Predictive Maintenance in elektrischen Anlagen
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Zustandsorientierte Instandhaltung zählt längst zum Pflichtprogramm moderner Industrie- und Energieunternehmen. Doch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz wandelt sich der Ansatz grundlegend. Predictive Maintenance auf Basis von Machine-Learning-Algorithmen erlaubt es, Abweichungen im Anlagenverhalten nicht nur zu erkennen, sondern drohende Ausfälle präzise vorherzusagen. Besonders für kritische elektrische Infrastrukturen birgt das enorme wirtschaftliche und sicherheitstechnische Potenziale.
Daten statt Vermutung
Statt wie bei der klassischen vorbeugenden Wartung starr nach Intervall zu tauschen, analysieren moderne Systeme kontinuierlich den Istzustand der Anlage. Möglich machen das Sensoren, die mechanische und elektrische Parameter wie Vibration, Temperatur, Stromaufnahme oder Netzqualität erfassen. Die erfassten Werte werden in Echtzeit in Datenplattformen importiert und dort durch trainierte Modelle bewertet. Auffälligkeiten oder untypische Muster werden automatisch erkannt. Je nach Ausprägung erfolgt eine differenzierte Handlungsempfehlung, etwa zur geplanten Revision, zum sofortigen Eingriff oder zur langfristigen Optimierung.
Neuronale Netze als Mustererkenner
Im Zentrum vieler Predictive-Maintenance-Lösungen steht heute der Einsatz künstlicher neuronaler Netzwerke. Dabei handelt es sich um eine softwarebasierte Architektur, die mit historischen Betriebsdaten trainiert wurde. Sie besteht aus einer Eingabeschicht, mehreren versteckten Schichten mit zahlreichen Neuronen und einer Ausgabeschicht. Ziel ist es, aus eingehenden Daten wie Temperatur und Feuchtigkeit Muster zu identifizieren, die auf Normalbetrieb, Verschleiß oder kritische Zustände hinweisen. In den vorliegenden Beispielen werden vier Zustände unterschieden:
- normal,
- Kontrollbedarf,
- Vorstufe eines Ausfalls und
- Extremfall.
Die Klassifikation erfolgt automatisch und liefert belastbare Hinweise für Instandhaltungsentscheidungen.
Edge Intelligence für schnelle Reaktion
Ein zentrales Merkmal aktueller Entwicklungen ist die Verlagerung der Intelligenz an den Anlagenrand. Durch den Einsatz von TensorFlow Lite lassen sich trainierte Modelle direkt auf Microcontrollern wie dem ESP32 ausführen. Integriert in Schaltschränke oder Steuerungen ermöglichen sie die sofortige Bewertung von Sensordaten, ohne dass diese zunächst über Netzwerke übertragen oder in der Cloud verarbeitet werden müssen. Das reduziert Reaktionszeiten, erhöht die Robustheit und minimiert Sicherheitsrisiken durch externe Kommunikation.
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Verknüpfung mit SCADA und CMMS
Praxisrelevanz entsteht erst durch die Einbettung in bestehende Betriebsprozesse. Moderne Predictive-Maintenance-Systeme lassen sich nahtlos mit SCADA-Systemen und Computerized Maintenance Management Systems (CMMS) verbinden. Sobald ein Modell einen drohenden Fehler erkennt, wird automatisch ein Wartungsauftrag erzeugt und priorisiert. So erhalten Techniker konkrete Anweisungen inklusive Fehlerbeschreibung, Komponentenzuordnung und Dringlichkeitsbewertung. Diese Automatisierung reduziert Ausfallzeiten deutlich und senkt langfristig die Betriebskosten.
Erfolge in der Photovoltaik und Industrie
Besonders deutlich zeigen sich die Vorteile bei großen Photovoltaikparks. Bei einem Solarfeld kann der Einsatz KI-basierter Zustandsüberwachung hohe Beträge an vermeidbaren Stillständen sparen. Der Algorithmus erkennt Module mit Leistungsabfall, Überhitzung in Wechselrichtern oder Verschmutzung durch Umwelteinflüsse frühzeitig. Die Reparatur erfolgt geplant statt reaktiv. Vergleichbare Effekte sind auch in industriellen Produktionsanlagen belegbar, etwa bei Pumpensystemen, Transformatoren oder Mittelspannungsschaltanlagen. Sensoren an rotierenden Maschinen liefern Daten, die mithilfe von AutoML-Frameworks wie Industrial AutoML von Weidmüller automatisch analysiert und bewertet werden.
Realitätsnahe Datensätze statt Labormodelle
Die Qualität eines Predictive-Maintenance-Systems hängt direkt von den verwendeten Trainingsdaten ab. Ein Modell, das anhand eines Motors mit spezifischen Eigenschaften trainiert wurde, lässt sich nicht ohne Weiteres auf einen anderen Anlagentyp übertragen. Aus diesem Grund ist es erforderlich, für jede kritische Anlage eigene Datensätze zu erfassen, zu klassifizieren und gezielt zu nutzen. Während der Trainingsphase werden sowohl normale als auch fehlerhafte Betriebszustände aufgenommen. Besonders wichtig ist das sogenannte Shuffling der Daten, um eine Verzerrung der Lernkurve zu vermeiden.
