Sicherheitsanforderungen an die Stromversorgung von Rechenzentren unter neuer EU-Regulierung: Technische Auswirkungen im Detail
- Kommentare: 0
- Sicher arbeiten
- Artikel als PDF herunterladen
Die Stromversorgung in Rechenzentren unterliegt längst nicht mehr nur elektrotechnischen Normen und Sicherheitsstandards, sondern einem dichten Netz europäischer Rechtsvorgaben. Unternehmen, die unterbrechungsfreie Versorgung, netzgekoppelte Systeme, verteilte Energiearchitekturen oder softwaregesteuerte USV-Komponenten betreiben oder installieren, bewegen sich in einem rechtlich definierten Raum. Gleich mehrere Richtlinien und Verordnungen der EU greifen direkt oder mittelbar in Planung, Auswahl, Dokumentation und Betrieb ein.
Für Rechenzentren gelten zahlreiche Richtlinien
Die Auswahl geeigneter Vorschriften hängt dabei stark von der konkreten Ausgestaltung des Rechenzentrums ab. Ein Edge-Standort mit Containerbauweise, DC-Stromarchitektur und Akkupufferspeicherung unterliegt anderen Pflichten als ein Tier-IV-Zentrum mit dieselgestützter Hochverfügbarkeit, zentralem Energie-Management-System und netzinteraktiven Batteriespeichern. Zusätzlich wirken nationale Umsetzungen, Gebäudeklassen und Betreiberstatus, etwa als KRITIS-Infrastruktur, auf die Anwendbarkeit der EU-Vorgaben ein.
Neben den in diesem Text behandelten Regelwerken gelten je nach Auslegung weitere EU-Richtlinien, z.B. die ATEX-Richtlinie 2014/34/EU bei Explosionsschutzanforderungen für Akkuräume, die Arbeitsstättenrichtlinie 89/654/EWG für Zugänglichkeit und Schutzabstände in Energieverteilungen, die Richtlinie 2008/98/EG zur Abfallhierarchie bei Batterierücknahme oder die Verordnung (EU) 2021/821 über Dual-Use-Güter, wenn USV-Steuerungen mit kryptografischen Funktionen in Exportsystemen verbaut sind.
Die rechtlichen Anforderungen an Stromversorgungskomponenten und deren Integration sind kein Nebenkriegsschauplatz technischer Normung, sondern integraler Bestandteil der europäischen Infrastrukturpolitik. Wer Rechenzentren plant oder Komponenten darin beschafft, installiert oder betreibt, muss die regulatorischen Wechselwirkungen kennen, unabhängig davon, ob es sich um eine Netzumschaltung, eine rackbasierte PDU oder ein EMS mit Cloud-Anbindung handelt. Wir zeigen nachfolgend eine strukturierte Übersicht über die wichtigsten europäischen Richtlinien und Verordnungen mit technischer Relevanz für Stromversorgungssysteme in Rechenzentren.
Tipp der Redaktion
Die Elektrofachkraft – sicher arbeiten im Unternehmen
- E-Learning-Kurs für Fachkräfte der Elektrotechnik
- Mit Wissenstest und Teilnahmebestätigung
- Sorgen Sie für ein sicheres elektrotechnisches Arbeiten in Ihrem Betrieb.
Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU: Schutzziele für alle Betriebszustände
Die Niederspannungsrichtlinie bildet das zentrale europäische Regelwerk für elektrische Betriebsmittel im Spannungsbereich zwischen 50 Volt AC und 1.000 Volt AC bzw. 75 Volt DC bis 1.500 Volt DC. Ihre Relevanz für die Stromversorgung in Rechenzentren liegt darin, dass praktisch alle dort eingesetzten Komponenten, von der Einspeisung über Mittelspannungs- und Niederspannungsverteilungen bis zu unterbrechungsfreien Stromversorgungen (USV), automatischen Transferschaltern (ATS), PDU-Systemen und Transformatoren, in diesen Bereich fallen.
Die Richtlinie verlangt keine CE-Kennzeichnung für Installationen als Ganzes, wohl aber für jede in Verkehr gebrachte Komponente. In Rechenzentren wird diese Anforderung besonders komplex, da Module häufig modular, redundant und anlagenspezifisch kombiniert werden. Jede Geräteeinheit muss daher bei Inbetriebnahme die grundlegenden Schutzziele erfüllen. Themen sind z.B. Schutz gegen direktes und indirektes Berühren, thermische Gefährdungen, Lichtbogeneinwirkungen, mechanische Stabilität sowie funktionale Sicherheit im Dauerbetrieb und unter Fehlerbedingungen. Auch Hochverfügbarkeitskomponenten mit automatischer Umschaltung müssen unter typischen Fehlerbedingungen wie Phasenausfall, Frequenzabweichung oder Netzrückschaltung normgerecht reagieren.
