Störungen durch niederfrequente Magnetfelder – Teil 2

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Die Elektroinstallation im Zusammenhang mit den angeschlossenen Betriebsmitteln spielt eine entscheidende Rolle bei möglichen Störungen durch niederfrequente Magnetfelder
Die Elektroinstallation im Zusammenhang mit den angeschlossenen Betriebsmitteln spielt eine entscheidende Rolle bei möglichen Störungen durch niederfrequente Magnetfelder (Bildquelle: John-Kelly/iStock/Getty Images Plus)

Die Beeinflussung einer elektrischen Anlage oder eines Geräts durch niederfrequente Magnetfelder kann viele Ursachen haben. Einige wichtige Aspekte haben wir Ihnen, liebe Elektrofachkräfte, im ersten Teil dieser Serie vorgestellt. Eine entscheidende Rolle hinsichtlich möglicher Beeinträchtigungen spielt die Elektroinstallation im Zusammenhang mit den angeschlossenen Betriebsmitteln. Diese Problematik steht deshalb im Mittelpunkt des zweiten Teils unserer Serie „Störungen durch niederfrequente Magnetfelder – Teil 2“.

Die Konzipierung, Ausführung und Realisierung einer Elektroinstallation entscheidet in hohem Maße über die Amplituden niederfrequenter Magnetfelder, die im Umfeld einer elektrischen Anlage auftreten.

Die Voraussetzung für die Ausbildung eines Magnetfeldes bildet ein Stromfluss.

Jeder elektrische Strom hat ein magnetisches Feld zur Folge!

Betrachtet man einen sehr langen Einzelleiter, wie er bei geringem Abstand von einer elektrifizierten Bahnstrecke vorhanden ist (siehe „Störungen durch niederfrequente Magnetfelder – Teil 1“), so bildet sich das Magnetfeld um diesen Leiter herum aus.

Bei Leitungen mit zwei oder mehr Leitern kommt es auf Grund des Phasenversatzes der Ströme zunächst auch zur Ausbildung von Magnetfeldern, die jedoch in der Phase zueinander verschoben sind.

Diese Felder kompensieren sich zumindest teilweise und sind ab einem bestimmten Abstand nicht mehr nachweisbar und rufen somit auch keine Beeinflussungserscheinungen an den Verbrauchern hervor.

Beispiel:

In der Abbildung 1 ist ein Vierleiterkabel vereinfacht dargestellt. Der PE-Leiter wurde vernachlässigt. Es wird idealisiert angenommen, dass die Stromstärke auf den Leitern L1, L2 und L3 den gleichen Wert annimmt, aber in der Phase um jeweils 120° versetzt ist.

Vereinfachte Darstellung eines Vierleiterkabels
Abb. 1: Vereinfachte Darstellung eines Vierleiterkabels

In diesem Fall bilden sich drei, ebenfalls um 120° phasenverschobene Magnetfelder heraus. Diese überlagern sich. Ab einer Entfernung s vom Kabel kommt es zu einer Kompensation. Das resultierende Magnetfeld ist gleich Null. In der Praxis tritt dieser Fall jedoch in der heutigen Zeit fast nie auf.

Die Gründe sind identisch mit denen in den Artikeln „Probleme durch moderne Technik – Oberschwingungen, Teil 1“, „Das rechte Maß der Dinge – Oberschwingungen, Teil 2“ und „Ein Schritt in die richtige Richtung – Probleme mit Oberschwingungen, Teil 3“ dargestellten.

Schwerpunktmäßig zusammengefasst sind es:

  • der Einsatz nichtlinearer Verbraucher und
  • die ungleiche Belastung der Einzelleiter vorrangig durch einphasige Lasten.

Einphasige Verbraucher rufen Unterschiede in den Strombelastungen der Einzelleiter hervor. An vielen Anlagen sind diese ungleichmäßig auf die Leiter L1 bis L3 aufgeteilt. Dies hat dann eine Vergrößerung der Stromdifferenz der einzelnen Leiter zur Folge. Diese Amplitudendifferenz tritt natürlich proportional auch bei den Magnetfeldern auf.

In der Folge ist keine vollständige Magnetfeldkompensation mehr möglich.

Nichtlineare Verbraucher als Ursache von Störungen

Darüber hinaus kommt es beim Einsatz nichtlinearer Verbraucher (nicht sinusförmige Strom- bzw. Spannungscharakteristiken) zur Ausbildung von Oberschwingungen (siehe oben genannte Artikel). Die Oberschwingungen weisen auf den Leitern ein anderes Phasenverhalten als die Grundschwingung (50 Hz in Deutschland) auf.

Bei allen ungeraden und durch drei teilbaren Ordnungen kommt es sogar zu einer gleichphasigen Überlagerung (z.B. 150 Hz und 450 Hz). Dies bedeutet, die niederfrequenten Magnetfelder der Einzelleiter kompensieren sich nicht mehr.

