Prüfen von Aufzugsanlagen

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Wie müssen Aufzugsanlagen geprüft werden?
Wie müssen Aufzugsanlagen geprüft werden? (Bildquelle: harmpeti/iStock/Getty Images Plus)

Frage aus der Praxis

Wir haben für unseren neuen Hubschrauberlandeplatz einen Personenaufzug bekommen. Der TÜV hat eine Abnahme durchgeführt. Dabei hat er aber nur die Funktion und die Sicherheit geprüft. Die Abnahme der elektrischen Anlage übernimmt eine andere Abteilung und sie sei nicht Teil der Beauftragung. Auf Nachfrage beim Errichter nach einer elektrischen Prüfung gemäß DIN VDE 0100-600 habe ich die Antwort bekommen, dass diese nicht erforderlich sei, weil die Anlage baumustergeprüft ist.

Meines Erachtens ist diese Baumusterprüfung aber nur die Konformitätserklärung für die Lieferung und Errichtung der Anlage. Elektrisch geprüft ist die Anlage aus meiner Sicht jedoch nicht, da weder die Durchgängigkeit der Leiter noch Schleifen- und Isolationswiderstände gemessen wurden. Außerdem fehlt mir das Besichtigen der Anlage aus elektrischer Sicht, das ja vor dem Erproben und dem Messen steht.

Meine Frage dazu: Muss eine Prüfung nach DIN VDE 0100-600 „Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 6: Prüfungen“ für eine Aufzugsanlage erfolgen oder ist diese Prüfung mit der bauartrechtlichen Zulassung nicht mehr erforderlich?

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Antwort des Experten

Die Prüfung vor der Inbetriebnahme von Aufzugsanlagen richtet sich rechtlich nach § 15 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Hier der einschlägige Wortlaut (fett gesetzte Hervorhebungen durch Redaktion):

§ 15 Prüfung vor Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen

(1) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass überwachungsbedürftige Anlagen vor erstmaliger Inbetriebnahme und vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen geprüft werden. Bei der Prüfung ist festzustellen,

  1. ob die für die Prüfung benötigten technischen Unterlagen, wie beispielsweise eine EG-Konformitätserklärung, vorhanden sind und ihr Inhalt plausibel ist und
  2. ob die Anlage einschließlich der Anlagenteile entsprechend dieser Verordnung errichtet oder geändert worden ist und sich auch unter Berücksichtigung der Aufstellbedingungen in einem sicheren Zustand befindet.

Die Prüfung ist nach Maßgabe der in Anhang 2 genannten Vorgaben durchzuführen. Prüfinhalte, die im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren geprüft und dokumentiert wurden, müssen nicht erneut geprüft werden.

(2) Bei den Prüfungen nach Absatz 1 ist auch festzustellen, ob die getroffenen sicherheitstechnischen
Maßnahmen geeignet und funktionsfähig sind und ob die Fristen für die nächsten wiederkehrenden Prüfungen nach § 3 Absatz 6 zutreffend festgelegt wurden. […]

Bezüglich der Prüfung vor Inbetriebnahme von Aufzügen wird in § 15 Abs. 1 auf den Anhang 2 der BetrSichV verwiesen. Dort heißt es in Nr. 3:

3. Prüfung von Aufzugsanlagen vor Inbetriebnahme und nach prüfpflichtigen Änderungen

3.1 Aufzugsanlagen im Sinne von Nummer 2 Satz 1 sind vor erstmaliger Inbetriebnahme von einer zugelassenen Überwachungsstelle zu prüfen.

3.2 Aufzugsanlagen im Sinne von Nummer 2 sind vor Wiederinbetriebnahme nach prüfpflichtigen Änderungen von einer zugelassenen Überwachungsstelle zu prüfen.

3.3 Bei der Prüfung nach den Nummern 3.1 und 3.2 ist zu prüfen, ob

a) die technischen Unterlagen, wie beispielsweise die EG-Konformitätserklärung und der Notfallplan, vorhanden sind und der Inhalt der Notbefreiungsanleitung plausibel ist,

b) die Aufzugsanlage entsprechend dieser Verordnung errichtet wurde und sicher verwendet werden kann und

c) die elektrische Anlage der Aufzugsanlage vorschriftsmäßig und, soweit erforderlich, die Notrufweiterleitung an eine ständig besetzte Stelle gewährleistet ist.

Die Prüfung nach einer prüfpflichtigen Änderung darf sich darauf beschränken zu prüfen, ob die Aufzugsanlage vorschriftsmäßig geändert wurde und sicher funktioniert.

Entscheidend ist also gemäß Nr. 3.3 Buchst. c) die Vorschriftsmäßigkeit der elektrischen Anlage. Hierzu wieder ein Verweis auf die zuletzt 2022 geänderte TRBS 1201 Teil 4 „Prüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen – Prüfung von Aufzugsanlagen“, mit der die Vorgaben der BetrSichV konkretisiert werden. Allgemein wird darin Folgendes festgehalten:

3.2 Prüfung vor erstmaliger Inbetriebnahme (Anhang 2 Abschnitt 2 Nummer 3 BetrSichV)

3.2.1 Allgemeines

Die Prüfung vor erstmaliger Inbetriebnahme umfasst eine Ordnungsprüfung und eine Prüfung am Betriebsort. Die Prüfung vor erstmaliger Inbetriebnahme ist durch eine zugelassene Überwachungsstelle durchzuführen. Prüfinhalte, die im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren im Zuge des Inverkehrbringens einer Aufzugsanlage geprüft und dokumentiert wurden, müssen nach BetrSichV nicht erneut geprüft werden.