Validierung und Optimierung im Echtbetrieb
Nach der Trainingsphase wird das Modell getestet. Dabei ist die Validierungsgenauigkeit entscheidend. Gute Modelle erreichen Werte über 95 Prozent. Die Genauigkeit lässt sich aber deutlich steigern, bis weit über 99 Prozent. Diese Zahl zeigt, wie stark sich neuronale Netze durch Wiederholung verbessern können. Parallel zur Genauigkeit sinkt der sogenannte Loss-Wert, der die Fehlerwahrscheinlichkeit angibt. Grafische Darstellungen helfen dabei, das Lernverhalten nachzuvollziehen und gezielt zu verbessern.
REST-Schnittstellen für Integration und Test
Für die Integration in digitale Prozesse oder zur Simulation stehen REST-APIs zur Verfügung. Trainierte Modelle lassen sich über Flask-Anwendungen als Webservices bereitstellen. Eingehende Werte werden verarbeitet und klassifiziert. Die Rückmeldung erfolgt in Echtzeit. Auf diese Weise lassen sich Systeme sowohl in Büroanwendungen als auch in technische Steuerungen einbetten. Eine zusätzliche Absicherung bietet der Einsatz von Postman oder ähnlichen Tools zur gezielten Testabfrage.
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Anforderungen an Infrastruktur und Personal
Damit Predictive Maintenance auf breiter Basis eingesetzt werden kann, müssen Fertigungsbetriebe ihre Infrastruktur vorbereiten. Neben einer durchgängigen Sensorik sind Datenspeicherlösungen erforderlich, etwa auf Basis von SQL-Datenbanken oder Time-Series-Datenbanken. Tools wie PROCON-WEB oder ResMa ermöglichen die Visualisierung und Verwaltung großer Datenmengen. Gleichzeitig benötigen technische Fachkräfte Schulungen, um Modelle zu trainieren, zu validieren und im Betrieb zu nutzen. Dank moderner AutoML-Lösungen ist kein tiefes Data-Science-Wissen mehr erforderlich. Ingenieure können mithilfe intuitiver Softwarepakete funktionierende Systeme aufbauen.
Klarer Nutzen für Betreiber
Predictive Maintenance reduziert Ausfallzeiten, verlängert die Lebensdauer elektrischer Komponenten, minimiert Wartungskosten und erhöht die Betriebssicherheit. Die Umstellung von präventiven auf vorausschauende Wartungsstrategien bedeutet einen Paradigmenwechsel, bei dem der Zustand und nicht mehr die Zeit den Wartungsbedarf bestimmt. Besonders in sicherheitskritischen Infrastrukturen ist dies ein wesentlicher Fortschritt. Elektrofachkräfte profitieren durch
- automatisierte Analysen,
- geringere Stillstände und
- zielgerichtete Einsätze.
Die digitale Instandhaltung wird zum strategischen Baustein effizienter und sicherer Energiesysteme.
Intelligente Dateninfrastruktur als Fundament
Bevor Machine Learning im Umfeld elektrischer Anlagen produktiv genutzt werden kann, muss eine durchdachte Dateninfrastruktur vorhanden sein. Viele Betriebe scheitern an dieser Hürde, weil Maschinen zwar kontinuierlich Sensordaten liefern, diese aber nicht strukturiert archiviert oder verknüpft werden. Hier kommen Systeme wie PROCON-WEB oder ResMa ins Spiel. Sie erfassen Daten aus SPS-Steuerungen, Energiezählern oder Umweltfühlern und schreiben diese in Historian-Datenbanken, die eine zeitreihenbasierte Analyse ermöglichen. Erst durch diese strukturierte Datenspeicherung lässt sich das Potenzial von AutoML-Systemen nutzen, um
- Muster zu erkennen,
- Anomalien zu klassifizieren und
- Wartungsempfehlungen abzuleiten.
Gleichzeitig ermöglichen modulare IIoT-Frameworks eine unterbrechungsfreie Nachrüstung bestehender Anlagen, was die Einstiegshürde für Unternehmen senkt und Predictive Maintenance in der Fläche verfügbar macht.
Fazit: KI als Werkzeug, nicht als Ersatz für Elektrofachkräfte
Maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sind kein Ersatz für die Erfahrung und das Know-how von Elektrofachkräften. Sie liefern Werkzeuge, die Wartungsprozesse verbessern, Ausfälle verhindern und Betriebsmittel gezielter einsetzen lassen. Der Mensch bleibt dabei unverzichtbar, um
- Daten richtig zu interpretieren,
- Handlungsempfehlungen umzusetzen und
- sicherzustellen, dass technische Maßnahmen mit gesetzlichen Vorschriften und betrieblichem Sicherheitsdenken im Einklang stehen.
KI-gestützte Systeme übernehmen die datenbasierte Vorarbeit, filtern irrelevante Informationen heraus und stellen belastbare Prognosen bereit. Dadurch steigt die Effizienz im Alltag, Fehlerquellen werden reduziert und das technische Personal kann sich auf komplexe Aufgaben konzentrieren. Wer als Fachkraft offen für diese Entwicklungen bleibt, profitiert nicht nur von besseren Arbeitsbedingungen, sondern gestaltet aktiv die Transformation der Instandhaltung im elektrischen Umfeld mit.
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