Da es teilweise zu gleichphasigen Stromadditionen kommt, steigen die Magnetfeldamplituden bei diesen Frequenzen stark an. Fast jeder Verbraucher weist in der gegenwärtigen Zeit nichtlineares Verhalten auf (z.B. Schaltnetzteile).

Dies führt in der Folge zu einem enormen Anstieg der Magnetfeldamplituden und damit auch zu einer Steigerung potenzieller Beeinflussungen und zu Störungen an den Betriebsmitteln.

Magnetfeldantennen

Damit ein magnetisches Feld in den freien Raum gelangen kann, bedarf es geeigneter Antennenstrukturen. Magnetfeldantennen sind immer schleifenförmig (im weitesten Sinne) aufgebaut. In ihnen muss ein Stromfluss möglich sein. Die Voraussetzungen sind demnach ein niederohmiges und geschlossenes System, wie es Luftspulen und Stromschleifen darstellen.

Die Amplitude des Magnetfeldes erhöht sich bei einem derartigen Gebilde proportional zur Windungszahl, zur Stromstärke und zum Oberflächeninhalt der Schleife.

H ~ N,I,A ,

wobei H die magnetische Feldstärke, I die Stromstärke und A den Oberflächeninhalt der Schleife verkörpern.

Betrachtet man nun eine reale Installation so wird deutlich, dass in der Gesamtinstallation sehr viele derartige Antennen existieren. Abbildung 2 zeigt dies am Beispiel des Potenzialausgleichssystems im TN-C-Netz.

Schleifenströme auf den PEN-Leitern im TN-C-Netz
Abb. 2: Schleifenströme auf den PEN-Leitern im TN-C-Netz

TN-C-Netze sorgen für Probleme

Legt man obige Beziehung zu Grunde so ergibt sich folgender Stand:

Die Windungszahl N ist gleich 1. Hier kann keine Veränderung zur Magnetfeldreduzierung erfolgen. Die Stromstärke I setzt sich aus den Anteilen bei 50 Hz und den Oberschwingungsanteilen zusammen. Der 50 Hz-Anteil könnte durch den Einsatz von Verbrauchern mit geringerer Stromaufnahme und eine bessere Verteilung der einphasigen Lasten reduziert werden.

Das größte Potenzial, welches Sie, liebe Elektrofachkräfte, beeinflussen könnten besteht in der Reduzierung der Schleifenfläche A und der Wahl einer geeigneten Netzform.

Maßnahmen

Mögliche und erforderliche Maßnahmen hierzu sind beispielsweise:

  • Wahl der Leitungsführung so, dass sich möglichst geringe Abstände zwischen den einzelnen PE/PEN-Leitern ergeben (Verringerung der Schleifenbreite) und
  • Verlegung der Leitungen dicht über der Oberfläche einer metallischen Kabelpritsche (diese muss in den Potenzialausgleich einbezogen werden; damit verringert sich der Oberflächeninhalt der Schleife, da näherungsweise nur noch die Leitungslänge und der jeweilige Abstand zwischen Kabelträger und Innenleiter in die Berechnung des Oberflächeninhaltes eingehen).

Das Schwerpunktproblem im obigen Beispiel bildet die Netzform (TN-C) selbst. Bei einem TN-C-Netz (Vierleiternetz) werden der Neutralleiter „N“ und der Schutzleiter „PE“ zu einem Leiter „PEN“ zusammengefasst.

Auf dem Neutralleiter „N“ fließt ständig ein Rückstrom, welcher auf Grund der nichtlinearen Lasten auch bei einem dreiphasigen Netz nicht mehr den Wert Null annimmt. Der PEN-Leiter übernimmt bei einem TN-C-Netz neben dieser Aufgabe gleichzeitig die Schutzfunktion des PE-Leiters.

Der Strom auf einem PE-Leiter wäre während des Betriebs Null. Nur während eines Fehlerfalls würde hier kurzzeitig ein Strom fließen.

Nicht so bei dem PEN-Leiter. Hier ist ein permanenter Stromfluss zu verzeichnen!

In den Potenzialausgleich müssen auch alle größeren metallischen Strukturen einbezogen werden, deren Aufgabe nicht im Transport von Elektroenergie besteht (z.B. Wasserleitungen, Heizungen usw.). Somit wirken auch diese als Magnetfeldantennen und koppeln durch den ständigen Stromfluss kontinuierlich ein Magnetfeld aus (siehe hierzu Abbildung 2).

Installation kann eine Erhöhung der Störaussendung und Reduzierung der Störfestigkeit bewirken

Die beschriebenen Magnetfeldantennen wirken als passive Antennen. Das bedeutet, sie wirken sowohl als Sende- als auch als Empfangsantennen. Ströme durch diese Strukturen sorgen für eine Feldaussendung, durch äußere Magnetfelder kommt es zu einer Induktion und somit zur Einkopplung eines Störstromes, der potenziell Störungen an den angeschlossenen Verbrauchern hervorrufen kann.

