Arbeiten mit Herzschrittmacher – was ist dabei zu beachten?

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Arbeiten mit Herzschrittmacher – was ist dabei zu beachten?
Medizinische Implantate am Arbeitsplatz – wann und wo kann das riskant sein? (Bildquelle: bdspn/iStock/Getty Images Plus)

Elektromagnetische Felder (EMF) sind allgegenwärtig und auch im Berufsleben kaum vermeidbar. Ihre Gesundheitsrisiken sind umstritten. Doch unabhängig von den Debatten um Elektrosensibilität und Elektrosmog im Alltag betrifft das Thema immer mehr Menschen, die medizinische Geräte im oder am Körper tragen.

Arbeiten trotz Herzschrittmacher?

Die moderne Medizintechnik macht es möglich. Auch Patienten mit Herzproblemen können dank Herzschrittmacher oder implantiertem Defibrillator (ICD) einen nahezu normalen Alltag erleben. Jedes Jahr werden in Deutschland mehr als 100.000 dieser kleinen Geräte implantiert. Dazu kommen weitere elektrische Hilfsmittel wie Neurostimulatoren, Cochlea-Implantate und Insulinpumpen. Viele dieser Patienten stehen im Beruf und würden nach ihrer Operation gern weiterarbeiten. Doch wann und wo kann das riskant sein?

iPhone schaltet Herzschrittmacher ab?

Im Januar 2021 sorgte eine Sicherheitswarnung von Apple für Aufsehen. Mediziner hatten vor gefährlichen Wechselwirkungen des iPhone 12 und des Netzteilanschlussteils „MagSafe“ mit implantierten medizinischen Geräten wie Herzschrittmachern oder Defibrillatoren gewarnt. Im September desselben Jahres wurde im Rahmen einer prospektiven Beobachtungsstudie am Universitätsklinikum Gießen, eine Untersuchung des Einflusses des Apple iPhone 12 Pro auf Herzschrittmacher und Defibrillatoren durchgeführt. Die Untersuchungen zeigten, dass bei verschiedenen Herstellern von Herzschrittmachern und Defibrillatoren Störeinflüsse durch das iPhone auftraten. Um Fehlfunktionen zu vermeiden, sollten Personen mit medizinischen Implantaten diese Geräte daher nur mit einem Sicherheitsabstand von mind. 15 cm benutzen und tragen. (https://dgk.org/pressemitteilungen/2021-ht-pm/2021-ht-wiss-pm/einfluss-des-apple-iphone-12-pro-auf-implantierte-herzschrittmacher-defibrillatoren/) Dieses Beispiel zeigt, wie schnell Betroffene im Alltag – und auch im Beruf – speziellen Gefahren durch elektromagnetische Felder ausgesetzt sind.

EMFV sieht Schutzbedürftigkeit

An Arbeitsplätzen gilt seit 2016 die Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (kurz: EMFV). Diese Verordnung bietet eine Orientierung hinsichtlich der potenziellen Risiken durch statische und zeitveränderliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder von 0 Hz bis 300 GHz. Ihre Gliederung in fünf Abschnitte spiegelt das Vorgehen im Betrieb wider:

  1. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
  2. Gefährdungsbeurteilung; fachkundige Personen; Messungen, Berechnungen und Bewertungen
  3. Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen
  4. Unterweisung der Beschäftigten
  5. Ausnahmen, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten

In Kurzform bedeutet dies: Stellt sich bei der Gefährdungsbeurteilung heraus, dass Grenzwerte und Auslöseschwellen (siehe die Anhänge der EMFV) überschritten werden, sind Schutzmaßnahmen notwendig und die Mitarbeiter müssen dazu unterwiesen werden.

Die EMFV gilt für alle Beschäftigten. Doch als besonders schutzbedürftig gelten Mitarbeiter mit

  • aktiven medizinischen Implantaten, insbesondere Herzschrittmachern,
  • passiven medizinischen Implantaten,
  • medizinischen Geräten, die am Körper getragen werden, insbesondere Insulinpumpen, oder
  • sonstigen durch elektromagnetische Felder beeinflussbaren Fremdkörpern im Körper.

Besondere Schutzbedürftigkeit bedeutet, dass der Arbeitgeber – ähnlich wie bei Schwangeren oder Jugendlichen – für diese Mitarbeiter ggf. individuelle Schutzmaßnahmen vorsehen muss.

Downloadtipps der Redaktion

Downloadpakt für ortsveränderliche elektrische Arbeitsmittel

Hier gelangen Sie zum Download.

