anwendungsregel eben gerade nicht anzuwenden.

Dies wird umso deutlicher, wenn man das Kapitel 4 betrachtet, in dem es um unzulässige Rückwirkungen auf das Netz oder andere Kundenanlagen geht. Mangels Verbindung zum übrigen Netz kann es solche Rückwirkungen von Inselanlagen nicht geben. Sie verweist weiter auf die TAB 2007, bei denen bereits festzustellen war, dass Photovoltaik-Inselanlagen dort nicht erfasst sind.

In der VDE-AR-N 4105:2018-11 sind bei gleichem Anwendungsbereich nun auch die Notstromaggregate genannt, die zur Synchronisierung im Kurzzeitparallelbetrieb parallel zum öffentlichen Netz betrieben werden (siehe hierzu TAB 2019 sowie auch VDE-AR-N 4100:2019-04). Reine Inselanlagen ohne Verbindung zum VNB-Netz sind erneut nicht erfasst.

Fazit: Keine Meldepflicht für PV-Inselanlagen

Photovoltaik-Inselanlagen ohne irgendeine Verbindung zum öffentlichen Niederspannungsnetz sind gegenüber dem Versorgungsnetzbetreiber (VNB) nicht anmeldepflichtig. Ein diesen Wunsch begründender Anspruch kann nicht festgestellt oder hergeleitet werden. Dazu hätten die Anlagen in den Anwendungsbereichen ausdrücklich genannt werden müssen.

aktualisiert Juni 2022

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  • Autor:

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.

    EABCon-Ingenieurbüro Klar - Consulting Elektrotechnik - Arbeitsschutz - Betriebsorganisation

    Markus Klar

    Markus Klar ist langjähriger, ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Gera, seit 2011 am Landesarbeitsgericht Thüringen und als Autor und freiberuflicher Ingenieur mit dem Schwerpunkt rechtssichere Betriebsorganisation, Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beratend tätig.

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Kommentare

Kommentar von Thore Kirks |

Wenn man eine InselAnlage betreibt, dann erstellt ja der InselWechselrichter das 230V Netz. Diese beiden Netze dürfen technisch gesehen nicht aufeinander treffen. Machen sie das, endet das mit ein paar Funken und der Wechselrichter ist wahrscheinlich hin. Ist die Batterie nun leer könnte man mit einer Netzvorrangschaltung weiterhin die Verbraucher mit Netzstrom versorgen. In diesen Moment Existiert die InselAnlage faktisch nicht. Da sie ja kein Strom hat ist die InselAnlage ausgeschaltet. Ich sehe da keine Unmittelbare Verbindung. Diese Art von Inselnetz benutzen 1000sende Camper aktiv ohne Probleme. Wo soll genau will jetzt der Netzbetreiber ein Problem sehen? Ein einspeisen ist so technisch unmöglich. Ein Netzladen der Akkus funktioniert so auch nicht.

Kommentar von Jörg |

noch ein Text
Ein mittelbarer Anschluss besteht, „wenn die lokale Leitungsstruktur, in die die […] Stromerzeugungsanlage eingebunden ist oder Strom bezieht, zwar selbst kein Netz der allgemeinen Versorgung darstellt, aber ihrerseits – unmittelbar oder mittelbar – mit dem Netz der allgemeinen Versorgung verbunden ist. Bei einer solchen lokalen Infrastruktur, die einen mittelbaren Anschluss an ein Netz der allgemeinen Versorgung vermittelt, kann es sich beispielsweise um eine Kundenanlage, eine Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung oder ein Verteilernetz, das nicht der allgemeinen Versorgung dient, handeln.“

Kommentar von Jörg |

Ein Beitrag ist wohl nicht durch.. Deshalb in Kürze....
Das negative Tatbestandsmerkmal, dass die Person des Eigenversorgers weder unmittelbar noch mittelbar an ein Netz angeschlossen sein darf, setzt im Kern voraus, dass der Eigenversorger weder zusätzlichen Strom aus dem Netz beziehen oder überschüssigen Strom in das Netz einspeisen kann. Die technische Möglichkeit zum Strombezug aus bzw. zur Stromeinspeisung in das Netz muss bereits ausgeschlossen sein unabhängig von der tatsächlichen Nutzung.

