Störungen durch niederfrequente Magnetfelder – Teil 1
- Kommentare: 0
- Sicher arbeiten
- Artikel als PDF herunterladen
Jeder elektrische Strom verursacht ein Magnetfeld, jede elektrische Spannung ruft ein elektrisches Feld hervor. In diesem ersten Teil des Beitrags geht es um die Ursachen der Beeinflussung von elektrischen Anlagen oder Geräten duch niederfrequente Magnetfelder.
Auswirkungen niederfrequenter Magnetfelder
Diese können, neben Effekten wie flackernden Computermonitoren, auch zu Strominduktionen in die Installation oder direkt in die Geräte (z.B. auf die Leiterplatten und deren Bauelemente) führen.
Die dabei auftretenden Beeinflussungserscheinungen lassen sich meist nicht auf so einfache Art und Weise den Magnetfeldern als Störgröße zuordnen. Hier ist eine genauere Störungsanalyse notwendig, für die oftmals der Rat von Experten auf diesem Gebiet eingeholt werden muss.
In vielen Fällen können aber die Elektrofachkräfte bereits erste Untersuchungen und Abschätzungen selbst und mit eigenen Mitteln vornehmen, die den erforderlichen Aufwand bei der Störungsbeseitigung stark zu reduzieren helfen.
Anwendung des Beeinflussungsmodells
Werden niederfrequente Störfelder als eine mögliche Störungsursache vermutet, so sollte man bei den Betrachtungen zunächst von einem Beeinflussungsmodell ausgehen.
Man führt eine Dreiteilung des Problems durch, sucht zunächst nach
- potenziellen Störquellen,
- einem möglichen Übertragungsweg
- und analysiert das Störverhalten des betroffenen Gerätes oder der Anlage als Störsenke.
Die Störsenke ist bei einer bereits aufgetretenen Beeinflussung bekannt. Der Übertragungsweg einer feldgebundenen Störung ist der Raum um die beeinflusste Einrichtung, also der Luftweg.
Den gleichen Ansatz wählt man, wenn es darum geht, eine Neuanlage zu konzipieren und zu errichten, die Komponenten oder Geräte enthält, die auf niederfrequente oder auch statische Magnetfelder sensibel reagieren.
Potenzielle Störquellen
Verursacher, die sehr häufig zu Beeinflussungen und Störungen durch statische oder niederfrequente Magnetfelder führen, sind beispielsweise:
- Straßenbahnen (in den meisten Gebieten Deutschlands Gleichfelder),
- Computertomographen (besonders bei Installationen in Krankenhäusern zu beachten, ebenfalls Gleichfelder),
- elektrifizierte Bahnstrecken (16 2/3-Hz-Felder) und
- Elektroinstallationen in Gebäuden und Anlagen (in Deutschland 50 Hz-Felder).
Jede Störquelle wirkt bezüglich ihrer eigenen Funktion auch gleichzeitig als Senke. Insbesondere trifft dies hier auf die Elektroinstallationen zu. Deshalb werden sie im zweiten Teil dieses Artikels gesondert betrachtet.
Bahnanlagen als Magnetfeldquellen
Liegt die Vermutung nahe, dass eine elektrifizierte Bahnstrecke oder eine Straßenbahn Ursache der auftretenden Störung ist, so sollte zunächst die Magnetfeldamplitude abgeschätzt werden, welche durch diese verursacht werden kann. Hierzu bedient man sich zunächst einer einfachen Näherung. Die Verhältnisse sind in der Abbildung 1 dargestellt:
Man greift auf die physikalischen Vorgänge an einem unendlich langen Leiter zurück und schätzt das Magnetfeld, welches am Ort der beeinflussten Anlage auftreten kann, mittels der Beziehung
ab. H ist hierbei die magnetische Feldstärke in A/m, I die Stromstärke in A und r der Abstand der gestörten Anlage von der Bahnstrecke in m. Bedingung für die Anwendung dieser Beziehung ist, dass der Abstand r kleiner als der Abstand zwischen Oberleitung und Schiene (h) ist, d.h. dass sich die Anlage oder das Gerät in unmittelbarer Bahnnähe befindet. Ist die Entfernung größer, so erweitert sich die Beziehung zu
wobei h den Abstand zwischen Oberleitung und Schiene darstellt. Die Größen r und h lassen sich meist gut schätzen oder messen.