Gefährdungsbeurteilung: Gefährdungsermittlung allgemein

Hier gelangen Sie zum Download.

e+-Artikel: DIN VDE 1000-10: Anforderungen an die in der Elektrotechnik tätigen Personen

Hier gelangen Sie zum Download.

 

Am Arbeitsplatz kommt es auf den Einzelfall an

Herzschrittmacher und andere Implantate sollten so konstruiert sein, dass sie durch die im Alltag auftretenden elektromagnetischen Felder nicht in gefährlicher Weise beeinträchtigt werden. Dennoch kann es in bestimmten beruflichen Situationen oder Arbeitsbereichen zu erhöhten Risiken kommen. Ein starkes elektromagnetisches Feld könnte z.B. auslösen, dass ein Herzschrittmacher in einen anderen Modus wechselt oder dass ein implantierter Defibrillator einen Schock abgibt.

Es gibt – neben der EMFVkeine pauschal gültigen Regeln vonseiten der Berufsgenossenschaften oder des Gesetzgebers, in denen man nachschlagen könnte, an welcher Anlage welche Gefahr lauert oder welche Tätigkeit bei welchem Implantat erlaubt ist. Notwendig ist eine individuelle Gefährdungsbeurteilung, welche die relevanten Fragen klärt, z.B.:

  • Wo hält sich der Mitarbeiter wie häufig und wie lange auf? Welche Laufwege nutzt er zum Arbeitsplatz, zur Toilette, zur Kantine usw.?
  • Welche EMF-erzeugenden Arbeits- und Betriebsmittel verwendet er und wie hoch sind deren EMF-Emissionen?
  • Liegen die ermittelten/gemessenen Emissionen unterhalb der Störschwellen seines Implantats?

Eine Übersicht zur möglichen Beeinflussung aktiver Implantate durch EMF bietet die DGUV Information 203-043 „Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder“.

Ziel ist die Erhaltung des Arbeitsplatzes

Im optimalen Fall klären der behandelnde Arzt und die zuständige Berufsgenossenschaft gemeinsam mit dem betroffenen Mitarbeiter bereits vor einer Operation, welche EMF mit welchen potenziellen Störungen am Arbeitsplatz vorhanden sind. Dann muss entschieden werden, ob derjenige dort weiterarbeiten kann und wie sein Implantat ggf. eingestellt werden muss. Ziel sollte stets sein, den Arbeitsplatz zu erhalten. Jeder Implantatträger sollte nach Möglichkeit im Beruf verbleiben dürfen und es sollte alles getan werden, um ihm eine Wiedereingliederung nach Operation und Reha zu ermöglichen.

Hinweis

Die Experten raten davon ab, dass betroffene Mitarbeiter Geräte mit sich tragen, die elektromagnetische Felder erkennen und Warnsignale abgeben. Solche Warngeräte könnten zu einer Über- oder Unterbewertung des Risikos führen.

In diesen Fällen ist Vorsicht geboten

Gerade in Elektroberufen gibt es Arbeitsplätze, an denen deutlich stärkere EMF auftreten können als im privaten Alltag, z.B. in Anlagen der Energieerzeugung und -übertragung wie Netzstationen oder Hochspannungsanlagen. Dazu kommen einige weitere technische Anwendungen, bei denen EMF erzeugt werden oder auftreten, etwa bei

  • Schweißverfahren,
  • in der Elektrolyse und Galvanik,
  • an Lötanlagen oder
  • in Sendeeinrichtungen von Funk und Radar.

Auch bei allen

  • magnetischen (z.B. Magnetabscheider),
  • induktiven (z.B. Warmumformung, Härtung) oder
  • kapazitiven Verfahren (z.B. Hochfrequenz-Kunststoffschweißmaschinen)

am Arbeitsplatz sollte genau hingeschaut werden, wenn ein Mitarbeiter zum Implantatträger wird.

