Elektrische Leitungen in Flucht- und Rettungswegen
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Steht die Elektrofachkraft vor der Aufgabe, in Flucht- und Rettungswegen Elektroinstallationen durchzuführen, muss sie zusätzliche Anforderungen berücksichtigen, die die elektrischen Leitungsanlagen erfüllen müssen.
Zu den schützenswerten Flucht- und Rettungswegen zählen die notwendigen Flure und die offenen Gänge vor Gebäudeaußenwänden sowie die notwendigen Treppenräume und die Räume zwischen notwendigen Treppenräumen und den Ausgängen ins Freie.
Arten und Definitionen von Flucht- und Rettungswegen
Es stellt sich zu Recht die Frage, was diese baurechtlichen Begrifflichkeiten bedeuten und wo und wie sie definiert sind.
Die exakten Definitionen findet der interessierte Leser beispielsweise in den §§ 35 und 36 der Bauordnung NRW 2018 i. d. F. vom 07.09.2024. Die Bauordnungen der Bundesländer (LBOs) basieren in aller Regel auf der Musterbauordnung des Bundes, länderspezifische Abweichungen sind aber in bestimmten Fällen möglich. Zusammenfassend lässt sich für die Elektrofachkraft in NRW Folgendes festhalten:
- Notwendige Flure sind laut § 36 Abs. 1 BauO NRW 2018 „Flure, über die Rettungswege aus Aufenthaltsräumen oder aus Nutzungseinheiten mit Aufenthaltsräumen zu Ausgängen in notwendige Treppenräume oder ins Freie führen“.
An dieser Stelle sollen u.a. die Ausnahmen für Flure, die zu Büro- und Verwaltungsbereichen gehören und deren Nutzfläche pro Geschoss 400 m2 nicht überschreiten, sowie für Flure innerhalb von Wohnungen nicht unerwähnt bleiben. Ob diese Ausnahmen angewendet werden können, ist jedoch im Einzelfall, z.B. durch einen Brandschutzsachverständigen im Rahmen eines Brandschutzkonzepts, festzustellen. - Offene Gänge vor Gebäudeaußenwänden sind laut § 36 Abs. 5 BauO NRW 2018 alle offenen Gänge vor Außenwänden, die als notwendiger Gang genutzt und mittels offener Wände und Brüstungen erstellt werden.
- Notwendige Treppenräume sind laut § 35 Abs. 1 BauO NRW 2018 alle Rettungswege, die über eine Treppe (sogenannte notwendige Treppe) und direkt ins Freie führen.
Räume zwischen notwendigen Treppenräumen und den Ausgängen ins Freie sind laut § 35 Absatz 3 BauO NRW alle Räume, die einen notwendigen Treppenraum mit einem Ausgang ins Freie verbinden.
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Leitungsanlagen sind gemäß 3.1 MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie) i. d. F. vom 03.09.2020 in notwendigen Treppenräumen, Fluren sowie in Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen nur zulässig, wenn die Nutzung als Rettungsweg im Brandfall ausreichend lang möglich ist.
Hinweis:
Gemäß Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung – 614-408 – vom 07.12.2018 wurden die LAR NRW und LüAR NRW zum 02.01.2019 außer Kraft gesetzt. Zeitgleich sind die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (MLAR) sowie die Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Lüftungsanlagen (M-LüAR) in Kraft getreten.
Zugegebenermaßen liegen die genannten baurechtlichen Definitionen nicht in der Kernkompetenz einer Elektrofachkraft. Aber gerade deshalb sollten sich Elektrofachkräfte vor Beginn der Planung, bei Umbaumaßnahmen oder bei Unklarheiten an den Architekten, Brandschutzsachverständigen, Bauleiter oder Betreiber des Gebäudes wenden. Ebenso helfen die innerhalb eines Gebäudes aushängenden Flucht- und Rettungspläne oft weiter. In diesen sind die offiziellen Flucht- und Rettungswege mit grüner Farbe markiert.
Installation von elektrischen Leitungen in Flucht- und Rettungswegen
Steht die Elektrofachkraft in NRW (bzw. in anderen Bundesländern) nun vor der Aufgabe, in den oben genannten Bereichen Elektroinstallationen durchzuführen, so muss sie die Bedingungen gemäß der jeweils einschlägigen Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (MLAR) berücksichtigen. Dazu zählen u. a.:
- Verteilungen und Messeinrichtungen von elektrischen Anlagen sind grundsätzlich gegenüber
- notwendigen Treppenräumen und Räumen zwischen notwendigen Treppenräumen und Ausgängen ins Freie durch mindestens feuerhemmende Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen abzutrennen (Öffnungen in diesen Bauteilen sind durch mindestens feuerhemmende Abschlüsse aus nichtbrennbaren Baustoffen mit umlaufender Dichtung zu verschließen), bzw.