Kommentar von Jörg |

Nachtrag : Soweit meine Recherche: Den Netzbetreibern wurde das Monopol auf die Stromverteilung gesetzlich zugesprochen. Das gilt auch für die Verteilung in den eigenen 4 Wänden. Der Netzbetreiber muss jedermann Zugang zum Stromnetz gewähren EnwG. Im Gegenzug müssen alle Stromerzeugungsanlgen netzgekoppelt ausgeführt werden. Eine Insel ist dann eine Insel, wenn man den Stromliefervertrag kündigt und auch den Netzanschluss. Dabei wird der Zähler entfernt und auch die Leitung zwischen Zählerschrank und Hausanschlusskasten . Dann ist die räumliche Umgebung einer Insel hergestellt. Mann hat keine mittelbare oder unmittelbare Verbindung mehr weil man den Anschluss nicht nutzen kann oder könnte.

Kommentar von Fabian |

Hallo Jörg, ich habe das mit meinem Netzbetreiber geklärt, entscheidend ist nur, ob eine physikalische Verbindung vorliegt. Die von dir genannte Regelung ist hinfällig, da EEG2017 §61 im EEG 2023 gestrichen wurde. Das habe ich hier übrigens bereits ausgeführt. Grundlage für die Entscheidung der Clearingstelle war die entfallene Formulierung "2. wenn der Eigenversorger weder unmittelbar noch mittelbar an ein Netz angeschlossen ist". Entscheidend ist hier die Formulierung "Eigenversorger", im Gegensatz zu "Stromerzeugungseinheiten" im Mastr.

Kommentar von Jörg |

Hallo Fabian, genau das ist der Trugschluss. Hier müssen technische Möglichkeiten und bürokratische Bestimmungen getrennt behandelt werden. Eine technisch ausgeführte Inselanlage ist nicht zu verwechseln mit der bürokratischen definierten Umgebung die eine Inselanlage gesetzlich erfüllen muss. Dazu gibt es die EEG Clearingstelle die festggestellt hat was bürokratisch eine Inselanlage ist. Eine mittelbare Verbindung besteht bereits dann, wenn ein Stromanschluss an das öffentliche Netz vorhanden ist der benutzt werden könnte. Sobald mit einfachen Mitteln, z.B. mit einem Kabel eine Verbindung mit dem öffentlichen Netz hergestellt werden könnte, besteht eine mittelbare Verbindung und damit eine Anschlusspflicht. Eine Inselanlage ist z.B. dann, wenn der Netzbetreiber den Stromanschluss an das öffentliche Netz verweigert. Z.B. eine Almhütte wo man für einen einzigen Anschluss 10km Kabel verlegen müsste und damit für den Netzbetreiber unzumutbar ist.

Kommentar von Fabian |

Da hier immer wieder Marktstammdatenverordnung §5 erwähnt wird: Der Verordnung regelt explizit, dass Inselanlagen nicht gemeldet werden müssen: „Die Pflicht zur Registrierung nach den Absätzen 1, 3 und 4 Satz 1 entfällt bei Stromerzeugungseinheiten, Stromspeichern sowie EEG- und KWK-Anlagen, wenn sie weder unmittelbar noch mittelbar an ein Stromnetz angeschlossen sind oder an ein Stromnetz angeschlossen werden sollen …“

Eine Inselanlage ist der Definition nach nicht an ein Stromnetz angeschlossen, damit ist die gesamte Diskussion überflüssig. Dafür darf die Anlage nicht aus dem Netz geladen werden, dies würde einen mittelbaren Anschluss darstellen. Auch ein Umschalter zwischen Netz und Insel würden einen mittelbaren Anschluss darstellen.

EEG §9 enthält keinerlei auf ein Inselsystem anwendbare Vorgaben.

Kommentar von Jörg |

Stichwort ortsfeste PV - z.B. Dachanlagen
Mobile Anlagen auf WoMo sind nicht dabei

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