Sind Photovoltaik-Inselanlagen meldepflichtig?
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In der Praxis kommt es vor, dass ein Verteilungsnetzbetreiber (VNB) die Anmeldung einer Photovoltaik-Inselanlage beim Betreiber reklamiert. Dazu verweist er auf die Technischen Anschlussbedingungen.
Wenn der Verteilungsnetzbetreiber etwas begehrt, dann muss er darauf einen Anspruch haben. Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen fordern zu können (§ 194 Abs. 1 BGB). Jeder Anspruch benötigt eine Anspruchsgrundlage. Diese kann gesetzlicher oder vertraglicher Natur sein.
Schauen wir uns die Rechtsgrundlagen einmal genauer an: Steht in den Normen oder Vorschriften etwas von einer Prüfpflicht für Photovoltaik-Inselanlagen?
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Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“
Die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 „Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz – Technische Mindestanforderungen für Anschluss und Parallelbetrieb von Erzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz“ allein ist nicht anspruchsbegründend, da sie rechtlich die Qualität einer privaten Bestimmung hat. Daher benötigt sie – um selbst Geltung zu beanspruchen – zunächst auch eine eigene Ermächtigungsgrundlage.
Dies könnte § 49 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) sein, der die allgemein anerkannten Regeln der Technik in den Bestimmungen des VDE e.V. beachtet wissen will.
Technische Anschlussbedingungen 2007
Vertragsrechtlich können die Technischen Anschlussbedingungen (TAB 2007) eine Anspruchsgrundlage darstellen, da diese beim Anschlussvertrag vom Anschlussnehmer anzuerkennen sind.
Im Kapitel 2 der TAB 2007 wird eine Reihe von anmelde- und zustimmungspflichtigen sowie davon befreiten Tatbeständen aufgezählt. Allen ist gemein, dass hier eine Verbindung (Anschluss) an das Netz des VNB stattfinden soll. Auch das Kapitel 3 ist für die Inbetriebsetzung auf eine Verbindung mit dem öffentlichen Netz ausgerichtet. Abgesehen von diesem Fokus nennen die TAB 2007 die Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 weder ausdrücklich noch global als „VDE-Bestimmung“.
Das TAB-Regelwerk führt stattdessen die VDE-Bestimmungen auf, die es angewendet wissen will. Die TAB 2007 sind daher keine taugliche Grundlage für die VDE-AR-N-4105.
Nach TAB 2007 ist die Photovoltaik-Inselanlage ohne Verbindung zum Niederspannungsnetz mangels Nennung nicht anmeldepflichtig.
Technische Anschlussbedingungen 2019
In den TAB 2019 ist die Situation ähnlich. Zwar wird hier die VDE-AR-N 4105 ausdrücklich erwähnt, jedoch ist der Geltungsbereich in Kapitel 1 auf elektrische Anlagen beschränkt, die an das Niederspannungsnetz des Netzbetreibers angeschlossen sind oder werden. Da die TAB auf der NAV basieren, kann es auch gar keinen anderen Fokus geben.
Nun kennen die TAB 2019 tatsächlich den Begriff „Inselbetrieb“ im Zusammenhang mit Notstromaggregaten (VDE-AR-N 4100 Anwendungsregel:2019-04 „Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen an das Niederspannungsnetz und deren Betrieb (TAR Niederspannung)“). Hierbei erfolgt jedoch sehr wohl der Anschluss an das Versorgungsnetz, ohne dass eine Einspeisung erfolgt. Solche Photovoltaikanlagen sind dann durchaus anmeldepflichtig, weil aufgrund der Verbindung eine Synchronisation mit dem öffentlichen Netz erfolgen muss. Autarke Inselanlagen sind jedoch nicht erfasst.
Niederspannungsanschlussverordnung (NAV)
Die Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) ist ebenfalls nach § 1 Abs. 1 auf den Anschluss von Kundenanlagen („Jedermann“) an das Niederspannungsnetz ausgerichtet. Sie mag die VDE-AR-N 4105, sofern man in ihr eine anerkannte Regel der Technik erblicken mag, tragen. Tatsächlich sind Regelungen, die keinen Bezug zur Sicherheitstechnik haben und sich mit organisatorischen oder rechtlichen Fragen beschäftigen, auch dann keine allgemein anerkannten Regeln der Technik, wenn sie überwiegend angewandt werden (vgl. hierzu Peter Marburger: Die Regeln der Technik im Recht, S. 47 und 148).
Eine Anmeldepflicht für nicht und an keiner Stelle mit dem Niederspannungsnetz verbundene Photovoltaik-Inselanlagen ist aus ihr mangels fehlendem Anwendungsbereich nicht abzulesen.
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)
Gleiches gilt für das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), dessen Zweck noch viel weiter gefasst ist, wobei man Netzverträglichkeit sowie Sicherheit und Zuverlässigkeit des Energieversorgungssystems aus § 1 Abs. 4 Nr. 3 als Begründung für den Verweis auf die VDE-Bestimmungen anerkennen kann. Doch auch hier geht es um das Energieversorgungssystem, das sich in den Energieversorgungsnetzen manifestiert. Tatbestände außerhalb der Netze sind nicht im Fokus des EnWG.
VDE-AR-N 4105 fokussiert keine Inselanlagen
Selbst die zurückgezogene Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2011-08 setzt sich als Anwendungsbereich im Kapitel 1 die Planung, die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Erzeugungsanlagen, die an das Niederspannungsnetz eines Netzbetreibers angeschlossen und parallel mit dem Netz betrieben werden (Netzanschlusspunkt im Niederspannungsnetz). Wird die Anlage nun nicht an das Niederspannungsnetz des Netzbetreibers angeschlossen, sondern von diesem unabhängig und autark betrieben, so ist die Anwendungsregel eben gerade nicht anzuwenden.