Besser: TN-S-Netze

Der Übergang zu einem TN-S-Netz (siehe Abbildung 3) reduziert die Magnetfeldbelastung in entscheidendem Maße. Durch den Übergang zu einem 5-Leiter-System (mit separaten PE- und N-Leitern) werden die Strompfade auf die N-Strukturen reduziert. Ergebnis: Die Magnetfeldamplituden sinken signifikant!

Eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Reduzierung niederfrequenter Magnetfelder besteht deshalb auf einem generellen Verzicht von TN-C-Netzen!

TN-S-Netz
Abb. 3

Transformatoren

Eine weitere Quelle niederfrequenter Magnetfelder, die es von allen Elektrofachkräften zu beachten und zu analysieren gilt, stellen Transformatoren dar.

Die generierten H-Felder sind sowohl bezüglich möglicher Beeinflussungen als auch aus Sicht des Personenschutzes relevant. Aus diesem Grund werden Betrachtungen hierzu im zweiten Teil der Artikelserie zur 26. BImSchV (EMVU) durchgeführt, welcher in Kürze an dieser Stelle erscheinen wird.

Ermittlung der Magnetfeldamplituden

Die Möglichkeiten zur Messung bzw. Abschätzung niederfrequenter Magnetfelder sind sehr vielfältig. Genaue Ergebnisse erhält man, wenn Messungen mittels kalibrierter Magnetfeldantennen und Echtzeitspektrumanalysatoren oder mit Feldstärkeanalysatoren durchgeführt werden.

Dieses Messequipment ist allerdings sehr kostenintensiv und setzt in der Anwendung sehr viel Erfahrung und Wissen auf diesem Gebiet voraus. Es sollte aus diesem Grund dem Experten vorbehalten sind. Dienstleitungen auf diesem Gebiet werden von sehr vielen Einrichtungen angeboten. Eine Suche im Internet führt sicherlich sehr schnell zum Erfolg.

Möglichkeiten für Elektrofachkräfte

Aber auch die Elektrofachkräfte selbst haben eine Reihe von Möglichkeiten, Abschätzungen vorzunehmen, um im Falle einer Störung zu schnellen Ergebnissen zu gelangen. Da es sich hier um niederfrequente Magnetfelder handelt, stellt sich die Situation relativ einfach dar.

Möglichkeiten für Elektrofachkräfte:

  • Eigenbau einer einfachen Magnetfeldantenne und Anschluss an ein Oszilloskop (Antennenfaktoren müssen hierzu meist extern bestimmt werden),
  • Abschätzung mittels Formel (2) im ersten Teils dieses Artikels,
  • Nutzung der Geafol-Trafoformel (siehe zweiten Teil des Artikels zur 26. BImSchV),
  • Einsatz eines Taschenradios/Weltempfängers (im Batteriebetrieb! – durch die Magnetfelder erhöht sich das Umgebungsrauschen. Dies ist vor allem im Langwellenbereich nachweisbar) und
  • Verwendung eines Computermonitors (Röhrenmonitor, kein LCD-Display!

Maßnahmen zusammengefasst

Zusammenfassend sollen abschließend noch einmal die wichtigsten Maßnahmen dargestellt werden:

  • Verzicht auf TN-C-Netze zugunsten von TN-S,
  • Reduzierung von Schleifenflächen in der Installation,
  • Verringerung der Oberschwingungsamplituden (führt gleichzeitig zu einer geringeren Strombelastung der Leitungen),
  • Reduzierung von Nichtlinearitäten und Herabsetzung von Flankensteilheiten und
    symmetrische Belastung der Einzelleiter.

Lesen Sie auch Teil 1 des Expertenbeitrags.

Dipl.-Ing. Gerd Zschau, Technische Universität Dresden, Elektrotechnisches Institut

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Kommentare

Kommentar von Leonhard Weinert |

Vielen herzlichen Dank für die Fachbeiträge T-1, T-2 und besonders den T-3, in denen die Behebung der Problematik mit Oberschwingungen sehr gründlich dargestellt wurde. Dieses ist ein sehr aktuelles Thema, auch in unserem Software Unternehmen. Die guten Hinweise werden mir helfen die Problematik an den richtigen Stellen anzugehen. Den Teil-3 werde ich an unseren Geschäftsführer weiterleiten. Es ist so gut und auch für einen eL so verständlich geschrieben, dass er daraus erkennen kann, dass ein Fluke 43B für die gründliche Netzanalyse, für seine EFK und für das Unternehmen daraus gut herausspringen kann.

Antwort von Christina Wernicke

es freut mich zu lesen, dass Ihnen unsere Fachbeiträge bei Ihrer Arbeit eine Unterstützung sind.

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