PV-Anlage: Stromunfall durch nicht entladenen Kondensator

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Jede Photovoltaikanlage (PV-Anlage) ist eine elektrische Anlage, somit drohen Stromgefahren.
Jede Photovoltaikanlage (PV-Anlage) ist eine elektrische Anlage, somit drohen Stromgefahren. (Bildquelle: keithpix/iStock/Getty Images)

Photovoltaik boomt. Und das nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern auch in vielen anderen Ländern, wie beispielsweise China oder Indien. Gerade vor dem Hintergrund der Klimadebatte und der „Fridays for Future“-Bewegung eine gute Nachricht. Denn Photovoltaikanlagen tragen durch die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie dazu bei, dass fossile Ressourcen wie Kohle und Öl gespart werden. Dadurch wird auch klimaschädliches Kohlendioxidgas (CO2) eingespart. Doch wie an allen elektrischen Anlagen, drohen auch an Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) die Gefahren des elektrischen Stroms. Das zeigt auch der folgende Elektrounfall.

Was passierte bei den Arbeiten an einer PV-Anlage?

An den bereits installierten Wechselrichtern einer Solaranlage sollte nachträglich noch eine Datenleitung installiert werden. Eine solche Leitung kann beispielsweise dazu genutzt werden, um die Photovoltaikanlage zu überwachen und Fehlfunktionen zu erkennen.

Die Wechselrichter waren von der Netzseite getrennt. Der mit der Installation der Datenleitung beauftragte Mitarbeiter trennte die Stromzufuhr von den Photovoltaik-Elementen, indem er den DC-Schalter in Stellung „0“ brachte. Die Photovoltaikanlage befand sich also im freigeschalteten Zustand.

Nun wollte der Mitarbeiter die Datenleitung an die Anschlusselemente anbringen. Dabei kam es zum Stromunfall: Er bekam trotz der freigeschalteten Anlage einen Stromschlag. Zunächst nahm er die Körperdurchströmung nicht ernst und arbeitete weiter. Kurze Zeit später wurde ihm aber so schlecht und schwindlig, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.

So kam es an der Photovoltaikanlage zum Stromunfall

Später wurde der Unfall untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass ein Kondensator des Wechselrichters nicht entladen war.

Denn – das musst du als angehender Elektriker wissen – auch nach erfolgter Freischaltung können bei Wechsel- und Umrichtern noch hohe Berührungsspannungen auftreten. Kondensatoren können noch gespeicherte elektrische Energie enthalten, wenn die Wartezeiten zum Entladen nicht eingehalten werden.

Bei diesem Stromunfall war in der Bedienungsanleitung des betroffenen Wechselrichters eine Entladezeit von 30 Minuten angegeben.

So machst du es besser!

Die Sicherheitshinweise in Bedienungsanleitungen dienen deinem Schutz

  • Beachte bei deiner Arbeit stehts die Bedienungs- und Betriebsanleitungen der elektrischen Geräte, mit denen du arbeitest.
    Teilweise wirken die genannten Hinweise vielleicht „übertrieben“. Dass man ein Elektrogerät nicht in Wasser tauchen sollst, leuchtet dem gesunden Menschenverstand ein – dir als Elektroazubi noch viel mehr. Doch in Bedienungs- und Betriebsanleitungen findest du viele Angaben, die für das sichere Arbeiten absolut wichtig sind.
  • Achte darauf, dass die Kondensatoren entladen sind, bevor du an einem Wechselrichter oder einem Umrichter arbeitest.
    Halte die jeweils angegebenen Entladezeiten konsequent ein. Tust du das nicht, setzt du dich der Gefahr einer Körperdurchströmung aus. Auch Stromschläge, die nicht akut lebensgefährlich sind, können Folgen für deine Gesundheit haben.
  • Arbeiten an Wechselrichtern dürfen ausschließlich von Elektrofachkräften durchgeführt werden.
    Denn Laien können die dabei bestehenden Gefahren nicht einschätzen. Frage unbedingt bei deinem Ausbilder oder einem Kollegen nach, wenn du während deiner Ausbildung an eine solche Aufgabe herangeführt wirst und dir unsicher bist! Sei außerdem kritisch, wenn dir keine Bedienungsanleitung vorliegt und du keine Ahnung hast, welche Entladezeiten im konkreten Fall gelten. Du bist nicht verpflichtet, dich einer Gefährdung auszusetzen.

Darum solltest du nach einem Stromschlag stets zum Arzt

Falls du trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mal einen Stromschlag abbekommst, kann es sein, dass du danach bis auf den kurzzeitig erhöhten Adrenalinpegel nichts spürst. Doch auch wenn du dich super fühlst, kann eine Körperdurchströmung ein Störfaktor für deinen Herzimpuls sein.

Konkret heißt das: Nach einem Stromschlag kann es zu Herzrhythmusstörungen oder zum gefährlichen Herzkammerflimmern kommen – auch noch viele Stunden nach dem vermeintlich harmlosen Stromschlag!

Weder du noch ein Kollege oder Vorgesetzter kann entscheiden, ob du nach einem Stromschlag weiterarbeiten kannst. Nur ein Arzt kann dir sagen, ob du wie gewohnt arbeiten darfst oder eine bestimmte Zeit lang überwacht werden musst.

  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

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Kommentare

Kommentar von Olaf Schley |

In den Tipps wird darauf verwiesen, dass es auch zu einem späteren Zeitpunkt zu Rhythmusstörungen kommen kann.
Dazu gibt es Veröffentlichungen der BG ( https://www.dguv.de/medien/fb-erstehilfe/de/pdf/stromunfall-2016.pdf ), die sich auf Untersuchungen der Charite beziehen, die im Ärzteblatt veröffentlicht wurden: https://www.aerzteblatt.de/archiv/151299/Kardiales-Monitoring-nach-Stromunfall
Ganz ohne Frage soll und muss ein Stromschlag ernst genommen werden. Jedoch sollte mit dem Mythos der späteren Veränderung im EKG Bild aufgeräumt werden.
Es sei denn, es kann tatsächlich von einer EKG Abnormalität berichtet werden, die nicht initial vorgelegen hat.
Im oben beschriebenen Fall wäre zur Untersuchung die Kapazität der Kondensatoren ebenfalls hilfreich, um die Gefahr besser einzuschätzen. Die Angabe der aus der Kapazit und Spannung ergebenen Ladung wäre auch ein hilfreiche Information für den begandelnden Arzt.

Allen eine unfallfreie und sichere Zeit.

Olaf Schley

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