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Frage aus der Praxis
Ich arbeite in einem Integrationsbetrieb als Dienstleistungshelfer. Neben Gartenarbeiten und Umzügen führt unser Betrieb auch VDE-Prüfungen (intern und extern) durch. Dafür wurde ein Team in Sachen VDE-Prüfung geschult.
Nun bekam ich den Auftrag, Mitglieder dieses Teams elektrotechnisch zu unterweisen, also aus ihnen elektrotechnisch unterwiesene Personen zu machen. Meine Vorgesetzten sind der Meinung, dass ich aufgrund einer Ausbildung zum Radio-und Fernsehtechniker die Befähigung zu dieser Unterweisung habe. Ich bin nicht dieser Meinung und sehe mich nicht als Elektrofachkraft an, da
- meine Ausbildung schon 25 Jahre her ist,
- ich seit 15 Jahren nur noch berufsfremd gearbeitet habe und
- speziell im Bereich VDE-Prüfung über keinerlei Erfahrung verfüge.
Meine Fragen lauten:
- Wer entscheidet darüber, ob jemand als Elektrofachkraft eingestuft wird?
- Welche Nachweise sind dafür notwendig?
- Wer kontrolliert diese Nachweise?
- Welche rechtlichen Konsequenzen drohen mir, wenn ich per Dienstanweisung dazu „gezwungen“ werde, diese Unterweisung durchzuführen und es aufgrund mangelnder Schulung zu einem Arbeitsunfall bei den elektrotechnisch unterwiesene Personen, kommt.
Tipp der Redaktion

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Antwort des Experten
Daniel Kronenberg
Zunächst eine kurze Erläuterung:
Der Fragesteller gibt nur sehr unkonkret an, dass es sich um „VDE-Prüfungen“ handelt. Da die VDE-Vorschriften sehr umfangreich sind und es etliche unterschiedliche Prüfungen gibt, welche wiederum unter Umständen gesonderte Anforderungen an den Prüfer stellen, gehe ich bei der Beantwortung der Frage von der Prüfung gemäß DGUV Vorschrift 3 und VDE 0701-0702 Prüfung ortsveränderlicher Betriebsmittel aus.
Des Weiteren wurden die Mitarbeiter des „Teams“ (in Sachen) VDE-Prüfung geschult. Frage: Was wurde geschult? In welchem Umfang? Für welchen Zweck? Wurden die Mitarbeiter mittels einer Unterweisung zur EuP geschult? Wurden die Mitarbeiter mittels „Messpraktikum“ mit den Prüfungen vertraut gemacht und entsprechend geschult? Hier muss genauer differenziert werden.
Wer entscheidet darüber, ob jemand als Elektrofachkraft eingestuft wird?
Abschnitt 5.2 der VDE 1000-10 enthält u.a. folgende Formulierung zur Qualifikation:
„Die Anforderung der fachlichen Ausbildung für bestimmte Tätigkeiten auf dem Gebiet der Elektrotechnik ist in der Regel durch den Abschluss einer der nachstehend genannten Ausbildungsgänge des jeweiligen Arbeitsgebietes der Elektrotechnik erfüllt:
- Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zum Gesellen/Facharbeiter,
- Ausbildung zum Handwerksmeister,
- Ausbildung zum Industriemeister,
- Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker,
- Ausbildung zum Diplomingenieur, Bachelor oder Master.“
Die DGUV Vorschrift 3 der BG ETEM sagt dazu Folgendes:
§ 2 Begriffe
„(3) Als Elektrofachkraft im Sinne dieser Unfallverhütungsvorschrift gilt, wer auf Grund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen die ihm übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann.“
Der ehemalige Radio/Fernsehtechniker (heute Informationselektroniker) fällt unter diese Bestimmung.
Welche Nachweise sind dafür notwendig?
Als Nachweis hierfür dient der Facharbeiter - respektive Gesellenbrief im erlernten Ausbildungsberuf. Eine Ausbildung zur Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten, welche erfolgreich abgeschlossen wurde, dient ebenfalls als Nachweis.

Zusätzlich muss sich die Elektrofachkraft gemäß § 4 der DGUV Vorschrift 1 mindestens einmal jährlich fortbilden.
Soll die Elektrofachkraft im Bereich des Prüfens elektrischer Betriebsmittel tätig sein bzw. eingesetzt werden, empfiehlt es sich in diesem Bereich eine Schulung oder ein Seminar zu besuchen.
Für das Prüfen von Arbeitsmitteln fordert die Betriebssicherheitsverordnung eine befähigte Person.
Die befähigte Person muss durch ihre Berufsausbildung, Berufserfahrung und ihre zeitnahe berufliche Tätigkeit über die erforderlichen Fachkenntnisse zur Prüfung von Arbeitsmitteln verfügen. Für das Tätigkeitsfeld der Elektrotechnik ist dies eine Elektrofachkraft oder eine verantwortliche Elektrofachkraft nach VDE 1000-10:2009-01 Abschn. 3.1, 3.2 oder 5.3 mit mindestens einjähriger Berufserfahrung und Kenntnisse der relevanten Regeln der Elektrotechnik.
