Lose Anschlussklemmen in Verteilern?
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Frage aus der Praxis
Kann der Anschluss zu- und abgehender Leitungen in Verteilern auch mit losen Anschlussklemmen erfolgen? Befürworter dieser Lösung führen als Argument an, dass in Abzweigdosen ja auch lose Anschlussklemmen eingesetzt werden dürfen und hier wie dort mit Erschütterungen und Belastungen zu rechnen ist, denen lose Klemmen doch standhalten. Sind lose Klemmen in Verteilern generell unzulässig und wie ist das zu begründen? Gibt es Ausnahmefälle?
Antwort des Experten
Lose Klemmen sind stets Verbindungsklemmen
Zum lösbaren Anschluss elektrischer Leiter an Geräten und/oder Maschinen werden Anschlussklemmen, zum lösbaren Verbinden der blanken Enden von Leitern dagegen Verbindungsklemmen verwendet. Es gibt dafür zwar keine genormte Begriffsdefinition. Aus der Titelüberschrift zu DIN VDE 0606-1 „Dosen und Gehäuse für Installationsgeräte für Haushalt und ähnliche ortsfeste elektrische Installationen“ lässt sich aber entnehmen, dass es sich bei den Klemmen zum Verbinden von Leitern stets um Verbindungsklemmen handelt.
Dieser prinzipielle Unterschied schließt nicht aus, dass Anschlussklemmen an Betriebsmitteln als Verbindungsklemmen ausgelegt sein können und oftmals auch dafür ausgelegt sind, sodass an eine Klemme eines Betriebsmittels weitere Leitungsadern angeschlossen werden können.
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Anschlussklemmen
Anschlussklemmen sind Bestandteil des anzuschließenden Betriebsmittels und mit diesem fest verbunden. Eine lose Anschlussklemme, von der in der Frage die Rede ist, kann es für einen Anlagenerrichter demzufolge nicht geben. Lediglich Sammelschienen-Anschlussklemmen bilden hier eine Ausnahme. Die Sammelschiene als Halbzeug dient aber auch wie eine Zuleitung zur Stromübertragung und ist mit der Klemme zu einer Einheit zusammengefügt. Bei den losen Klemmen, die gemäß Fragestellung vorgesehen werden sollen, handelt es sich also um Verbindungsklemmen.
Verbindungsdosen und Verteiler nur bedingt vergleichbar
Abgesehen von Geräte- und Geräteverbindungsdosen dienen Verbindungs- oder Abzweigdosen und -kästen ausschließlich zur Herstellung von Leitungsverbindungen. Als Klemmen, ganz gleich ob sie nun fest eingebaut oder lose beigefügt sind, werden Verbindungsklemmen verwendet. Sie sind in jedem Fall zugänglich.
In Verteilern oder Niederspannungsschaltgerätekombinationen ist je nach Größe eine Vielzahl von Schalt- und Schutzeinrichtungen und darüber hinaus von zusätzlichen fest angeordneten Klemmen untergebracht.
Lose Klemmen in Verbindungsdosen vorteilhaft
Bei Verwendung loser Klemmen wird es nicht als besondere Behinderung empfunden, wenn sie in Verbindungsdosen übereinander angeordnet sind. Eine sachgemäße Montage vorausgesetzt, sind zwischen den Klemmen Spannungsübertritte auszuschließen. Wartung und Prüfung werden nicht behindert und beim Einsatz loser Klemmen sogar erleichtert.
Trotzdem sind auch in Abzweigdosen und -kästen lose Verbindungsklemmen nur für Leiterquerschnitte von 1,5 mm2 bis 4 mm2 zulässig. Um eine sachgemäße Montage zu sichern und einer unzulässigen Erwärmung vorzubeugen, ist durch Vorgabe von Klemmenraumeinheiten die zulässige Zahl der Klemmen und Leitungsadern begrenzt. Da die Anschlüsse an Schaltern und Steckdosen in der Regel als Verbindungsklemmen ausgelegt sind, ist es dort möglich, zusätzlich Leitungsadern für die Weiterführung anzuschließen.
Downloadtipps der Redaktion
Checkliste: Sichere Kabel- und Leitungsanlagen
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Prüfnachweis: RCDs
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Prüfprotokoll: Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD)
In Verteilern müssen Klemmen leicht zugänglich sein
Die an Schalt- und Steuereinrichtungen, Leitungsschutzschaltern, RCDs (Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen) und anderen Einbaugeräten vorhandenen Anschlussklemmen müssen zur Gewährleistung der Sicherheit, zur Bedienung, Durchführung von Wartungsarbeiten und Inspektionen übersichtlich, leicht zugänglich und den Stromkreisen zugeordnet sein. Sie müssen sich auch leicht lösen lassen. Das gilt auch für die Leitungsanschlüsse an den Neutralleiter- und Schutzleiterschienen, die ebenfalls ortsfest sind, auch wenn sie mit wenigen Handgriffen aus ihrer Halterung entnommen werden können.
