Intelligente Gebäudeautomation zur Steigerung der Energieeffizienz in Industriebauten

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Gebäudeautomation in Industriebauten
Die Umsetzung der Vorgaben zur Gebäudeautomation fällt in den Verantwortungsbereich der Elektrofachkraft. © B4LLS/iStock/Getty Images Plus

Industriebauten stehen im Fokus aktueller Klimaschutzpolitik, da sie in der Europäischen Union einen erheblichen Anteil am Energieverbrauch und an den Treibhausgasemissionen verursachen. Rund 36 Prozent der energiebedingten Emissionen in der EU entfallen auf den Gebäudesektor, davon über ein Viertel allein auf den Betrieb von Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung (www.vdma.eu). Um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, wurden auf europäischer und nationaler Ebene verbindliche Regelungen zur Gebäudeautomation geschaffen.

Die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD) in der Fassung von 2024 schreibt ab dem Jahr 2030 die verpflichtende Ausstattung aller Nichtwohngebäude mit Gebäudeautomation vor, sofern deren Anlagen eine Nennleistung von mehr als 70 kW erreichen (https://eur-lex.europa.eu).

Bereits seit Januar 2025 gilt in Deutschland § 71a Gebäudeenergiegesetz (GEG), wonach alle Industrie- und Verwaltungsbauten mit einer Nennleistung der Heizungs-, Lüftungs- oder Klimaanlagen über 290 kW verpflichtend mit Automationssystemen auszustatten sind (www.gesetze-im-internet.de). Diese Schwelle betrifft vor allem große Produktionshallen, Lager- und Logistikgebäude sowie energieintensive Betriebsstätten. Mit der geplanten Absenkung auf 70 kW im Zuge der EPBD werden künftig nahezu alle Industriegebäude unter diese Vorgaben fallen.

Hilfsmittel zur Bewertung der Gebäudeautomation

Für die technische Bewertung sind mehrere Normen maßgeblich. Die DIN EN 15232, inzwischen als DIN EN ISO 52120 „Energieeffizienz von Gebäuden – Beitrag von Gebäudeautomation und Gebäudemanagement“ geführt, beschreibt den Einfluss der Gebäudeautomation auf die Energieeffizienz und ordnet Systeme in vier Effizienzklassen von A bis D ein.

  • Klasse A steht für hochgradig vernetzte, adaptive Systeme mit Einsparungen von bis zu 40 Prozent,
  • Klasse B für fortgeschrittene Systeme mit rund 20 Prozent Einsparung,
  • Klasse C für einfache Standardregelungen mit etwa 10 Prozent Einsparung und
  • Klasse D für nicht automatisierte Gebäude, die keine Effizienzgewinne erzielen (www.igt-institut.de/geg).

Die DIN V 18599-1:2018-09 „Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 11: Gebäudeautomation“ ergänzt diese Klassifizierung durch die Beschreibung von Automatisierungsgraden und bildet die Grundlage für die Förderfähigkeit im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG).

Ergänzend hat die EU den Smart Readiness Indicator (SRI) eingeführt. Dieses Instrument bewertet die digitale Reife eines Gebäudes und berücksichtigt neben der Energieeffizienz auch Kriterien wie Innenraumluftqualität, thermischen Komfort und die Fähigkeit, flexibel auf externe Signale des Energiemarkts zu reagieren (https://energy.ec.europa.eu/). Für Industriebauten bedeutet das, dass Gebäudeautomation künftig nicht nur Pflicht zur Energieeinsparung ist, sondern auch zur Qualitätssicherung und zur Teilnahme an künftigen Flexibilitätsmärkten.

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Rolle und Verantwortung der Elektrofachkraft

Die Umsetzung dieser Vorgaben erfordert die Expertise von Elektrofachkräften. Nach DGUV Vorschrift 3 gilt als Elektrofachkraft nur, wer durch Ausbildung, Erfahrung und Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen in der Lage ist, Arbeiten zu beurteilen und Gefahren sicher zu erkennen. Die DIN VDE 0105-100 legt fest, wie elektrische Anlagen betrieben werden müssen, und definiert das Vorgehen bei Arbeiten an oder in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen. Die DIN VDE 1000-10 beschreibt ergänzend die Anforderungen an alle im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen.

In Industriebauten umfasst die Verantwortung der Elektrofachkraft (EFK) die gesamte Kette von der

  • Installation der Sensorik auf der Feldebene über die
  • Programmierung und Parametrierung von Steuerungen auf der Automationsebene bis hin zur
  • Integration in zentrale Managementsysteme.

Dabei trägt sie nicht nur die Verantwortung für die technische Funktionsfähigkeit, sondern auch für die normgerechte Dokumentation und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. In der betrieblichen Organisation nimmt die verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) eine besondere Stellung ein:

  • Sie hat Fach- und Führungsverantwortung,
  • trifft die Auswahlentscheidung für das Personal und
  • sorgt für die regelmäßige Überprüfung der Qualifikation.