Für Elektrofachkräfte (EFKs) bedeutet die Niederspannungsrichtlinie, dass jede Komponente in der Stromversorgung normgerecht ausgelegt, geprüft und installiert werden muss. Darüber hinaus müssen technische Dokumentationen, Bedienungsanleitungen und Prüfprotokolle der eingesetzten Betriebsmittel jederzeit verfügbar sein. Die Richtlinie bildet die Grundlage für eine rechtssichere Inbetriebnahme von Energieinfrastruktur im Rechenzentrum.
EMV-Richtlinie 2014/30/EU: Wechselwirkungen zwischen USV, Netzteilen und Kommunikation
Die elektromagnetische Verträglichkeit gewinnt in Rechenzentren an Bedeutung, da moderne Stromversorgungssysteme nicht mehr passiv arbeiten. Schaltnetzteile, redundante USV-Systeme, modulare PDU-Einheiten mit SNMP-Schnittstellen und rackbasierte Leistungsschalter erzeugen HF-Emissionen, steile Flanken und transienten Reaktionsverkehr. Die EMV-Richtlinie verpflichtet dazu, einerseits die Emissionen auf ein akzeptables Maß zu begrenzen, andererseits aber auch die Störfestigkeit gegenüber Umwelteinflüssen sicherzustellen.
Rechenzentren bündeln auf engstem Raum Hunderte Leistungsquellen, digitale Steuersysteme und Kommunikationsmodule. EMV-Interferenzen durch galvanische, kapazitive und magnetische Kopplung sind keine Ausnahme, sondern systemimmanent. Rückwirkungen auf Generatorsteuerungen, Störungen in der USV-Synchronisierung oder Instabilitäten bei der Netzumschaltung durch Rauschsignale spielen dabei ebenfalls eine wichtige Rolle.
Die EMV-Richtlinie ist deshalb in diesem Kontext relevant, weil sie eine systemische Betrachtung fordert. Nicht die Einzelkomponente steht im Fokus, sondern ihre Wirkung im Zusammenspiel. Wer als Planer oder Betreiber USV-Module verschiedener Hersteller koppelt, mit Hochstromverteilungen verbindet und Fernüberwachung über Ethernet integriert, muss den Gesamtaufbau bewerten, dokumentieren und gegebenenfalls messtechnisch absichern. Harmonisierte Normen wie EN 61000-6-2 (Störfestigkeit industrielle Umgebung) oder EN 55035 (Störfestigkeit für Multimedia-Systeme) gelten hier als Bewertungsmaßstab.
Downloadtipps der Redaktion
E-Book: Die neue Maschinenverordnung
Hier gelangen Sie zum Download.
Checkliste für die Sichtprüfung
Hier gelangen Sie zum Download.
E-Book: Haftung der Elektrofachkraft
Verordnung (EU) 2019/1781: Ökodesign für Energieeffizienz in der Versorgungsarchitektur
Die Verordnung 2019/1781 legt Mindestanforderungen an den Wirkungsgrad von Elektromotoren und Frequenzumrichtern fest. Ergänzt wird sie durch delegierte Verordnungen, etwa für Leistungstransformatoren (EU) 548/2014 oder unterbrechungsfreie Stromversorgungen. Ihre Bedeutung im Kontext von Rechenzentren liegt in der Systematik. Der Energieverbrauch der Stromversorgung ist nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch regulatorisch relevant.
Stromversorgungssysteme in Rechenzentren bestehen nicht nur aus Netzteilen und Verteilungen, sondern aus komplexen Ketten von Umwandlung, Speicherung und Verteilung. Verluste entstehen auf jeder Stufe, in Transformatoren, Gleichrichtern, Wechselrichtern, Akkuladeeinheiten und Verteilkomponenten. Die EU-Ökodesign-Verordnung zwingt dazu, Wirkungsgrade zu erfassen, zu bewerten und bei der Beschaffung zu berücksichtigen. Wer veraltete USV-Topologien mit niedriger Teillast-Effizienz einsetzt oder Transformatoren ohne Lastoptimierung betreibt, riskiert nicht nur höhere Betriebskosten, sondern den Verstoß gegen geltende Produktanforderungen.
