Unfallbericht: Leichtfertiges Handeln führt zu Stromunfall

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Hinter Abdeckungen von Schaltschränken müssen Sie immer mit berührbaren, unter Spannung stehenden Teilen rechnen.
Hinter Abdeckungen von Schaltschränken müssen Sie immer mit berührbaren, unter Spannung stehenden Teilen rechnen. (Bildquelle: franz12/iStock/Thinkstock)

Beim Umgang mit elektrischem Strom müssen Sie stets vorsichtig sein. Denn leichtfertiges Handeln kann schnell zu einem Stromunfall führen. So war es auch beim folgenden Unfallbeispiel. Ein Monteur führte Installationsarbeiten unter Spannung durch, obwohl ein Arbeiten unter Spannung im Voraus nicht vereinbart wurde. Der Monteur erlitt eine tödliche Körperdurchströmung.

Arbeitsauftrag

Ein Supermarkt wurde renoviert. Zu den diversen notwendigen Umbauarbeiten gehörte auch die Installation eines neuen Leuchtenbands. Eine Elektroinstallationsfirma wurde mit den Arbeiten beauftragt. Zwei Monteure der Firma sollten mit den Installationsarbeiten beginnen. Die Anschlussarbeiten an die vorhandene Installation sollten erst nach Freischaltung erfolgen. Der Zeitpunkt der Freischaltung war für später vereinbart worden.

Stromunfall wegen leichtfertigem Handeln

Einer der Monteure begann damit, die Leuchten einzubauen. Währenddessen verlegte sein Kollege bereits die Leitungen von den Leuchten zum Verteilerschrank. Hierfür hatte er die Abdeckungen des Verteilerschranks schon teilweise abgenommen, um die Leitungen bereits bis in den Schrank einziehen zu können. Er setzte außerdem bereits Leitungsschutzschalter ein und klemmte die Leitungen abgangsseitig an.

Kurz nach Mittag hörte der Monteur plötzlich einen Aufschrei. Sofort blickte er sich um und sah den Kollegen, der zitternd vor dem Verteilerschrank stand. Sofort griff er nach seiner Arbeitsjacke, die über der Schaltschranktür hing, und zog den Kollegen von der Verteilung weg. Dieser fiel bewusstlos zu Boden. Sofort eilten Lagermitarbeiter des Supermarkts herbei, um erste Hilfe zu leisten. Bis der Notarzt eintraf, führten sie Herzdruckmassagen und Mund-zu-Mund-Beatmung durch. Dennoch verstarb der Monteur leider auf dem Weg ins Krankenhaus.

Leichtfertiges Handeln war alleinige Unfallursache

Die spätere Unfalluntersuchung ergab Strommarken an der rechten Hand. Während der Installationsarbeiten hatte der Monteur im hinteren Schrankbereich unter Spannung stehende Teile berührt; es kam zu einer Körperdurchströmung. Alleinige Unfallursache war das leichtfertige Handeln des Monteurs. Ein Arbeiten unter Spannung war nicht vereinbart worden. Im Arbeitsauftrag war klar definiert worden, dass die Anschlussarbeiten erst nach der Freischaltung erfolgen sollten. Es bestand keine Notwendigkeit, die Installation im Verteilerschrank ohne Freischaltung durchzuführen.

Der Monteur verstieß also gegen die 5 Sicherheitsregeln, die bei möglicher gefährlicher Annäherung ein vorheriges Abdecken oder eine vollständige Außerbetriebnahme verlangen (§ 6 der DGUV Vorschrift 3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“).

§ 6 – Arbeiten an aktiven Teilen

(1) An unter Spannung stehenden aktiven Teilen elektrischer Anlagen und Betriebsmittel darf, abgesehen von den Festlegungen in § 8, nicht gearbeitet werden.

(2) Vor Beginn der Arbeiten an aktiven Teilen elektrischer Anlagen und Betriebsmittel muss der spannungsfreie Zustand hergestellt und für die Dauer der Arbeiten sichergestellt werden.

(3) Absatz 2 gilt auch für benachbarte aktive Teile der elektrischen Anlage oder des elektrischen Betriebsmittels, wenn sie

  • nicht gegen direktes Berühren geschützt sind oder
  • nicht für die Dauer der Arbeiten unter Berücksichtigung von Spannung, Frequenz, Verwendungsart und Betriebsort durch Abdecken oder Abschranken gegen direktes Berühren geschützt worden sind.

(4) Absatz 2 gilt auch für das Bedienen elektrischer Betriebsmittel, die aktiven unter Spannung stehenden Teilen benachbart sind, wenn diese nicht gegen direktes Berühren geschützt sind.

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So vermeiden Sie Unfälle durch leichtfertiges Handeln

  • Verhalten Sie sich stets umsichtig, wenn Sie an oder mit elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln arbeiten.
  • Halten Sie sich stets genau an Ihren Arbeitsauftrag.
  • Führen Sie ohne ausdrücklichen Auftrag dazu auf keinen Fall Arbeiten unter Spannung durch.
    Wichtig: Arbeiten unter Spannung dürfen nur von Personen durchgeführt werden, die für das Arbeiten unter Spannung qualifiziert sind.
  • Führen Sie vor Beginn der Arbeiten immer die fünf Sicherheitsregeln durch.

Die fünf Sicherheitsregeln der Elektrotechnik lauten:

  1. Freischalten.
  2. Gegen Wiedereinschalten sichern.
  3. Spannungsfreiheit feststellen.
  4. Erden und kurzschließen.
  5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken.
  • Autor:

    Dr.-Ing. Jens Jühling

    Leiter der Abteilung Prävention der BG ETEM

    Jens Juehling

    Jens Jühling ist Technischer Sekretär der Internationalen Sektion Elektrizität der IVSS (Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit) und seit 2006 Leiter der Abteilung Prävention.

    Seit vielen Jahren arbeitet er im Normungsbereich „Arbeiten unter Spannung“ mit. Derzeit ist er Obmann des Normungskomitees K214 und deutscher Vertreter in der Live Working Association.

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