Wer kontrolliert diese Nachweise?
Der Arbeitgeber hat sich vor der Beauftragung eines Mitarbeiters darüber zu vergewissern sowie die erforderlichen Nachweise zu verlangen, dass dieser für die Ausübung der ihm übertragenen Aufgaben entsprechend ausgebildet, unterwiesen und geschult ist.
Die einmal erworbene Qualifikation zur Elektrofachkraft kann verloren gehen.
Vor allem durch mangelnde Fortbildung oder die längere Ausübung fachfremder Tätigkeiten kann gemäß den Erläuterungen zu 5.2 des Anhang A der VDE 1000-10 dazu führen, dass die einmal erworbene Qualifikation zur Elektrofachkraft verloren gehen kann. Hier verpflichtet § 7 der DGUV Vorschrift 1 den Unternehmer dazu, Mitarbeiter, die z.B. aufgrund mangelhafter Fortbildung nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht mehr zu beschäftigen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen mir, wenn ich per Dienstanweisung dazu „gezwungen“ werde, diese Unterweisung durchzuführen und es aufgrund mangelnder Schulung zu einem Arbeitsunfall bei den elektrotechnisch unterwiesenen Personen kommt?
Der Arbeitgeber kann einen Mitarbeiter nicht dazu zwingen diese Funktion/Position auszuüben. Der Mitarbeiter gibt selbst an, nach eigenem Ermessen/Selbsteinschätzung nicht für die o.g. Tätigkeitsbereiche geeignet zu sein. Dies hat er selbst ohne die genaue Rechtslage zu kennen richtig erkannt. Im weitesten Sinne soll hier die Verantwortung für weitere Mitarbeiter übernommen werden. Somit sind Grundsätze der VDE 1000-10 „Verantwortliche Elektrofachkraft“ erfüllt. Den Arbeitgeber trifft hier dann ein Organisationsverschulden nach § 823 BGB.

Des Weiteren finden u.a. folgende rechtliche Grundlagen Anwendung:
§ 9 DGUV Vorschrift 3
Ordnungswidrigkeiten
„Ordnungswidrig im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig den Vorschriften der § 3, § 5 Abs. 1 bis 3, §§ 6, 7 zuwiderhandelt.“
§ 13 ArbSchG
Verantwortliche Personen
„(1) Verantwortlich für die Erfüllung der sich aus diesem Abschnitt ergebenden Pflichten sind neben dem Arbeitgeber
...
4. Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebes beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse,
5. sonstige nach Absatz 2 oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder nach einer Unfallverhütungsvorschrift verpflichtete Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse.(2) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen.“
Sollte der Mitarbeiter die ihm aufgetragenen Funktionen trotzdem ausüben und es im Anschluss daran zu einem Unfall mit Personen- oder Sachschaden kommen, hat dieser sich je nach Sachlage zivil- und eventuell sogar strafrechtlich zu verantworten. In jedem Fall sollte er sich zunächst arbeitsrechtlich durch einen Fachanwalt beraten und gegebenenfalls vertreten lassen.
Schlussbemerkung
Der Arbeitnehmer, welcher hier die Aufgaben übernehmen soll, sollte ein sachliches Gespräch mit den Verantwortlichen bzw. Vorgesetzten führen und dabei seine Bedenken klar und deutlich erklären.
Er könnte beispielsweise durch entsprechende Schulungen und Unterweisungen die nötigen Qualifikationen auffrischen und/oder erlangen. Sich darüber hinaus mit der Thematik der verantwortlichen Elektrofachkraft auseinander zu setzen und dies im Betrieb einzuführen, könnte eine Chance darstellen, welche ihm langfristig einen Arbeitsplatz schafft, den er dann zukünftig ausfüllen könnte.
Beitrag wurde im Mai 2021 geprüft.
Tipp der Redaktion

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Kommentare
Kommentar von Anonym - wegen möglichen Repressalien |
Nachtrag und Anmerkung
Meine letzte Fortbildung nach VDE (und andere) war, ja, man höre und staune: vor über 20 Jahren im Zuge meiner Meisterausbildung. Trotz vielfachem bitten, betteln, hinweisen, anfragen... Den meisten meiner Kollegen geht es leider nicht anders.
Aber es gilt: wo ein Kläger ist, muss noch lange kein Richter sein. Von einer exekutive Organen ganz abgesehen. Hier gibt es lediglich zahnlose Tiger und Krähen, die einander keine Augen aushacken wollen.
Den gegenteiligen Beweis blieb man bisher schuldig.