Vor allem in Installationsverteilern in Wohngebäuden und ähnlich gelagerten Einrichtungen erfolgt der Anschluss der zu- und abgehenden Leitungen direkt an den Anschlussklemmen der Einbaugeräte. In größeren Schaltgerätekombinationen sowie Schalt- und Steueranlagen ist es dagegen üblich, zusätzlich fest eingebaute Klemmen, an Sammelschienen z. B. Sammelschienen-Anschlussklemmen, vorzusehen. Das gilt in gleichem Maß für die Abgänge zu anderen Verteilern und den Verbrauchern.
Nachteile loser Klemmen in Verteilern
Mit den fest eingebauten Anschluss- und Verbindungsklemmen ist das auch nach mehrfachen Wartungsarbeiten und gegebenenfalls vorgenommenen Erweiterungen noch zu gewährleisten. Wer kann aber beim Einsatz loser Klemmen noch für die Sicherheit garantieren?
Sie sind ja in ihrer Lage nicht fixiert und damit den Zu- und Abgängen nur schwer zuzuordnen. Es ist leicht vorstellbar, dass eine Klemme mal unter einem Einbaugerät oder einer Hutschiene verborgen bleibt und sich damit der Prüfung entzieht. Eine Beschriftung und Kennzeichnung lässt sich zudem ohnehin nicht gewährleisten.
Zwar wirken sich auch Erschütterungen und Belastungen durch das Eigengewicht aus, sie sind aber kein entscheidendes Kriterium für einen Verzicht auf derartige Klemmen. Schon eher kann sich das Biegen der Leiter bei der Suche der Klemmen im Zuge von Wartungsarbeiten negativ auswirken.
Wenn möglicherweise auch die vollständige Klemmenisolierung nicht voll gewährleistet ist, dann lassen sich auch Körperschlüsse nicht ausschließen. Bei größeren Kurzschlussströmen können in speziellen Fällen gegebenenfalls auch dynamische Wirkungen eintreten.
Wichtige Festlegungen in Errichtungsnormen
In DIN VDE 0100-520:2023-06 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ wird für Klemmen und Leiterverbindungen u. a. festgehalten, dass
- für die Instandhaltung ein sicherer und angemessener Zugang zu allen Teilen der Kabel- und Leitungsanlage sicherzustellen ist,
- wenn mehrere Stromkreise in einer Verbindungsdose enden, die Klemmen für jeden Stromkreis durch isolierende Trennwände innerhalb der Verbindungsdose abgeteilt werden müssen, außer bei Verwendung von Verbindungsmaterial nach der Normenreihe DIN EN 60998 (VDE 0613) und Reihenklemmen nach der Normenreihe DIN EN 60947-7 (VDE 0611),
- falls erforderlich Vorkehrungen getroffen werden müssen, dass im ungestörten Betrieb auftretende Temperaturen an den Klemmen nicht die Wirksamkeit der Isolierung der angeschlossenen Leiter oder der Befestigungsmittel mindern können,
- Dosen und Gehäuse für Installationsmaterial, z. B. Verbindungsdosen zur Unterbringung von Klemmen, Steckdosen oder Schaltern, den Anforderungen nach der Normenreihe DIN EN 60670 (VDE 0606) entsprechen müssen und
- zum Schutz gegen Abspleißen und Abquetschen einzelner Drähte von mehr-, fein- und feinstdrähtigen Leitern geeignete Klemmen verwendet oder die Leiterenden besonders vorbereitet werden müssen.
Praxistipp
Das Verlöten des gesamten Leiterendes von mehr-, fein- und feinstdrähtigen Leitern ist zulässig, wenn geeignete Klemmen verwendet werden.
Bezüglich der Leiterverbindungen schreibt die DIN VDE 0100-520 „Errichten von Niederspannungsanlagen“ vor, dass elektrische Verbindungen (Betriebsmittelanschlüsse und Leiterverbindungen) in geeigneten Umhüllungen erfolgen müssen, bspw. in Ausgangsdosen oder in Betriebsmitteln, wenn vom Hersteller zu diesem Zweck Raum vorgesehen wurde. In diesem Fall müssen Betriebsmittel mit fest montiertem Verbindungsmaterial oder Möglichkeiten zur Befestigung von Verbindungsmaterial verwendet werden.
Achtung
Die Leiter von Endstromkreisen müssen grundsätzlich in einer Umhüllung enden.
Autoren: Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider; Dipl.-Ing. H. Senkbeil
Beitrag aus dem Jahr 2014, aktualisiert im Oktober 2024
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Kommentare
Kommentar von docarthur |
Sehr schöne ausführliche Erklärung mit gut hinterlegter Begründung. Gut nachvollziehbare Interpretation der VDE.
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