Bei Planung, Austausch oder Erweiterung von Stromversorgungssystemen sollten Produkte mit dokumentierter Einhaltung der Ökodesign-Anforderungen beschafft werden. Betreiber müssen zudem bei behördlicher Nachfrage nachweisen, dass die eingesetzten Komponenten konform sind, insbesondere dann, wenn staatliche Fördermittel, Steuererleichterungen oder Investitionsanreize genutzt werden.
Maschinenverordnung (EU) 2023/1230: Neue Anforderungen an funktional sichere Energiekomponenten
Die Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 ersetzt die Richtlinie 2006/42/EG und erweitert den Anwendungsbereich erheblich. Entscheidend ist, dass nun nicht mehr nur mechanische Maschinen, sondern auch elektrotechnische Systeme mit Sicherheitsfunktion unter diese Verordnung fallen. Für Rechenzentren betrifft das etwa fernsteuerbare ATS-Systeme, rackbasierte PDU-Einheiten mit Not-Aus-Funktion, digital überwachte Netzeinspeisungen oder softwaregesteuerte Leistungsschalter.
Die Verordnung verlangt für solche Systeme eine Risikoanalyse, die Validierung von Sicherheitsfunktionen und gegebenenfalls eine Baumusterprüfung durch benannte Stellen. Diese Anforderungen greifen überall dort, wo ein Ausfall oder Fehlverhalten der Energieverteilung unmittelbare Auswirkungen auf Personenschutz, IT-Sicherheit oder Betriebsverfügbarkeit hat.
Rechenzentren, die ihre Stromversorgung zunehmend softwarebasiert und fernsteuerbar organisieren, fallen damit faktisch unter den vollen Anwendungsbereich der neuen Maschinenverordnung. Jedes Gerät mit sicherheitsrelevanter Steuerfunktion, sei es ein Relais, ein Trennschalter, ein Motorabgang oder eine Notabschaltung, muss zukünftig in die sicherheitstechnische Bewertung nach Maschinenverordnung integriert werden. Dokumentation, Sicherheitsbewertung und Konformitätsverfahren werden damit komplexer, aber rechtlich zwingend.
CER-Richtlinie (EU) 2022/2557: Resilienzpflicht für kritische Rechenzentrums-Infrastrukturen
Die CER-Richtlinie verpflichtet Betreiber kritischer Infrastrukturen zur systematischen Risikobewertung und Implementierung physischer Schutzmaßnahmen. Stromversorgungssysteme sind hiervon direkt betroffen, da die Richtlinie ausdrücklich Stromausfälle, Sabotageakte, Brände und Manipulation an sicherheitskritischen Energiepfaden einbezieht.
Rechenzentren, die als KRITIS-relevant eingestuft sind oder cloudbasierte Dienste für kritische Sektoren bereitstellen, müssen laut Richtlinie nachweisen, dass ihre Stromversorgung auch unter Extrembedingungen weiterläuft. Dazu zählen gezielte Störungen der Netzeinspeisung, Ausfall einzelner Stromquellen, physische Zugriffe auf Verteilungen sowie kombinierte Angriffe auf Strom und Kühlung.
Für die Praxis ergibt sich daraus eine Verpflichtung zur dokumentierten Redundanz, zur regelmäßigen Prüfung der Notstromarchitektur (inklusive Testläufen unter Volllast) und zur physisch abgesicherten Ausführung der Energiepfade, etwa in Form getrennter Kabeltrassen, abschließbarer Versorgungsschächte oder manipulationssicherer Umschaltgeräte.
Elektrofachkräfte müssen im Rahmen der CER-Umsetzung nicht nur die klassische Elektrosicherheit gewährleisten, sondern auch Teil des physischen Risikomanagements werden. EMV, Brandschutz, sabotagefeste Auslegung und unterbrechungsfreie Versorgung wachsen hier zu einem integralen Sicherheitskonzept zusammen.
Cyber Resilience Act (Entwurf 2022): Digitale Sicherheit in vernetzten Energiekomponenten
Der Cyber Resilience Act wird Anforderungen an alle netzwerkfähigen digitalen Produkte stellen. Für Rechenzentren betrifft das insbesondere softwaregesteuerte Stromversorgungskomponenten, z.B. SNMP-fähige USV-Anlagen, IP-basierte Leistungsschalter, cloudintegrierte EMS-Systeme und netzwerkfähige ATS-Controller.
Der Entwurf sieht unter anderem sichere Standardkonfigurationen, regelmäßige Sicherheitsupdates, verpflichtende Schwachstellenmeldungen, den Nachweis der Codeprüfung und die umfassende Sicherheitsdokumentation vor. Rechenzentren, die ihre Energieverteilung über Webinterfaces, APIs oder Automatisierungsplattformen steuern, werden damit rechtlich in die IT-Sicherheitsverantwortung überführt.