Im Normalfall keine Gefahren, aber …

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) haben sich 2019 in einer gemeinsamen Erklärung zu Herzschrittmachern & Co. geäußert. Ihre Hinweise beziehen sich explizit nicht nur auf Alltagsrisiken, sondern auch auf das berufliche Umfeld und können somit auch Elektrofachkräften (EFKs) und betrieblichen Arbeitsschützern als Orientierung dienen. Die Experten raten Betroffenen:

  • keine Permanentmagnete in unmittelbarer Nähe (< 5 cm) des Implantats; Vorsicht auch bei magnetischen Kleinteilen wie Namensschildern, Klammern, Lesezeichen etc.
  • Kopfhörer und Lautsprecher (Magnete!) von Kleingeräten (z.B. MP3-Player) nicht direkt auf der Stelle des Implantats platzieren
  • sich nicht länger als nötig im Bereich von Diebstahlsicherungen (Kaufhauseingänge!) aufhalten
  • Vorsicht bei starken Permanentmagneten
  • Körperfettwaagen vorsichtshalber nicht benutzen (Hier ist die Datenlage noch unzureichend.)
  • Abstand halten: mindestens 10 cm zu kabellosen Ladestationen von Handys, mindestens 25 cm zu Induktionsherden und mindestens 60 cm zu RFID-Scannern

Demnach sollte ein Induktionsherd in einem Gastronomiebetrieb keine Gefahr darstellen, denn der notwendige Abstand wird bei normaler Benutzung eingehalten. Bei Kommissionieraufgaben mit einem handgehaltenen RFID-Scanner kann dies jedoch anders aussehen. Einige weitere Warnhinweise der Kardiologen und Arbeitsmediziner sollten in jedem Betrieb selbstverständlich befolgt werden, etwa dass auf korrekte Erdung elektrischer Geräte zu achten ist oder dass Elektrogeräte bei einem Defekt nicht länger benutzt werden dürfen.

Kein erhöhtes Risiko sehen die Fachwissenschaftler bei

  • dem Benutzen von Elektrofahrzeugen,
  • normalem Gebrauch eines Smartphones,
  • Reisen per Bahn oder Flugzeug,
  • Metalldetektoren an Flughäfen oder
  • Spaziergängen in der Nähe von Hochspannungsleitungen.

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Kein Zutritt für …

Kann in einer Arbeitsstätte eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden, muss für betroffene Mitarbeiter – ggf. auch für Kunden, Besucher, Patienten usw. – ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen werden. Der Zutritt zum Gefahrenbereich ist eindeutig zu kennzeichnen, die ASR A1.3 zur Sicherheitskennzeichnung in Arbeitsstätten sieht dafür das Verbotszeichen P007 vor.

Dieses Warnzeichen basiert auf der DIN EN ISO 7010:2020-07 und wird auch in Kombination mit der Beschriftung „Kein Zutritt für Personen mit Herzschrittmachern oder implantierten Defibrillatoren“ verwendet.

Belastungen auch für die Psyche möglich

Tag für Tag in der Nähe technischer Geräte oder Anlagen zu arbeiten, die ein Gerät stören könnten, welches das eigene Überleben sichert, kann zu einer psychischen Belastung werden. Arbeitgeber und Vorgesetzte sollten sich dies bewusst machen. Selbst wenn eine konkrete Gefahr aufgrund der berechneten oder gemessenen elektromagnetischen Feldstärken als unwahrscheinlich beurteilt wird, kann beim implantattragenden Kollegen ein mulmiges Gefühl bleiben. In einem solchen Fall sind die persönlichen Bedenken ernst zu nehmen und man sollte gemeinsam nach alternativen Aufgaben suchen oder Arbeiten anders organisieren.

Informationspflicht des Betroffenen

Bereits die DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder“ aus dem Jahr 2001 fordert nicht nur Maßnahmen vom Arbeitgeber, um Funktionsstörungen von Implantaten zu verhindern, sondern richtet sich auch an alle Beschäftigten mit aktiven oder passiven Körperhilfsmitteln. Jeder dieser Mitarbeiter ist gemäß § 12 Abs. 3 der DGUV Vorschrift 15 dazu verpflichtet, seinen Arbeitgeber darüber zu informieren, dass er ein Implantat trägt oder dass er eines bekommt.

Weiterführende Hinweise

  • „Elektromagnetische Interferenz von aktiven Herzrhythmusimplantaten im Alltag und im beruflichen Umfeld“ – so lautet eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM).
    https://leitlinien.dgk.org
  • Der Forschungsbericht 451 „Elektromagnetische Felder am Arbeitsplatz – Sicherheit von Beschäftigten mit aktiven und passiven Körperhilfsmitteln bei Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern“ nennt Schwellenwerte für Störungen von Implantaten.
    https://www.bmas.de
  • Die DGUV Information 203-043 „Beeinflussung von Implantaten durch elektromagnetische Felder“ stellt sich als Handlungshilfe für die betriebliche Praxis vor.
    https://publikationen.dguv.de
  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

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