- notwendigen Fluren durch Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen mit geschlossenen Oberflächen abzutrennen (Öffnungen in diesen Bauteilen sind mit Abschlüssen aus nichtbrennbaren Baustoffen mit geschlossenen Oberflächen zu verschließen).
- Elektrische Leitungen müssen
- einzeln oder nebeneinander angeordnet voll eingeputzt,
- in Schlitzen von massiven Bauteilen, die mit mindestens 15 mm dickem mineralischem Putz auf nichtbrennbarem Putzträger oder mit mindestens 15 mm dicken Platten aus mineralischen Baustoffen verschlossen werden,
- innerhalb von mindestens feuerhemmenden Wänden in Leichtbauweise, jedoch nur Leitungen, die ausschließlich der Versorgung der in und an der Wand befindlichen elektrischen Betriebsmitteln dienen,
- in Installationsschächten und -kanälen nach Abschnitt 3.5 MLAR,
- über Unterdecken nach Abschnitt 3.5 MLAR,
- in Unterflurkanälen nach Abschnitt 3.5 MLAR oder
- in Systemböden (siehe hierzu die Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Systemböden)
verlegt werden.
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Ausnahmen für elektrische Leitungsanlagen in Flucht- und Rettungswegen
Für die Verlegung von elektrischen Leitungen gibt es jedoch auch einige zulässige Ausnahmen. So dürfen Leitungen in Flucht- und Rettungswegen offen verlegt werden, wenn sie gemäß 3.2.1 Satz 2 MLAR (Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen) i. d. F. vom 03.09.2020
- nichtbrennbar sind,
- ausschließlich der Versorgung der Räume und Flure nach Abschnitt 3.1.1 dienen oder
- Leitungen mit verbessertem Brandverhalten in notwendigen Fluren von Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3 sind, deren Nutzungseinheiten eine Fläche von jeweils 200 m2 nicht überschreiten und die keine Sonderbauten sind.
Außerdem dürfen in notwendigen Fluren einzelne kurze Stichleitungen offen verlegt werden. Wenn für die offene Verlegung nach Satz 2 Elektro-Installationskanäle oder -rohre – siehe DIN EN 50085-1 (VDE 0604 Teil 1) – verwendet, so müssen diese aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen.
Fazit
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen deutlich die Komplexität der Elektroinstallation in Flucht- und Rettungswegen und die enge Verknüpfung mit der Bauordnung. Zusammenfassend lässt sich jedoch feststellen, dass vor den Elektroinstallationsarbeiten eine Klärung des Status des Flucht- und Rettungswegs erforderlich ist. Erst danach ist ein fachgerechtes und wirtschaftliches Arbeiten für die Elektrofachkraft möglich.
Beitrag aus dem Jahr 2015, aktualisiert im September 2024
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Kommentare
Kommentar von I.Yousif |
ich bin am Planungsphase für renovierng eines MFH, die Zuleitungen für Wohnungen sind in eine Metalkanall durch TH hochgezogen, dises Kanal ist schrott, muss ich ein F90 Kanal planen? oder reicht ein nichtbrennbare Kanal?
Kommentar von R. Salz |
Wie sieht es mit Installation eines kleinen Lesegerätes eines Zutrittskontrollsystems aus, dass am Eingang des Flurs installiert wird und dessen IT-Kabel direkt vom Leser durch die Wand in den nebenan liegenden Raum verlegt ist (CAT7).
Eine Stromversorgungsleitung ist hier nicht erforderlich.
Kommentar von Rainer Kilb |
Hallo , was ist mit bestehenden Anlagen (Verteilung, Kabelkanäle, Kabel) in Fluchtwegen, müssen diese eingehaust bzw. verlegt werden?
Kommentar von Nicole |
Muss ich mein Kabel in einen Metallkanal legen, wenn nicht Unterputz? Es geht vom Vorraum von Kantine und Sanitäranlagen nach aussen. Für eine neue Aussenbeleuchtung. Die von einer Verteilerdose vom Vorraum abgehen soll.
Kommentar von OldBell |
nein, Stromspeicher gehört nicht zur Rettungswegeinrichtungen.
Ja, wenn diese Gerät wir Gehäuse E30/I30 haben
Kommentar von Alex |
Darf mein Vermieter im EG eines Treppenhauses, obere Etage Mietwohnungen, einen Tesla Stromspeicher mit dazugehörigen Geräten installieren? Treppenhaus gleich Fluchtweg.
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