Elektromagnetische Felder: Ist die Gefahr berechenbar?

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Einhaltung der Grenzwerte bei elektromagnetischen Feldern ist wichtig für die Gesundheit.
Einhaltung der Grenzwerte bei elektromagnetischen Feldern ist wichtig für die Gesundheit. (Bildquelle: francescoch/iStock/Getty Images Plus)

Sind elektromagnetische Felder harmlos oder gefährlich? Es existiert eine Reihe von Grenzwerten, die in unterschiedlichen Gesetzen und Normen festgelegt wurden. Doch was sagen sie aus und wie kann man ermitteln, ob diese Grenzwerte auch eingehalten werden?

Grenzwerte zum Schutz der Menschen

Zum Schutz der Menschen vor den potenziellen Gefahren wurden normative und gesetzliche Grenzwerte erlassen. Für den Laien auf diesem Gebiet ist es schwierig einzuschätzen, wie hoch die real auftretenden Amplituden im Vergleich zu diesen Grenzwerten sind. Man befindet sich beispielsweise in einer Arbeitsumgebung, die durch viele Maschinen und Anlagen, einschließlich der notwendigen Elektroinstallationen, charakterisiert ist. Wie hoch sind die tatsächlichen Feldexpositionen im Arbeitsalltag? Wie kann man diese ermitteln? Welche physikalischen Größen müssen hierbei betrachtet werden?

Bei Letzterem unterscheiden die Normen bezüglich Größen und Grenzwerten zwischen Basisgrößen/Basisgrenzwerten und abgeleiteten Größen/abgeleiteten Grenzwerten.

Basisgrenzwerte

Was verbirgt sich hinter diesen Begriffen? Die DIN VDE 0848-2 definiert den Begriff „Basisgrenzwert“ folgendermaßen: „Aufgrund der biologischen Wirkungen festgelegter zulässiger Wert für

  • die spezifische Absorption (SA)
  • die spezifische Absorptionsrate (SAR)
  • die elektrische Stromdichte im Körper
  • den Körperstrom

und als gerätetechnischen Wert die Beeinflussungsschwelle von Körperhilfen.“

Es sind genau die Größen, die unmittelbar im Körper (einschließlich der Haut) bzw. auf Implantate (z.B. Herzschrittmacher) wirken.

Spezifische Absorptionsrate (SAR)

Eine besondere Stellung nimmt bei diesen Grenzwerten, beispielsweise bezüglich der Untersuchungen an Mobiltelefonen, die spezifische Absorptionsrate (SAR – Einheit: W/kg) ein. Nach DIN VDE 0848-1 ist die spezifische Absorptionsrate

„die zeitliche Ableitung des Quotienten aus einem Energieelement dW und dem das Energieelement absorbierende Masseelement dm, das in einem Volumenelement dV mit einer gegebenen Dichte enthalten ist.“

Verständlicher ausgedrückt, verbirgt sich hinter diesem Begriff der Energiegehalt, der von einem bestimmten Teil des Körpers aufgenommen wird und dort potenziell Veränderungen der Körperfunktion oder der Funktion eines Organs bewirken kann. Noch komplizierter wird der Sachverhalt, wenn man die Berechnungsformel der SAR betrachtet. Diese lautet nach der eben zitierten Norm:

Formel 1

Dabei sind:

Formel 2

Es ist sicher leicht zu erkennen, dass die SAR-Bestimmung ein sehr aufwendiger und komplizierter Prozess mit vielen Unbekannten ist. Eine möglichst genaue Bestimmung ist wichtig, da hieraus recht präzise Vorhersagen zu den biologischen Vorgängen im Körper bei einer Feldexposition möglich werden.

Ganz sicher stellt sie auch ein sehr interessantes, vor allem akademisches Problem dar. Für den Praktiker vor Ort, beispielsweise eine Elektrofachkraft, ist die Ermittlung der spezifischen Absorptionsrate unmöglich.

Abgeleitete Grenzwerte

Vor allem aus Gründen der praktischen Realisierbarkeit von Messungen bzw. Berechnungen ist man zur Bestimmung abgeleiteter Größen übergegangen. Dies sind

  • die magnetische Feldstärke (oder die magnetische Flussdichte),
  • die elektrische Feldstärke,
  • die Berührungsspannung und
  • die Leistungsflussdichte.

Man hat ermittelt, welche Amplituden dieser physikalischen Größen unter ungünstigsten Bedingungen vorliegen können, um die Basisgrenzwerte auf jeden Fall zu unterschreiten. Aus den Ergebnissen dieser Untersuchungen wurden die abgeleiteten Grenzwerte festgelegt. Diese Problematik wird in Folgeartikeln ausführlich diskutiert.

Verfahren zur Bestimmung der abgeleiteten Größen

Die Bestimmung der abgeleiteten Größen ist, je nach Möglichkeit, Komplexität der Bedingungen (z.B. Wie viele Quellen müssen berücksichtigt werden?) und Erfordernissen an die Genauigkeit mittels

  • Messungen,
  • analytischen Berechnungen oder
  • Simulationen

möglich.

Die möglichen Verfahren und deren Realisierung werden in der DIN VDE 0848-1 beschrieben. Am häufigsten erfolgt hierbei in der Praxis ein messtechnischer Nachweis der Grenzwerteinhaltung. Dieser liefert auch heute noch die genauesten Ergebnisse, zumal viele zusätzliche Einflüsse (Umwelt, Bebauung…) in Rechenmodellen meist vernachlässigt werden müssen.