Problematischer ist dies bei der Stromstärke, die in den meisten Fällen unbekannt ist. Für eine worst-case-Betrachtung sollten Stromstärken zwischen 1.000 A und 4.000 A angesetzt werden. Dies sind übliche Stromstärken im Zugverkehr, wobei Stromstärke und Geschwindigkeit annähernd proportional sind. Bei sehr langsamer Zugfahrt geht I bis auf Werte von 500 A zurück, beim Bremsen oder Anfahren müssen impulsförmige Überhöhungen beachtet werden.
Achtung! Besteht vom Ort der Anlage aus eine direkte Sichtverbindung zur Bahnlinie, wird häufig unterstellt, dass unmittelbar dann die höchste Magnetfeldamplitude auftritt, wenn der Zug sich an der Position befindet, die der Störsenke am nächsten ist. Diese Vermutung erweist sich jedoch vielfach als falsch.
Sehr häufig wird der höchste Magnetfeldwert bereits früher oder auch mehrere Minuten später erreicht, wenn der Zug vor einem Signal oder im nächsten Bahnhof bremst. Man darf insbesondere messtechnische Untersuchungen deshalb nie zu früh abbrechen. Ansonsten kommt es zu Fehlinterpretationen!
Welche Betriebsmittel werden am häufigsten beeinflusst?
Damit es wirklich zu einer Beeinflussung und damit zu einem Störfall kommen kann, müssen entweder Komponenten vorhanden sein, die sehr sensibel auf niederfrequente oder statische Magnetfelder reagieren oder es müssen Antennenstrukturen (Magnetfeldantennen=Schleifenstrukturen) in der Installation oder dem Gerät ausgebildet sein.
Nachfolgend werden einige Beispiele für Einrichtungen aufgeführt, bei denen es sehr häufig und in sehr starkem Maße zu Störungen durch Magnetfelder kommt:
- Komponenten, die Elemente enthalten, welche H-Felder detektieren oder auswerten (z.B. Hall-Sensoren),
- herkömmliche Computermonitore (nicht LCD-Displays!),
- Elektronenstrahlmikroskope,
- Audiosysteme,
- analoge Messeinrichtungen (einschließlich der Signalübertragung),
- für störanfällige Verbraucher ungeeignete Elektroinstallationen und
- fehlerhaft ausgeführte Elektroinstallationen.
Es muss beachtet werden, dass manche Betriebsmittel (z.B. Elektronenstrahlmikroskope mit hoher Auflösung und Computermonitore) schon bei sehr kleinen Feldamplituden Fehlererscheinungen zeigen, andere dagegen resistenter sind.
So können die folgenden Feldstärkewerte als beispielhafte Richtgrößen von Beeinflussungsschwellen angenommen werden:
- sichtbare Bewegungen von Bildpunkten auf einem Computermonitor (17''): ab ca. 1 A/m,
- Farbverfälschungen auf dem Monitor: ab ca. 10 A/m,
- vollständige Farbverfälschung: ab ca. 30 A/m,
- unzulässige Spannungsinduktionen in Schaltkreisen: ab ca. 2000 A/m und
- Informationsänderungen auf magnetischen Speichermedien: ab ca. 5000 A/m.
Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, die sicherstellen, dass die jeweiligen Beeinflussungsschwellen in jedem Fall unterschritten werden. Die Kenntnis der physikalischen Vorgänge und der Höhe der Beeinflussungsamplituden können Sie, liebe Elektrofachkräfte, sehr gewinnbringend und effektiv einsetzen.
Dies kann beispielsweise geschehen, indem Sie einen Computermonitor sozusagen als „Messgerät“ für niederfrequente Magnetfelder nutzen und somit potenziellen Störquellen auf die Spur kommen.
Schirmung gegen niederfrequente Magnetfelder
Da es sich bei den niederfrequenten Magnetfeldern um ein feldgebundenes Störphänomen handelt, liegt es nahe die Probleme mit Hilfe von Schirmungsmaßnahmen beseitigen zu wollen.