Und weiter heißt es:

3.2.3.1 Aufzugsanlagen nach Anhang 2 Abschnitt 2 Nummer 2 Buchstabe a BetrSichV

(1) Es ist zu prüfen, ob die Aufzugsanlage in Bezug auf die Schnittstelle zum Gebäude und den Aufstellbedingungen (nationale Anforderungen) sicher nach dem Stand der Technik verwendet werden kann. Die Prüfung umfasst Folgendes:

  1. Prüfung des sicheren und ungehinderten Zugangs zur Aufzugsanlage.
  2. Prüfung der Funktionsfähigkeit des Zweiwege-Kommunikationssystems einschließlich der beidseitigen Übertragung mit erforderlichem Rückruf zwischen der Aufzugsanlage und der ständig besetzten Stelle. Sie beinhaltet nicht die Beschaffenheit, Organisation und Qualifikation der ständig besetzten Stelle.
  3. Prüfung des Notfallplanes und der Notbefreiungsanleitung auf Übereinstimmung mit den Anforderungen der BetrSichV.
  4. Prüfung der elektrischen Anlagen und Betriebsmittel, mindestens im Umfang des Anhang 1 einschließlich der Funktionsfähigkeit der Schutzmaßnahme des Sicherheitsstromkreises. Errichterprotokolle können berücksichtigt werden.
  5. Prüfung von ggf. bau- bzw. betriebsseitig zusätzlich zu den Anforderungen aus der Betriebsanleitung getroffenen Schutzmaßnahmen, die der nach dem Stand der Technik sicheren Verwendung von Aufzugsanlagen dienen (§ 4 Absatz 1 Nummer 2 und 3 BetrSichV). Dabei sind die Eignung und die Funktionsfähigkeit von technischen Schutzmaßnahmen sowie die Eignung von organisatorischen Schutzmaßnahmen zu prüfen.

(2) Auf die vorstehenden Prüfungen kann verzichtet werden, wenn sie bereits im Rahmen von Konformitätsbewertungsverfahren im Zuge des Inverkehrbringens einer Aufzugsanlage geprüft und dokumentiert wurden.

In Anhang 1 der TRBS 1201 Teil 4 finden Sie den Mindestprüfumfang bei der Prüfung der Sicherheit der elektrischen Anlagen und Betriebsmittel einer Aufzugsanlage gemäß TRBS 1201 Teil 4 Abschnitte 3.2 und 3.3. Dort wird vorangestellt: „Die Prüfung schließt die Prüfung der Sicherheit der elektrischen Anlage gemäß § 5 DGUV Vorschrift 3 ab dem Übergabepunkt für die Aufzugsanlage ein.“

Entscheidend ist also bezüglich der elektrischen Prüfung § 5 DGUV Vorschrift 3. Dort heißt es:

§ 5 Prüfungen

(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel auf ihren ordnungsgemäßen Zustand geprüft werden

  1. vor der ersten Inbetriebnahme und nach einer Änderung oder Instandsetzung vor der Wiederinbetriebnahme durch eine Elektrofachkraft oder unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft und
  2. in bestimmten Zeitabständen.

Die Fristen sind so zu bemessen, dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden.

(2) Bei der Prüfung sind die sich hierauf beziehenden elektrotechnischen Regeln zu beachten.

(3) Auf Verlangen der Berufsgenossenschaft ist ein Prüfbuch mit bestimmten Eintragungen zu führen.

(4) Die Prüfung vor der ersten Inbetriebnahme nach Absatz 1 ist nicht erforderlich, wenn dem Unternehmer vom Hersteller oder Errichter bestätigt wird, dass die elektrischen Anlagen und Betriebsmittel den Bestimmungen dieser Unfallverhütungsvorschrift entsprechend beschaffen sind.

Zusammenfassend lässt sich u.E. festhalten, dass eine vollständige Prüfung nach DIN VDE 0100-600 in Ihrem Fall tatsächlich nicht notwendig ist, wenn die Mindestanforderungen bei der Prüfung vor Inbetriebnahme durch die ZÜS gemäß BetrSichV und TRBS 1201 Teil 4 eingehalten werden. Trotzdem sollte auch angemerkt werden, dass der Betreiber (und im Regressfall die ZÜS) ein gewisses, wenn auch geringes Restrisiko trägt, wenn sich tatsächlich nachweisen lässt, dass ein elektrischer Unfall durch Beachtung der elektrotechnischen Regeln (hier: DIN VDE 0100-600) hätte vermieden werden können.

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Checkliste für die Sichtprüfung

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Prüfprotokoll und Übergabebericht

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  • Autor:

    Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider

    Inhaber eines Fachredaktionsbüros

    Ernst Schneider

    Ernst Schneider ist Mitglied in der Sektorgruppe Elektrotechnik (ANP-SGE) und in der Themengruppe Produktkonformität (ANP-TGP) des Ausschusses Normenpraxis im DIN e.V.

    Er veröffentlichte bereits eine Vielzahl von Büchern, Fachzeitschriften und elektronischen Informationsdiensten. Seit 2004 ist er außerdem Unternehmensberater für technologieorientierte Unternehmen.

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