Gleich welches Verfahren eingesetzt wird, die Anwendung erfordert einen sehr hohen Kenntnisstand, viel Erfahrung und hohe Investitionskosten bezüglich Messtechnik oder Simulationssoftware. Ein exakter Nachweis von Grenzwertunterschreitungen sollte aus diesen Gründen immer den Experten auf diesem Gebiet vorbehalten sein.

Möglichkeiten der Elektrofachkräfte

Jedoch ist es möglich und sinnvoll, dass vor den eigentlichen Untersuchungen bereits Abschätzungen oder orientierende, grobe Vormessungen durch die Elektrofachkräfte vorgenommen werden. Dies kann die Kosten für die Betriebe erheblich reduzieren. Ist beispielsweise eine eigene Anlage Ursache für mögliche Grenzwertüberschreitungen, so können vor den zu beauftragenden Messungen bereits Maßnahmen festgelegt und realisiert werden, welche die Feldstärkewerte reduzieren.

Bei diesem Vorgehen könnten externe Nachmessungen und damit Kosten entbehrlich werden, da die Grenzwertunterschreitung bereits bei der ersten exakten Messung nachgewiesen werden kann.

Messtechnische Voruntersuchnungen

Messtechnische, grobe Voruntersuchungen sollten für die Elektrofachkräfte relativ einfach durchführbar sein. Sie setzen ein wenig messtechnisches und handwerkliches Geschick sowie ein nutzbares Messgerät (Spektrumanalysator, mit Einschränkungen auch Oszilloskop) voraus. Ebenso werden E- bzw. H-Feldantennen benötigt. Diese kann man sich jedoch in einfachster Weise selbst herstellen, da die Anforderungen an die Genauigkeit der Ergebnisse von orientierenden Vorabmessungen zunächst nicht hoch sind.

Bauanleitungen für Magnetfeldantennen (z.B. Spule mit einem Durchmesser von ca. 30 cm, welche in einem einfachen, gebogenen, aber unterbrochenen Kupferrohr angebracht wird) oder einfache E-Feldantennen (z.B. Dipole oder Monopole (auch als Teleskopantenne), wie sie aus der Rundfunktechnik bekannt sind) sind in der Literatur und im Internet in großer Auswahl verfügbar. Man sollte sich in einmaligen Messungen den Antennenfaktor bestimmen lassen und hat somit immer geeignete Antennen zur Verfügung.

Zu beachten ist, dass bei diesen Messungen der Betrag, welcher sich, auch auf Grund möglicher Reflexionen oder einer Summation aus Anteilen verschiedener Quellen zusammensetzt, ermittelt werden muss. Dies macht drei Einzelmessungen (in jede Raumrichtung eine) und die Bildung des Betrages erforderlich.

Der Betrag des E- bzw. H-Feldstärkewertes ergibt sich durch geometrische Addition der Feldstärkewerte in x-, y- und z-Richtung wie folgt:

Formel 3

Besteht die Möglichkeit der Nutzung eines Feldstärkeanalysators, so erfolgt die Betragsbildung meist geräteintern, da die Sonden der Analysatoren meist bereits drei Antennen enthalten, die jeweils 90° zueinander angeordnet sind.

Legt die Norm, insbesondere im unteren Frequenzbereich, magnetische Flussdichtewerte, anstelle der magnetischen Feldstärke zu Grunde, so kann man die Feldstärken mittels der folgenden Beziehung in Flussdichtewerte umrechnen.

Formel 4

wobei B die magnetische Flussdichte in µT, µ=µ0*µr die Permeabiltät (µr besitzt in Luft den Wert 1) und H die ermittelte magnetische Feldstärke in A/m sind.

Rechnerische Abschätzungen

Auch zur rechnerischen Abschätzung auftretender elektrischer und magnetischer Felder besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten. Ihr besonderes Interesse, liebe Elektrofachkräfte, sollte hier den Abschätzungen der niederfrequenten Magnetfelder gelten. Diese können durch Ihre tägliche Arbeit in entscheidendem Maße beeinflusst und damit auch reduziert werden.

Möglichkeiten hierzu werden ausführlich in einem EMV-Artikel zur Problematik der niederfrequenten Magnetfelder dargestellt und diskutiert, welcher in Kürze an dieser Stelle erscheinen wird.

Auch bei der Betrachtung hochfrequenter Quellen bestehen Abschätzungsmöglichkeiten. Die genaue Berechnung auftretender elektrischer Feldstärken, verursacht durch Fernsehsender oder Mobilfunkbasisstationen, ist sehr kompliziert. Benötigt man jedoch nur einen orientierenden Wert, so kann man diesen in erster Näherung durch die empirische Beziehung

Formel 5

bestimmen. In dieser Formel sind E… die elektrische Feldstärke in V/m, r… der Abstand von der Antenne in m und P die Leistung in Watt.
Man benötigt hierbei natürlich Kenntnis von der ungefähren Sendeleistung der Quelle. Auch hierzu werden in der Literatur und im Internet Aussagen getroffen.

Will man beispielsweise wissen, welche elektrische Feldstärke von einer Mobilfunkbasisstation mit einer Leistung von 20 W (übliche Sendeleistung) in 100 m Entfernung ausgeht, so setzt man die Werte in obige Gleichung

Formel 6

und erhält einen Feldstärkewert von rund 0,3 V/m. Dies ist, verglichen mit den relevanten Grenzwerten, ein sehr kleiner Wert.

Autor: Dipl.-Ing. Gerd Zschau, Technische Universität Dresden, Elektrotechnisches Institut

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