Sicheres Arbeiten auf Leitern: Das ist zu beachten
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Die Unfallversicherungsträger warnen immer wieder von einem allzu sorglosen Umgang mit Leitern. „Leitern werden oft falsch aufgestellt oder benutzt“, stellt die BGHW (Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik) fest. Die BGN (Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) spricht von einer „Mischung aus Unwissenheit, Gedankenlosigkeit, Bequemlichkeit und falscher Risikowahrnehmung.“ Dabei kann ein Sturz von der Leiter leicht vermieden werden, wenn man einige Punkte beachtet.
Ein Sturz von der Leiter kann zur Berufsunfähigkeit führen
Leiterunfälle machen knapp 3 Prozent aller Arbeitsunfälle aus. Das klingt nach wenig, doch sind die Unfallfolgen nach einem Leiterunfall oft schwerwiegend. Der Anteil der Leiterunfälle an den schweren Unfällen, die zu einer Rentenzahlung führen, liegt mit 12 Prozent mehr als viermal so hoch. Anders formuliert: Bei jedem achten Bezieher einer gesetzlichen Unfallrente in Deutschland hat ein Unfall beim Benutzen einer Leiter zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit geführt. Denn dabei kommt es oft zu komplizierten Brüchen von Armen, Beinen oder im Fußbereich mit bleibenden Behinderungen.
Bei einer Untersuchung von mehr als 3.000 Absturzunfällen mit Stehleitern stellte die BGN fest:
- Selten ist ein Defekt der Leiter schuld. 86 Prozent der Leiterunfälle waren verhaltensbedingt.
- Nicht immer sind es große Höhenunterschiede. Bei 4 von 5 Leiterunfällen stürzten Mitarbeiter aus weniger als 2 Metern ab. Bei mehr als jedem dritten Leiterunfall war die Absturzhöhe sogar kleiner als 1 Meter.
Diese 5 Anforderungen muss jeder Betrieb vor dem Einsatz von Leitern erfüllen
Leitern dürfen nur verwendet werden:
- bei Vorliegen einer Gefährdungsbeurteilung.
- mit geeigneten Sicherheitsinformationen für den Benutzer (Betriebsanleitung, Betriebsanweisung, Arbeitsanweisung).
- wenn die Prüfung der Leiter gemäß Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) organisiert ist.
- wenn die fachgerechte Reparatur und Wartung sichergestellt ist.
- wenn eine Unterweisung der Mitarbeiter zur sicheren Verwendung erfolgt ist.
Ein Arbeitgeber muss seinen Beschäftigten geeignete und sichere Arbeitsmittel zur Verfügung stellen. Gerade bei Leitern ist auf Qualitätsunterschiede zu achten. Eine Haushaltsleiter aus dem Baumarkt mag genügen, um Gardinen aufzuhängen, wird aber kaum den beruflichen Anforderungen etwa auf einer Baustelle genügen.
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Unterweisung: VDE 1000-10 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“
Gefährdungsbeurteilung und Auswahl des geeigneten Arbeitsmittels
Eine Gefährdungsbeurteilung sollte alle typischen und absehbaren Arbeitssituationen erfassen. In der Gefährdungsbeurteilung werden die Gefährdungen ermittelt und geeignete Schutzmaßnahmen festgelegt. Für spezielle Einsätze in besonderen Bereichen muss das Verfahren erneut durchgeführt und die Gefährdungsbeurteilung ergänzt werden, z.B. beim Einsatz von Leitern in Ex-Bereichen.
Grundsätzlich gilt: Für Arbeiten an hoch gelegenen Stellen ist das sicherste, wirtschaftlich angemessene Arbeitsmittel zu wählen. Dies bedarf einer Abwägung. Eine Leiter ist keineswegs eine „Allzweckwaffe“ für jede Situation, in der ein Mitarbeiter in der Höhe arbeiten muss. Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) gibt in Anhang 1, Abschnitt 3.1.4 dazu vor, dass eine Leiter nur in solchen Fällen als hoch gelegener Arbeitsplatz zulässig ist, in denen
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„wegen der geringen Gefährdung und wegen der geringen Dauer der Verwendung die Verwendung anderer, sichererer Arbeitsmittel nicht verhältnismäßig ist und
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die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass die Arbeiten sicher durchgeführt werden können“.
Sind diese Kriterien nicht erfüllt, ist auf andere Lösungen wie Fahrgerüste oder Hubbühnen mit Arbeitskorb auszuweichen. Eine Standardliste mit Tätigkeiten, bei denen eine Leiter erlaubt oder verboten ist, gibt es nicht. Dafür sind die Arbeitssituationen zu unterschiedlich. Gefragt ist die Eigenverantwortung der Betriebe.
In der DGUV Information 208-016 „Die Verwendung von Leitern und Tritten“ gibt es weitere nützliche Hinweise, auf welche Aspekte bei der Gefährdungsbeurteilung und der Auswahl des geeigneten Arbeitsmittels geachtet werden sollte:
- Gibt es Hilfsmittel, die den Leitereinsatz überflüssig machen?
- Ist der Kraftaufwand der Tätigkeit so hoch, dass er die Leiter zum Kippen bringen könnte?
- Kann der Mitarbeiter stets mit beiden Füßen auf der Sprosse stehen?
- Kann er seine Aufgabe erledigen, ohne sich weit zur Seite beugen zu müssen?
- Wiegen die mitzuführenden Gegenstände (Werkzeuge, Material) nicht mehr als 10 kg?