Zu meiner Qualifikation:
Ich bin ein Handwerksmeister in einem Elektrofach, habe mehrere Semester E-Technik studiert und beschäftige mich auch privat mit Elektrotechnik, Elektronik und mit Sicherheit. Ich bin folglich in der Lage die vorliegende Situation an meinem Arbeitsplatz fachlich richtig zu beurteilen. Und mit Sicherheit liegt in vielen Kommunen ein ähnliches "Schadensbild" vor.
Antwort von Christina Wernicke
Hallo,
ich muss sagen, mich hat Ihr Kommentar wirklich entsetzt. Dass Theorie und Praxis nicht immer nahe beeinander liegen müssen, ist mir klar, aber hier ist doch einiges im Argen.
Es ist enttäuschend zu lesen, dass die elektrische Sicherheit immer noch nicht ernt genommen wird, und auch dass Weiterbildungen und regelmäßige Unterweisungen nicht durchgeführt werden. Damit kommt der Unternehmer eindeutig seinen Pflichten nicht nach und setzt die Gesundheit der Mitarbeiter in Gefahr.
Das ist wirklich ein sehr heikles Thema. Wir werden dies auf elektrofachkraft.de weiterverfolgen.
Vielen Dank für Ihren Beitrag!
Christina Wernicke
Kommentar von Anonym - wegen möglichen Repressalien |
Noch viel schlimmer sieht es im Bereich der Kommunen und deren Eigenbetriebe (in diesem speziellen Fall ein kommunales Theater mit über 70 EFKs) aus. Mangels Zuständigkeit der BG-Elektro, Kopf in den Sand steckender Vorgesetzter , vermeintlich fehlenden Geldern wird hier ohne funktionierende und ordentlich aufgebaute Organisation, all das mit Füßen getreten, was der Autor beschrieben hat. Gespräche verlaufen im Sand - falls sie überhaupt stattfinden. Man gibt sich beratungsresistent, sitzt Veränderungen zur richtigen Seite über Jahre aus. Es ist ALLES wichtiger als die elektrische Sicherheit und die Aufrechterhaltung des Wissensstands der Mitarbeiter. Man hört auf schlechte, selbsternannte Spezialisten und weiß alles selbst viel besser. Und letztendlich hat man in der Führung hinreichend Bildung, um alle bemängelten Probleme zu beurteilen und um sie abzuschmettern. Ich schäme mich an einem solchen Arbeitsplatz arbeiten zu müssen.
Kommentar von Thomas Franz |
sehr interessant, habe ich so auch nicht gewusst, aber gehofft und aus menschlichen, logischem Verständnis einfach vorrausgesetzt.
Die Bilder sind wirklich nicht lustig.
Hab ähnliche und schlimmere Verkabelung gesehen.
Mal sehen ob ich ein paar Bilder zusammen krieg.
Grundsätzlich erschüttert mich immer wieder, wie leichtfertig unbedarfte/ungelernte mit der tödlichen Gefahr von elektrischem Strom umgehen.
Wer einmal einen Schlag bekommen hat, wird wohl anders vorgehen in Zukunft.
Ich hatte schon 3 - 4 mal einen, und hab großen Respekt/Angst vor Strom, im Gegensatz zu Nichtelektrikern.
Für viele Nichtelektriker ist Strom wohl nur ein paar Kupferdrähte und Schrauben.
Aber wer einmal einen Schlag bekommen hat, weiß was Elektrizität ist,
und wird sich von Kupfer und Schrauben (Körperkontakt) Fern halten.
Ciao
Tommy
Kommentar von Alfons Bünker |
Hallo Frau Wernicke,
ich bin Industriemeister E-Technik und nach §8 HWO den Handwerksmeistern gleichgestellt, TREI ist auch vorhanden. Bei der Firma, ein CNC-Betrieb, wurde mir mehrfach gesagt das Elektriker unproduktiv, da sie keine Späne machen. Hauptsache die Maschinen laufen. Bei einem Unfall wären die rechtlichen Folgen beim ersten mal nicht so hoch, wenn man ein bisschen getan habe. Ich habe die Firma 2007, per Einschreiben mit Rückschein, auf die oben genannte Rechtslage, hingewiesen. Keine Reaktion.
Viele Grüße
Alfons Bünker
Antwort von Christina Wernicke
Herr Bünker, vielen Dank für Ihre Antwort.
Liebe User,
wie sehen Ihre Erfahrungen zu diesem Thema aus?
Viele Grüße
Christina Wernicke
Kommentar von Alfons Bünker |
Leider alles blanke Theorie. In den Betrieben sieht es ganz anders aus. Dank Superminister Clement.
Antwort von Christina Wernicke
Hallo Herr Bünker,
können Sie da aus eigener Erfahrung sprechen?
Viele Grüße
Christina Wernicke
Kommentar von Stefan Klein |
gut zu wissen welche rechte man hat
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