Elektrofachkräfte für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT) dürfen definierte Aufgaben eigenständig ausführen, während elektrotechnisch unterwiesene Personen (EuP) stets unter Aufsicht arbeiten müssen.

Die Verantwortung geht über klassische Aufgaben hinaus. Gebäudeautomation ist in Industriebauten heute auch Teil der Energie- und Klimastrategie. Damit wird die Elektrofachkraft zu einem Schlüsselfaktor nicht nur für die Anlagensicherheit, sondern auch für die Dekarbonisierung des Betriebs.

Technische Strukturen und Kommunikationssysteme

Die Architektur der Gebäudeautomation gliedert sich in drei Ebenen.

  1. Auf der Feldebene erfassen Sensoren Daten wie Temperatur, Luftfeuchte, CO₂-Konzentration, Helligkeit oder Anwesenheit. Aktoren setzen die Steuerbefehle in konkrete Maßnahmen um, etwa durch das Regeln von Ventilen, Dimmen von Beleuchtung oder Steuern von Verschattungselementen.
  2. Auf der Automationsebene laufen die Daten zusammen, werden verarbeitet und in Stellbefehle übersetzt. Hier ist Interoperabilität entscheidend, da Systeme verschiedener Hersteller miteinander kommunizieren müssen.
  3. Die Managementebene schließlich dient der Analyse, Optimierung und Überwachung. Sie ermöglicht eine kontinuierliche Protokollierung, die im GEG für Anlagen über 290 kW vorgeschrieben ist.

Die Kommunikationsprotokolle sind vielfältig. KNX, BACnet, Modbus, LON und DALI sind etablierte Standards, hinzu kommen moderne Lösungen wie LoRaWAN für großflächige Industrieareale, Sub-GHz-Technologien für lange Reichweiten oder Wi-Fi und Bluetooth Low Energy für IoT-Integration. Fehlende Interoperabilität ist einer der Hauptgründe, warum Systeme in der Praxis nicht die erwartete Effizienz erreichen. Für Elektrofachkräfte ergibt sich daraus die Aufgabe, heterogene Systeme zu einem einheitlichen Gesamtsystem zu verbinden und Insellösungen zu vermeiden.

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Einsparpotenziale und Fallbeispiele

Die theoretischen Einsparpotenziale sind in der DIN EN ISO 52120 hinterlegt. Der Wechsel von Automationsklasse C zu A ermöglicht in industriellen Verwaltungs- und Produktionsgebäuden Einsparungen von bis zu 19 Prozent bei der thermischen Energie und 13 Prozent bei der elektrischen Energie (www.dena.de). Ein Wechsel von C zu B bringt immerhin noch rund 12 Prozent Einsparung bei der thermischen Energie.

Praxisbeispiele aus deutschen Industriebauten belegen diese Werte. In einer großflächigen Liegenschaft konnten Heizenergieeinsparungen von bis zu 30 Prozent dokumentiert werden (www.dena.de). In anderen Projekten mit integrierter Gebäudeautomation wurden sogar 50 Prozent Einsparungen bei der Heizwärme und bis zu 20 Prozent bei der elektrischen Energie erreicht (https://gei.igt-institut.de). Diese Zahlen zeigen, dass die in der Norm kalkulierten Werte eher konservativ sind.

Für die Gesamtbilanz im Gebäudesektor sind die Potenziale erheblich. Laut Bitkom-Studie lassen sich bis 2030 durch digitale Gebäudeautomation zwischen 8,3 und 14,7 Millionen Tonnen CO₂ jährlich einsparen (www.bitkom.org). Das entspricht bis zu 30 Prozent des Reduktionsziels des Klimaschutzgesetzes im Gebäudebereich.

Rebound- und Preboundeffekte

Bei allen Vorteilen müssen auch Einschränkungen berücksichtigt werden. Preboundeffekte treten auf, wenn der tatsächliche Energieverbrauch vor der Sanierung niedriger ist als angenommen, wodurch die kalkulierten Einsparungen geringer ausfallen. Reboundeffekte entstehen, wenn nach einer Sanierung oder Modernisierung aufgrund gesunkener Betriebskosten die Nutzung intensiviert wird und dadurch ein Teil der Effizienzgewinne verloren geht. Hinzu kommt das Risiko von Bedienfehlern. Ein unzureichendes Verständnis der Technik kann dazu führen, dass Anlagen nicht optimal betrieben werden. Deshalb ist eine frühzeitige Einbindung und Schulung der Nutzer zwingend erforderlich, um die vorgesehenen Einsparungen tatsächlich zu erreichen.

