EMFV: Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern
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Der Einsatz technischer Verfahren mit Anwendungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder (EMF) nimmt zu. Gleichzeitig steigt die Zahl der Beschäftigten, die auch am Arbeitsplatz Herzschrittmacher oder andere Implantate tragen. Der Schutz dieser, aber auch aller anderen Mitarbeiter steht im Mittelpunkt der „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder“ (EMFV). Elektrofachkräfte, die in die betriebliche Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden, sollten über die Vorgaben Bescheid wissen.
Was sind elektromagnetische Felder?
Elektromagnetische Felder sind keine Erfindung des Menschen. Wir sind permanent dem Magnetfeld der Erde ausgesetzt sowie natürlichen elektrischen Feldern, die auf die Sonne oder auf Gewitter zurückgehen. Dazu kommen die menschengemachten EMF durch die Nutzung des elektrischen Stroms. Bei jedem Elektrogerät, jedem Monitor, jeder Hausverkabelung, aber auch bei jeder U-Bahn und jeder Photovoltaik-Anlage treten elektromagnetische Felder auf. Deren Zahl hat sich mit dem Ausbau des Mobilfunks und der massenhaften Zunahme von Smartphones, WLAN, Bluetooth-Netzwerken usw. weiter erhöht.
Diese Entwicklung hat zu einer Diskussion um die Wirkungen dieser Felder auf den menschlichen Körper und mögliche Folgen für die Gesundheit geführt. Die Diskussionen über den sogenannten Elektrosmog durch die Immissionen von elektromagnetischen Feldern oder die elektromagnetische Umweltverträglichkeit werden teils sehr erbittert geführt. Gerade Elektrofachkräfte werden schnell zu Ansprechpartnern für „elektrosensible“ Mitarbeiter oder Arbeitsschützer bei der Klärung der Anforderungen zum Schutz am Arbeitsplatz.
Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder umstritten
Das Ausmaß der Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder ist umstritten. Zu vermeintlichen und tatsächlichen Effekten auf den menschlichen Körper sind sich auch die Experten nicht einig. Panikmache vor einem „Elektrosmog“ scheint wenig angebracht, doch biologische und thermische Wirkungen von EMF sind durchaus nachweisbar. Auch die Frage, in welcher Weise medizinische Implantate durch EMF gestört werden können, ist berechtigt. Dies gilt insbesondere für Arbeitsplätze in Risikobereichen, in denen elektrische oder magnetische Felder teils deutlich stärker auftreten als im Lebensalltag.
Was bedeutet das für den Arbeitgeber?
Für den Unternehmer und Arbeitgeber ist dies keine befriedigende Situation. Einerseits steht er in der Pflicht, seine Beschäftigten vor Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz zu schützen. Anderseits ist das Auftreten von EMF an vielen Arbeitsplätzen unvermeidbar. Weil die Gefährdung unsichtbar bleibt und nicht – wie Lärm, Stäube oder andere Gesundheitsbelastungen am Arbeitsplatz – von den Mitarbeitern selbst ohne technische Hilfsmittel wahrgenommen werden kann, führt dies oft zu einer Verunsicherung.
Mit der Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV) will der Gesetzgeber dem entgegenwirken und Orientierung bieten. Die in der EMFV formulierten Anforderungen sollen Beschäftigte vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder schützen. Hier können Sie sich die neue Verordnung im Volltext anschauen oder herunterladen: Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern - EMFV.
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Die EMFV im Steckbrief
Die „Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder“ (EMFV)
- setzt die EU-Arbeitsschutz-Richtlinie 2013/35/EU über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor Gefährdungen durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder) vom Juni 2013 in deutsches Recht um.
- wurde am 15. November 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist am 19. November 2016 in Kraft getreten.
Die EMFV enthält fünf Abschnitte:
- Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
- Gefährdungsbeurteilung, fachkundige Personen, Messungen, Berechnungen und Bewertungen
- Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen, Festlegungen zum Schutz vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder
- Unterweisung der Beschäftigten, Beratung durch den Ausschuss für Betriebssicherheit
- Ausnahmen, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
Ihr Anwendungsbereich umfasst
- die direkten Wirkungen wie Erwärmung des Körpergewebes, unwillkürliche Muskelstimulationen (nicht jedoch Stromschläge) und
- die indirekten Wirkungen (Kontaktströme, Beeinflussung von Implantaten, Projektilwirkung) von statischen und zeitveränderlichen elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern von 0 Hz bis 300 GHz.