Bereits jetzt müssen Betreiber sich auf zukünftige Pflichten vorbereiten, etwa durch Auswahl herstellerseitig gepflegter Produkte, durch Integration in Security-Information-and-Event-Management(SIEM)-Systeme oder durch segmentierte Netzarchitekturen mit getrennten Managementpfaden. Der Cyber Resilience Act macht die Stromversorgung zur sicherheitskritischen IT-Komponente, mit allen Konsequenzen für Auditierung, Incident Response und Lifecycle-Management.
Richtlinie 2011/65/EU (RoHS): Materialbeschränkungen auch für USV- und PDU-Systeme
Die RoHS-Richtlinie beschränkt die Verwendung gefährlicher Stoffe in elektrischen und elektronischen Geräten. Für Rechenzentren betrifft das direkt die Stromversorgung: Netzteile, Platinen, Relaisträger, Steuerboards in USV-Systemen, Lasttrennmodule und elektronische PDUs enthalten typischerweise Lötverbindungen, Isolierstoffe oder Kunststoffkomponenten, die unter die Stoffverbote fallen. Blei, Cadmium, sechswertiges Chrom und bromierte Flammschutzmittel sind nicht zulässig, sofern keine explizite Ausnahmeregel greift.
Die Bedeutung liegt darin, dass Stromversorgungskomponenten für IT-Umgebungen nicht als industrielle Sondergeräte klassifiziert sind, sondern als reguläre Elektrogeräte gelten. Damit müssen sie RoHS-konform sein, nicht nur bei Erstbeschaffung, sondern auch bei Austausch, Nachrüstung oder Integration. Elektrofachkräfte müssen sicherstellen, dass alle Komponenten dokumentiert, RoHS-gerecht beschafft und eingebaut werden. Die CE-Kennzeichnung allein reicht nicht aus, wenn keine Materialdeklaration vorliegt.
Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH): Chemikalienkontrolle in der Energiearchitektur
REACH verpflichtet Hersteller, Importeure und Betreiber zur Identifikation und Dokumentation gefährlicher Stoffe in Komponenten und Systemen. Transformatorenöle, Akkumulatoren, Dichtmassen, Flammschutzkabel, Isoliermaterialien oder Kühlmedien in Klimakreisläufen können SVHC-relevante Substanzen enthalten. Wer Stromversorgungssysteme plant oder betreibt, muss auf Anfrage nachweisen können, ob und welche dieser Stoffe enthalten sind. Dies betrifft nicht nur Neuanlagen, sondern auch Wartung, Austausch und Rückbau.
Die Relevanz liegt in der Lieferkette. Hersteller oder Händler von USV-Modulen, Batterietrays oder elektrischen Verteilkomponenten müssen über ihre Stoffverwendung Auskunft geben. Ohne REACH-konforme Datenblätter drohen Rücknahmepflichten und Entsorgungsprobleme. Für Elektrofachkräfte heißt das, Komponentenbeschaffung erfordert eine materialrechtliche Prüfung über den technischen Aspekt hinaus.
Verordnung (EU) 2020/852 (EU-Taxonomie): Nachhaltigkeitspflicht für Energiekomponenten
Die EU-Taxonomieverordnung definiert Kriterien für ökologisch nachhaltige Investitionen. Sie wirkt indirekt, aber stark auf Stromversorgungssysteme in Rechenzentren. Betreiber, die sich als nachhaltig klassifizieren wollen, etwa zur Kapitalbeschaffung, für ESG-Zertifizierungen oder öffentliche Förderprogramme, müssen nachweisen, dass auch ihre Energieinfrastruktur taxonomiekonform ist. Das betrifft den Wirkungsgrad, die Lebensdauer, die Reparierbarkeit, die stoffliche Zusammensetzung und die Umweltauswirkungen der gesamten Energiearchitektur. Stromversorgungssysteme mit hoher Verlustleistung, nicht austauschbaren Batterien oder schlechter Recyclingfähigkeit wirken sich negativ auf die Bewertung aus. Elektrofachkräfte, die in der Planung oder Auswahl eingebunden sind, müssen deshalb nicht nur technische, sondern auch ökologische Kriterien berücksichtigen. Taxonomiekonforme Auswahlkriterien werden künftig Bestandteil formalisierter Ausschreibungen sein.