Jedoch gestaltet sich dies sehr schwierig. Oftmals erreicht man keinerlei zufrieden stellende Effekte. Elektrische Felder lassen sich sehr gut mit einfachen und unkomplizierten Mitteln abschirmen, niederfrequente H-Felder nicht. Eine Schirmung muss in diesem Fall folgende Eigenschaften aufweisen:
- Sie muss möglichst nahe um das zu schirmende Objekt erfolgen.
- Das Schirmmaterial muss eine sehr hohe relative Permeabilität (µr) besitzen.
- Je dicker die Wandstärke der Schirmung ist, desto besser ist der Schirmungseffekt.
Die Permeabilität von Stahl reicht in den meisten Fällen für eine Schirmung nicht aus. Mit diesem Material lassen sich maximal Erfolge erzielen, wenn eine sehr geringe Schirmdämpfung erforderlich ist, d.h. wenn die Störschwelle nur um einen sehr kleinen Wert überschritten wurde.
In allen anderen Fällen müssen Materialien verwendet werden, deren µr in Größenordnungen höher ist. Ein solches Material ist beispielsweise Mu-Metall, eine Legierung aus verschiedenen Magnetmaterialien. Mu-Metall weist aber für die praktische Anwendung einige sehr nachteilige Eigenschaften auf. Es ist sehr spröde und mechanisch damit nicht beanspruchbar.
Wird es beispielsweise hart aufgesetzt, so bilden sich sehr schnell Haarrisse. Es tritt anschließend kein Schirmungseffekt mehr auf. Außerdem darf Mu-Metall mit herkömmlichen Zerspanungsverfahren (z.B. Bohren) nicht bearbeitet werden. Die thermische Belastung würde die Magnetfeldeigenschaften verändern. Auch in diesem Fall wäre es nicht mehr für Schirmungsaufgaben einsetzbar. Dies reduziert die Einsatzmöglichkeiten gewaltig. Lediglich Schirmungen um Einzelgeräte sind denkbar. Aber auch hier stößt man schnell an Grenzen.
So muss beispielsweise bei einem Elektronenstrahlmikroskop die Einheit, welche den Strahl führt, höhenverstellbar sein. Damit würde die Schirmung entweder Schlitze aufweisen oder der oben genannte erste Punkt (eng um das Objekt) wäre nicht mehr erfüllt.
Eingesetzt wurden und werden teilweise heute noch Mu-Metall-Schirmungen bei Computermonitoren. Diese sind oftmals konturangepasst. Übliche Wandstärken sind 1 mm (bei Feldstärken bis maximal 16 A/m) und 2 mm (bei Feldstärken bis 20 A/m bis maximal 25 A/m). Bei höheren Feldstärkewerten benötigt man mehrere Schirmungsschichten (Gehäuse mit einer Wand Mu-Metall, anschließend Luft, anschließend wieder eine Wand Mu-Metall).
Alternativ bestehen Möglichkeiten einer aktiven Magnetfeldkompensation. Hierzu werden an einem quaderförmigen Gestell zwei Sensoren angebracht, welche die Richtung und die Amplitude des H-Feldes detektieren und an eine Steuereinheit melden. Anschließend wird in dem Volumen, in das der Monitor gestellt wird, ein Gegenfeld erzeugt. Dies bewirkt eine Kompensation.
Für verschiedene Anwendungen (z.B. bei Elektronenstrahlmikroskopen) werden auch komplette Raumkompensationen zur Problemlösung angeboten.
Ausblick
Der zweite und letzte Teil zur Problematik der niederfrequenten Magnetfelder "Störungen durch niederfrequente Magnetfelder – Teil 2" beschäftigt sich mit den Gegebenheiten der Elektroinstallationen. Es wird diskutiert, wo die Schwerpunkte der Problematik liegen, welche Ausführungsformen geeignet sind und Maßnahmen zur Reduzierung der Beeinflussungswahrscheinlichkeit vorgeschlagen.
Darüber hinaus werden wiederum Möglichkeiten einfacher Abschätzungen vorgeschlagen, die von den Elektrofachkräften problemlos umgesetzt werden können.
Hier geht es zu Teil 2 des Beitrags.
Autor: Dipl.-Ing. Gerd Zschau, Technische Universität Dresden, Elektrotechnisches Institut
Kommentare
Einen Kommentar schreiben