Planung, Betrieb und Nachrüstung

Industriebauten weisen oft veraltete oder unzureichend konfigurierte technische Anlagen auf. Nach Schätzungen des Umweltbundesamts sind bis zu 50 Prozent der Energiekosten solcher Gebäude auf falsch eingestellte Klima- und Lüftungsanlagen zurückzuführen (www.umweltbundesamt.de). Gebäudeautomation setzt genau an diesem Punkt an und ermöglicht durch engmaschige Mess- und Zählkonzepte eine transparente Analyse. Elektrofachkräfte installieren Sensoren, konfigurieren Monitoringsysteme und sorgen dafür, dass Soll-Ist-Vergleiche möglich sind. Auf dieser Grundlage lassen sich Ineffizienzen wie gleichzeitiges Heizen und Kühlen oder unnötiger Dauerbetrieb erkennen und beseitigen.

Ein wesentlicher Vorteil moderner Systeme ist die Möglichkeit zur minimalinvasiven Nachrüstung. Funkbasierte Sensoren, batterielose Messgeräte und digitale Plattformen können ohne großen baulichen Eingriff integriert werden. So lassen sich bestehende Industriegebäude aufrüsten, ohne den Betrieb stark zu beeinträchtigen. Für Elektrofachkräfte bedeutet dies neue Aufgaben in der Parametrierung, in der Absicherung der Datenkommunikation und in der kontinuierlichen Wartung.

Wartungs- und Störungsmanagement sind zentrale Bausteine eines effizienten Betriebs. Systeme müssen nicht nur installiert, sondern dauerhaft überwacht und regelmäßig optimiert werden. Ein kontinuierliches Monitoring ermöglicht die Früherkennung von Störungen und verlängert die Lebensdauer der Anlagen.

Wirtschaftlichkeit und Fördermöglichkeiten

Die volkswirtschaftliche Betrachtung zeigt den klaren Nutzen. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags beziffert die Investitionskosten für die Umsetzung der Gebäudeautomation in Nichtwohngebäuden auf 13,8 Milliarden Euro, während die Einsparungen bei knapp 40 Milliarden Euro über 15 Jahre liegen. Die konservative Amortisationszeit wird mit 5,2 Jahren angegeben, in der Praxis liegt sie häufig bei zwei bis drei Jahren.

Förderprogramme bieten zusätzliche Anreize. Die Bundesförderung für effiziente Gebäude sieht Zuschüsse von bis zu 20 Prozent für digitale Automationsmaßnahmen vor, darunter Raumtemperaturregelungen, Lüftungsautomation und Energiemonitoring. Die KfW bietet ergänzend Programme für die Sanierung von Industriegebäuden an. Regionale Förderprogramme und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten verstärken die Wirtschaftlichkeit. Elektrofachkräfte sind hier häufig eingebunden, da sie die technischen Nachweise für die Förderfähigkeit erstellen müssen.

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Zukunftsperspektiven

Die Entwicklung der Gebäudeautomation geht über die reine Energieeinsparung hinaus. Gebäude werden zunehmend zu aktiven Elementen im Energiesystem. Sie integrieren Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität und können durch intelligente Regelung Lastspitzen ausgleichen. Mit der Einführung des Smart Readiness Indicator werden zudem Aspekte wie Innenraumluftqualität, Nutzerkomfort und digitale Reife bewertet. Industriegebäude, die hohe Automationsgrade erreichen, verbessern nicht nur ihre Energiebilanz, sondern auch ihre Markt- und ESG-Bewertungen.

Die zunehmende Digitalisierung bringt neue Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenintegrität. Cloudbasierte Systeme und IoT-Architekturen bieten große Chancen, eröffnen aber auch Angriffsflächen. Cybersecurity wird damit zu einem unverzichtbaren Aufgabenfeld für Elektrofachkräfte, die für die sichere Integration und den Schutz der Systeme verantwortlich sind.

Fazit

Gebäudeautomation ist in Industriebauten nicht länger eine Option, sondern ein verbindlicher Bestandteil des technischen Gebäudebetriebs. Sie wird durch europäische und nationale Gesetzgebung vorgeschrieben, durch Normen strukturiert und durch Förderprogramme wirtschaftlich unterstützt. Dokumentierte Einsparungen von bis zu 50 Prozent an thermischer Energie und 20 Prozent an elektrischer Energie in Industriegebäuden belegen den Nutzen. Für Elektrofachkräfte eröffnet sich ein komplexes Tätigkeitsfeld, das klassische Elektrotechnik, IT-Kompetenz und normative Fachkenntnis vereint. Sie tragen Verantwortung für die sichere, rechtskonforme und effiziente Umsetzung und sind damit unverzichtbare Akteure für die Energiewende in der Industrie.

  • Autor:

    Thomas Joos

    freiberuflicher Publizist

    Joos, Thomas

    Thomas Joos ist freiberuflicher Publizist und veröffentlicht neben seinen Büchern auch Artikel für verschiedene Medien wie dpa, Computerwoche und C’t.

    Seit seinem Studium der medizinischen Informatik berät er auch Unternehmen im Bereich IT, Security und Absicherung von Rechenzentren.

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