Schon diese Aufzählung lässt erahnen, wie komplex es werden kann, die unterschiedlichen Felder innerhalb einer Arbeitsstätte nicht nur vollständig zu erfassen, sondern auch ihr Gefährdungspotenzial in angemessener Weise zu bewerten. Die Anforderungen der EMFV basieren auf
1) Expositionsgrenzwerten für gesundheitliche Wirkungen und
2) Auslöseschwellen für indirekte Wirkungen.
Bei Expositionen oberhalb dieser Expositionsgrenzwerte oder Auslöseschwellen muss der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen.
Diese Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen legt die EMFV für verschiedene Feldarten und Frequenzbereiche fest. Sie finden die Werte in den Anhängen der EMFV wie folgt:
- Anhang 1: zu den physikalischen Größen im Zusammenhang mit der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern
- Anhang 2: zu den nichtthermischen Wirkungen, Expositionsgrenzwerten und Auslöseschwellen für statische und zeitveränderliche elektrische und magnetische Felder im Frequenzbereich bis 10 MHz
- Anhang 3: zu den thermischen Wirkungen, Expositionsgrenzwerten und Auslöseschwellen für zeitveränderliche elektromagnetische Felder im Frequenzbereich von 100 kHz bis 300 GHz
Grundlage für den Schutz der Beschäftigten: die Gefährdungsbeurteilung
Um den Schutz der Beschäftigen gewährleisten zu können, muss der Arbeitgeber die Gefährdungen und die entsprechenden Schutzmaßnahmen in einer Gefährdungsbeurteilung ermitteln.
Dabei hat er sich von fachkundigen Personen unterstützen zu lassen. Bei Fragen zur Elektrosicherheit oder EMV ist daher auch die Kompetenz der Elektrofachkraft gefragt.
Die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV) fordert die im Arbeitsschutzrecht für alle anderen Risiken übliche Gefährdungsbeurteilung von Arbeitsplätzen, und zwar
- vor Aufnahme der Tätigkeit,
- durch fachkundige Personen, die in der Lage sind, Messungen, Berechnungen und Bewertungen nach dem Stand der Technik durchzuführen und
- unter Berücksichtigung der Erfordernisse von besonders schutzbedürftigen Beschäftigten.
Als besonders schutzbedürftig gelten im Arbeitsschutz im Allgemeinen Jugendliche sowie schwangere oder stillende Frauen. Im Zusammenhang mit EMF kommen die Träger von Implantaten hinzu.
An diesen Arbeitsplätzen ist für Implantatträger Vorsicht geboten
Die EMFV kann viele Fragen zu elektromagnetischen Feldern nicht endgültig beantworten. Sie gibt dem Arbeitgeber, der Gesundheit und Sicherheit seiner Beschäftigten am Arbeitsplatz gewährleisten muss, jedoch zumindest eine Orientierung. Dies betrifft insbesondere Arbeitsstätten, an denen deutlich stärkere Felder auftreten können als im privaten Umfeld. Mit erhöhten Feldstärken ist an Arbeitsplätzen zu rechnen z.B.:
- in der Energieerzeugung und -übertragung wie Netzstationen, Hochspannungsanlagen, Transformatorenräume, Schaltwarten usw.,
- bei Schweißverfahren wie Elektro-Lichtbogen- oder Hochfrequenzschweißen, insbesondere an Widerstandsschweißeinrichtungen wie Punktschweißzangen oder Rollennahtschweißmaschinen,
- bei magnetischen Verfahren, z.B. zum Halten, zum Abscheiden, zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung wie Rissprüfung usw.,
- bei induktiven Verfahren, z.B. zur Erwärmung, Warmumformung, Härten, beim Zonenschmelzen,
- bei kapazitiven Verfahren, z.B. zur Erwärmung in Hochfrequenz-Kunststoffschweißmaschinen oder Hochfrequenztrocknern,
- bei Verfahren der Elektrolyse und der Galvanik,
- bei elektromedizinischen Therapie- oder Diagnostikeinrichtungen, z.B. Magnetresonanztomografie (MRT)
- an Durchgangs- und Zutrittskontrollen,
- in Sendeeinrichtungen von Funk oder Radar.