Dies wird umso deutlicher, wenn man das Kapitel 4 betrachtet, in dem es um unzulässige Rückwirkungen auf das Netz oder andere Kundenanlagen geht. Mangels Verbindung zum übrigen Netz kann es solche Rückwirkungen von Inselanlagen nicht geben. Sie verweist weiter auf die TAB 2007, bei denen bereits festzustellen war, dass Photovoltaik-Inselanlagen dort nicht erfasst sind.
In der VDE-AR-N 4105:2018-11 sind bei gleichem Anwendungsbereich nun auch die Notstromaggregate genannt, die zur Synchronisierung im Kurzzeitparallelbetrieb parallel zum öffentlichen Netz betrieben werden (siehe hierzu TAB 2019 sowie auch VDE-AR-N 4100:2019-04). Reine Inselanlagen ohne Verbindung zum VNB-Netz sind erneut nicht erfasst.
Fazit: Keine Meldepflicht für PV-Inselanlagen
Photovoltaik-Inselanlagen ohne irgendeine Verbindung zum öffentlichen Niederspannungsnetz sind gegenüber dem Versorgungsnetzbetreiber (VNB) nicht anmeldepflichtig. Ein diesen Wunsch begründender Anspruch kann nicht festgestellt oder hergeleitet werden. Dazu hätten die Anlagen in den Anwendungsbereichen ausdrücklich genannt werden müssen.
aktualisiert Juni 2022
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Kommentare
Kommentar von Jörg |
Stichwort ortsfeste PV - z.B. Dachanlagen
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Kommentar von Jürgen |
Sehr geehrter Herr Klar,
vielen Dank für Ihre Einschätzung über die Meldepflicht von Photovoltaik-Inselanlagen. Sollte tatsächlich eine Verpflichtung zur Anmeldung einer mittelbar verbundenen Inselanlage bestehen, müsste dann nicht auch jedes Wohnmobil gemeldet werden, welches über eine PV-Anlage mit Inselwechselrichter und Batterie (hier: 2 kWp) verfügt, wenn man es zu Hause zum Laden der Batterien an die Steckdose anschließt ?
Grüße aus dem Norden
Jürgen
Kommentar von Jörg |
Hallo Herr Lohmüller,
bitte nicht verwechseln zwischen einer Notstromversorgung und einer Inselanlage.
Beides ist im Gesetz/Verordnung/Synopse definiert und beschrieben. Auch wann was betrieben werden darf und welche Energieträger für welchen Zweck benutzt werden dürfen. Hier den umgangssprachlichen Gebrauch einer Technik zu verwenden, führt zu den Missverständnissen.
Die auf dieser Seite genannten Regelwerke reichen nicht aus. z.B. fehlt die Marktstammdatenverordnung.
Kommentar von Andre Lohmüller |
Vielen Dank an den Autor Herrn Klar und die engagierte Redaktion für diesen fundierten und informativen Artikel. Ich möchte gern die offenen Fragen der Kommentatoren Klein und Lindenberg etwas präzisiert wiederholen:
Deute ich das richtig, dass eine Inselanlage, die mit einem Umschalter, der alle Leiter über eine Nullstellung trennt, somit als reine Inselanlage gilt?
Und ist es zutreffend, dass die Batterien der Inselanlage nicht aus dem Netz nachgeladen werden dürfen?
Kommentar von Jörg |
Nachtrag 2 :
ich habe die beiden Paragraphen bereits benannt.
Marktstammdatenverordnung §5 und EEG 2023 §9
Bitte eine konkrete Lösung für diese Kombination benennen.
Kommentar von Jörg |
Ich noch mal ...
Bitte die Kombination aus Markrstammdatenverordnung §5 und EEG §9 gemeinsam betrachten.
Der §61 war dafür nie nötig weil er nur die EEG-Umlage betrifft. Keine EEG Umlage , kein §61 . Der Rest bleibt aber . Man will die EU Vorgaben zum Netzausbau erfüllen. Alles was Strom erzeugt, muss gezwungenermaßen ans Netz. Man darf aber eine sogennnet 0-Einspeiseanlage betreiben. Also netzgekoppelt aber nicht einspeisen. Eine Inselanlage ist, mit gleichem Ergebnis, aber nicht erlaubt.
Kommentar von Jörg |
Hallo ,, Ich noch mal...
Also .. In Der Marktstammdatenverordnung steht, dass eine PV Dachanlage bei mittelbarem oder unmittelbarem Anschluss meldefplichtig ist. Damit ist der Stromanschluss der allgemeinen Versorgung gemeint. Wer einen Stromanschluss der allgemeinen Versorgung hat, muss seine Anlage im Melderegister anmelden. Im Melderegister können nur netzgekoppelte Anlegen gemeldet werden. Was nun ? Entweder man fährt eine Inselanlage und lässt den Stromzähler entfernen oder man installiert eine Netzgekopelte Anlege. Gerne eine andere Auslegung wenn möglich.
Kommentar von Fabian |
@Jörg:
Die EEG ClearinStelle beruft sich hier vermutlich noch auf Urteile, die aufgrund von §61a EEG 2017 entschieden wurden. In dem aktuell gültigen EEG 2023 ist der §61 komplett entfallen. Daher entfällt für diese Vorgabe die Rechtsgrundlage. Mir persönlich sind momentan keine gültigen Gesetztestexte oder Urteile bekannt, die ein nicht mit dem Hausanschluss verbundenes Inselnetz auf einem Grundstück verbieten können.
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