- Sind die Arbeiten (bei mehr als 2 Meter Höhe) innerhalb von 2 Stunden zu erledigen?
Benutzerinformationen oder Bedienungsanleitung
Jede Leiter sollte mit Benutzerinformationen zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der jeweiligen Leiter gemäß DIN EN 131-3:2018-03 „Leitern – Teil 3: Kennzeichnung und Gebrauchsanleitungen“ geliefert werden. Diese Benutzerinformation (Bedienungsanleitung, Gebrauchsleitung) muss im Betrieb vorhanden und jedem Benutzer der Leiter zugänglich sein.
Betriebsanleitungen moderner Leitern bestehen meist aus Piktogrammen, welche
- den sicheren Einsatz illustrieren,
- die Belastungsgrenzen angeben und
- aufzeigen, wie die Leiter nicht verwendet werden soll.
Diese Piktogramme sollten gemäß DIN EN 131-3 dauerhaft auf der Leiter angebracht sein. Sind sie durch den Leitergebrauch nicht mehr erkennbar, sollten Sie für Ersatz sorgen.
Betriebsanweisung
Von der Betriebsanleitung (Benutzerinformation) zu unterscheiden ist die Betriebsanweisung. Diese wird nicht vom Leiterhersteller geliefert, sondern ist bei Bedarf vom Arbeitgeber zu erstellen. Für Betriebsanweisungen gilt:
- Sie müssen in Schriftform vorliegen und sollten die wichtigsten Sicherheitsaspekte kompakt zusammenfassen.
- Sie sollten so formuliert sein, dass sie von allen Mitarbeitern gut verstanden werden können.
- Sie haben kein Ablaufdatum und gelten unbegrenzt. Das bedeutet, dass sie ggf. aktualisiert werden müssen.
Betriebsanweisungen für Leitern sind gemäß dem im Arbeitsschutz üblichen Standard in der Regel in Blau gehalten und bestehen aus folgenden Abschnitten: Anwendungsbereich, Gefahren, Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen, Verhalten bei Unfällen, Erste Hilfe und Instandhaltung.
Arbeitsanweisung
Bei einer Arbeitsanweisung steht die sichere Durchführung einer Tätigkeit – in dem Fall das Arbeiten auf Leitern – im Vordergrund. Sie enthält neben Hinweisen auf den Arbeitsablauf auch persönliche, organisatorische und technische Schutzmaßnahmen. Die Arbeitsanweisung gilt für den jeweils genannten Arbeitsablauf und ist meist mit dem Arbeitsauftrag verknüpft.
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- Gefährdungsbeurteilungen
Die regelmäßige Prüfung von Leitern ist Pflicht
Jede Leiter gilt als Arbeitsmittel im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber sicherstellen muss, dass alle in seinem Betrieb verwendete Leitern wiederkehrend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden. Die vom Arbeitgeber damit beauftragte Person muss mit den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften, Normen usw. zur Verwendung von Leitern vertraut sein. Die Prüffristen richten sich nach der Häufigkeit, mit der eine Leiter benutzt wird, wie sehr sie dabei beansprucht wird und ob bereits Mängel vorlagen. In der Regel sollte die Prüfung spätestens alle 12 Monate erfolgen und sorgfältig dokumentiert werden.
Hinweis zu Prüfplaketten: Hersteller von Etiketten und Kennzeichnungssystemen bieten Prüfplaketten für Leitern an. Das Anbringen dieser Plaketten ist nicht zwingend vorgeschrieben. Kann auf andere Weise sichergestellt werden, dass jede Leiter regelmäßig geprüft wird, ist das zulässig. Je größer der Bestand an Leitern in Ihrem Unternehmen ist, desto sinnvoller ist es jedoch, sich durch die Farbcodierung solcher Plaketten die Übersicht über den Prüfstatus zu erleichtern und keine Termine zu versäumen.
Beim Verwenden von Prüfplaketten an Leitern ist Folgendes zu beachten:
- Eine Prüfplakette darf nur angebracht werden, wenn bei der Leiter keine sicherheitsrelevanten Mängel vorliegen.
- Bei einem Wechsel des Anbieters ist darauf zu achten, dass die verwendeten Jahresfarben sich von Hersteller zu Hersteller unterscheiden können. Ein Nebeneinander unterschiedlicher Kennzeichnungssysteme sollte vermieden werden.
- Werden Prüfplaketten verwendet, sollte stets das Datum der nächsten Prüfung angegeben sein.
- Eine Prüfplakette entbindet den Leiterbenutzer nicht von der Pflicht, die Leiter vor dem Benutzen auf augenscheinliche Mängel zu checken, bei einem Defekt aus dem Verkehr zu ziehen und den Vorgesetzten zu informieren.
Reparatur und Wartung
Sämtliche Reparaturen an einer Leiter und andere Wartungsarbeiten dürfen nur von einer sachkundigen Person vorgenommen werden. Diese muss gemäß den Anleitungen des Herstellers vorgehen und dessen Sicherheitshinweise beachten. Eigenmächtige Reparaturen sind nicht zulässig. Der Vorgesetzte sollte jedwede Improvisationen von Mitarbeitern zum vermeintlichen Beheben von Defekten konsequent unterbinden. Dies ist nicht nur aus Gründen der Unfallprävention geboten. Jede Führungskraft sollte sich bewusst sein, dass die betrieblichen Folgekosten durch einen Leiterunfall die Kosten für den Neukauf einer Leiter meist deutlich übersteigen.
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