An diesen Arbeitsplätzen gilt für Implantatträger besondere Vorsicht. Das betrifft nicht nur Mitarbeiter mit Herzschrittmachern, sondern auch Personen mit anderen Körperhilfsmitteln, die elektronisch gesteuert oder überwacht werden. Dazu gehören u.a. Defibrillatoren, Insulin-Infusionspumpen, Innenohrprothesen („Cochlea-Implantate“), Magenschrittmacher oder Blasenstimulatoren.
Beschäftigte, die solche Implantate oder Prothesen tragen, sind laut DGUV Vorschrift 15 „Elektromagnetische Felder" dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeber darüber zu informieren. Auch passive Implantate wie Schrauben oder künstliche Gelenke können von EMF-Wirkungen betroffen sein.
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Bewertung möglicher Gefährdungen
Die Bewertung einer möglichen Gefährdung durch EMF ist alles andere als trivial.
- Eine Gesundheitsschädigung oder eine Beeinflussung eines Implantats durch EMF-Emissionen hängt von einer Vielzahl physikalisch-technischer Faktoren ab wie der Stärke, der Frequenz und der Modulation des Feldes ab.
- Es gibt ganz unterschiedlich aufgebaute aktive wie passive Implantate aus verschiedenen Materialien, z.B. metallisch oder nicht-metallisch, die jeweils unterschiedlich sensibel auf externe Felder reagieren können.
- Neben den direkten EMF-Wirkungen sind indirekte Wirkungen zu beachten wie Funkenüberschläge oder die Projektilwirkung von ferromagnetischen Gegenständen im Streufeld von Anlagen mit hohen statischen Magnetfeldern.
Schutzmaßnahmen nach dem (S)TOP-Prinzip
Werden die in den Anhängen der EMFV vorgegebenen Grenzwerte oder Auslöseschwellen überschritten, muss der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen veranlassen. Für diese gilt die Rangfolge nach dem (S)TOP-Prinzip, das bedeutet:
- S: Zuerst ist die Möglichkeit einer Substitution zu prüfen, d.h. inwiefern das Arbeitsverfahren durch ein Verfahren ersetzt werden kann, bei dem der Mitarbeiter geringeren EMF-Belastungen ausgesetzt ist.
- T: Ist dies nicht möglich, so sind technische Schutzmaßnahmen zu prüfen, etwa das Installieren von Abschirmungen.
- O: Ist auch dies nicht umsetzbar oder die Wirksamkeit der technischen Maßnahme ungenügend, sind organisatorische Maßnahmen zu prüfen. Kann z.B. die Arbeit so eingeteilt werden, dass die Expositionszeiten für die betroffenen Mitarbeiter kürzer sind oder eine geringere Zahl von Mitarbeitern betroffen ist? Müssen wir Sicherheitsabstände für Implantatträger festlegen?
- P: Sind die bis dato erwogenen Maßnahmen nicht möglich oder nicht ausreichend wirksam, kommen zuletzt personenbezogene Maßnahmen infrage wie etwa besondere Schutzkleidung.
Unbenommen von der (S)TOP-Reihenfolge ist der Arbeitgeber verpflichtet, seine Mitarbeiter zu den Gesundheitsrisiken durch elektromagnetische Felder und den festgelegten Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen zu unterweisen.
Fazit
Die Anforderungen der EMFV klingen auf den ersten Blick aufwendig. Wenn Sie in Ihrem Betrieb die Vorgaben der Unfallverhütungsvorschrift DGUV 15 „Elektromagnetische Felder“ und der gleichnamigen DGUV Regel 103-013 angewendet haben, sollten Sie bei der Orientierung an der EMFV keine Probleme haben. Halten Sie die zulässigen Werte der EMFV ein, so können Sie davon ausgehen, dass Ihre Mitarbeiter nicht gefährdet sind. Das schließt jedoch nicht aus, dass Sie bei Trägern von medizinischen Implantaten in Ihrer Gefährdungsbeurteilung im Einzelfall zu einem anderen Schluss kommen. Dann müssen Sie für diesen Mitarbeiter ggf. besondere Schutzmaßnahmen vorsehen.
Die EMFV bleibt zwangsläufig allgemein und grundsätzlich. Sie wird ergänzt und konkretisiert durch die drei Technischen Regeln zur Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (TREMF):
- TREMF NF: statische und zeitveränderliche elektrische und magnetische Felder im Frequenzbereich bis 10 MHz
- TREMF HF: hochfrequente elektromagnetische Felder
- TREMF MR: Magnetresonanzverfahren
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