Richtlinie 2014/53/EU (Funkanlagenrichtlinie): CE-Pflicht für energiebezogene Funkeinheiten
Die Funkanlagenrichtlinie gilt für alle Produkte, die Funkwellen zur Kommunikation aussenden oder empfangen. In Rechenzentren betrifft das zunehmend Stromversorgungssysteme, etwa USV-Komponenten mit Bluetooth-Schnittstellen, drahtlose Notstromüberwachungen, LoRaWAN-fähige Messwandler oder WLAN-basierte Steckdosenleisten. Diese Geräte müssen nicht nur die EMV- und Niederspannungsrichtlinie erfüllen, sondern auch die Anforderungen der Funkanlagenrichtlinie. Dazu gehören Schutz vor Störungen in Notruf- und Flugfunkbereichen, zuverlässiger Sendebetrieb bei Netzstörungen, Nachweise zur Spektrumskonformität und sichere Softwarearchitekturen. Für Elektrofachkräfte bedeutet das: Beim Einsatz funkgesteuerter Energiekomponenten sind zusätzliche Konformitätsnachweise erforderlich, auch wenn sie aus Sicht der Stromversorgung funktional unauffällig wirken. Vor allem die Absicherung gegen Fehlfunktionen bei Frequenzkollision oder Softwarefehlern rückt in den Fokus.
Richtlinie 2009/125/EG (Ökodesign-Rahmenrichtlinie): Vorstufe für neue Produktanforderungen
Diese Rahmenrichtlinie bildet die rechtliche Grundlage für alle konkreten Ökodesign-Verordnungen. Ihre Bedeutung für Rechenzentren liegt nicht im Hier und Jetzt, sondern in der zukünftigen Regulierung. Sobald die EU neue Produktgruppen unter den Geltungsbereich fasst, beispielsweise DC-Power-Systeme, netzinteraktive Batteriespeicher, intelligente Energieverteiler oder KI-gesteuerte Lastmanager, werden darauf aufbauend verpflichtende Effizienz-, Material- oder Reparierbarkeitsanforderungen erlassen. Elektrofachkräfte müssen diesen Prozess im Blick behalten, da sich die technische Planbarkeit von Stromversorgungssystemen dadurch ändert. Wer heute neu plant, muss antizipieren, ob eine Komponente in drei Jahren noch zulässig ist. Die Rahmenrichtlinie verleiht der EU die Kompetenz, weitere Komponenten reguliert auf technische Standards festzulegen.
Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (Bauprodukteverordnung): Schnittstelle zwischen Stromversorgung und Bauwesen
Sobald Stromversorgungskomponenten fest in bauliche Strukturen integriert werden, z.B. als Installationsverteiler im Fluchtweg, als Stromschiene im Doppelboden, als brandschutzklassifizierte Leitung im Versorgungsschacht oder als Versorgungseinheit im RZ-Raumabschluss, greift die Bauprodukteverordnung. Sie verlangt Nachweise zu Feuerverhalten, Freisetzung gefährlicher Substanzen, mechanischer Festigkeit, Emissionen und Beständigkeit. Die Schnittstelle zwischen elektrotechnischer Funktion und baurechtlicher Genehmigungsfähigkeit wird in Rechenzentren besonders relevant, da viele Energiekomponenten gleichzeitig technische Betriebsmittel und Bauprodukte sind.
Elektrofachkräfte müssen sicherstellen, dass verwendete Produkte sowohl elektrotechnisch konform als auch baurechtlich zugelassen sind. Ein brandschutzkonformer Verteiler ohne CE-Kennzeichnung nach EMV-Richtlinie ist ebenso unzulässig wie ein normgerechtes USV-Modul mit mangelhafter Rauchklassifizierung.
Fazit: Stromversorgung im Rechenzentrum wird zur regulierten Hochsicherheitsinfrastruktur
Die analysierten Richtlinien greifen ineinander und betreffen alle Phasen des Betriebs, von der Produktwahl über die Installation bis zur Wartung und IT-Sicherheit. Für Elektrofachkräfte bedeutet das einen Paradigmenwechsel. Was früher als technisches Gewerk galt, wird jetzt zur rechtlich überwachten Infrastrukturdisziplin. EMV, Energieeffizienz, funktionale Sicherheit, Cybersecurity und Resilienzanforderungen bilden ein komplexes Regelwerk, das technische Expertise, Normenkenntnis und regulatorische Wachsamkeit zugleich erfordert.
Weitere Beiträge zum Thema
Fortschrittlicher Brandschutz für elektrische Installationen und Schaltschränke in Rechenzentren
Brandrisiko von Lithium-Ionen-Akkus
Anwendungsbereiche von Schaltanlagen
Funktionserhalt von elektrischen Leitungsanlagen im Brandfall
Sicherheitsstromversorgung und Ersatzstromversorgung: das ist der Unterschied
Kommentare
Einen Kommentar schreiben