Eine praxisorientierte Bestimmung des Schutzleiterstroms
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Einfacher geht es wirklich nicht. Die Definition des Schutzleiterstroms in der internationalen Normung und damit auch bei uns (DIN VDE 0106-102) ist eindeutig und für jeden verständlich: „Der Schutzleiterstrom (einer Anlage) ist der Strom, der im Schutzleiter (dieser Anlage) fließt.“ Da bleibt eigentlich keine Frage offen. Oder doch?
Die obige Definition lässt sich wie folgt ergänzen:
Der Schutzleiterstrom IPE einer Anlage (Anlagenteil) entsteht aus den Schutzleiterströmen ISL ihrer Betriebsmittel und diese wiederum aus deren Ableit- und/oder Fehlerströmen.
Aber leider wurde dann irgendwann einmal nicht ausreichend aufgepasst und der Name zum zweiten Mal vergeben.
Kennwert der Sicherheit
Bei den Betriebsmitteln (Geräten) wird der Schutzleiterstrom auch als Kennwert der Sicherheit verwendet. Dieser Kennwert sagt aus, wie groß die Gefährdung für eine das Gerät berührende Person unter den ungünstigsten Bedingungen sein kann.
Dies ist der Fall
- wenn ein Schutzleiterbruch vorhanden ist und
- der Gerätekörper keinen Kontakt zum Erdpotenzial (PA) hat und
- somit alle Ableit-/Fehlerströme des Geräts über eine den Gerätekörper berührende Person zur Erde fließen.
Elektrische Geräte
Für diesen speziellen „Schutzleiterstrom“ (eines elektrischen Geräts) ist eine andere, etwas speziellere Definition erforderlich. Sie steht in der DIN VDE 0701-0702 und besagt: Der Schutzleiterstrom ISL eines Geräts ist die Summe aller über seine Isolierungen (und etwaige Beschaltungen) zu seinem Schutzleiter fließenden Ableit- und Fehlerströme.
Welche Definition trifft zu?
Nun heißt es aufpassen. Wenn vom Schutzleiterstrom die Rede ist, muss man unterscheiden, klären und sagen, welche der beiden Varianten eigentlich gemeint ist.
Entweder der in einem Schutzleiter fließende Strom IPE, eine Summe von Ableit-/Fehlerströmen, deren Anteile und deren Herkunft nur selten exakt geklärt werden können.
Oder der Schutzleiterstrom (Kennwert) ISL eines elektrischen Geräts, die Summe seiner Ableit-/Fehlerströme, der dann
- nur über den Schutzleiter der Anlage oder
- auch über den Schutzpotenzialausgleich abfließt.
Messung durchführen
Zur Erläuterung des geschilderten Zusammenhangs ist noch zu sagen: Der Schutzleiterstrom der Anlage ist nur dann exakt die Summe der Schutzleiterströme (Ableit-/Fehlerströme) aller angeschlossenen Geräte, wenn keiner der Gerätekörper Kontakt mit einem das Erdpotenzial führenden Teil hat.
Bei der Messung des Schutzleiterstroms eines Geräts, d.h. der Summe seiner Ableit-/Fehlerströme, zur Bestimmung möglicher Gefährdungen für Personen, muss die Differenzstrom-Messmethode verwendet oder bei der direkten Prüfung das Gerät isoliert aufgestellt werden.
Bei einem gegenüber Erde isoliert aufgestellten Gerät wird sein gesamter Schutzleiterstrom ISL über den Schutzleiter der Anlage abgeführt. In diesem Fall sind die Werte des Schutzleiterstroms des Geräts und der Schutzleiterstrom im Schutzleiter der Anlage gleich. Es gilt: IPE = ISL.
Hat ein Gerätekörper Kontakt mit einem das Erdpotenzial führenden Teil (fremde leitfähige Teile, Schutzpotenzialausgleich PA, Erde), so fließt ein unbekannter Teil seines Schutzleiterstroms (Ableit-/Fehlerströme) als PA-Leiterstrom über diese Verbindung zurück zur Versorgungsanlage. Es gilt: IPE = ISL – IPA.
Autor: Dipl.-Ing. Klaus Bödeker, Fachautor Prüftechnik
Beitrag aus dem Jahr 2008, wurde geprüft und aktualisiert am 29.07.2020
Kommentare
Kommentar von Rainer Herrmann |
Sehr geehrter Herr Bödeker
Ich hoffe, sie bleiben und noch ein wenig erhalten, damit auch jede sich noch so superschlau fühlende Elektrofachkraft begreift, was Sie meinen!
Kaum ein anderer Fachmann beschreibt so klar und genau die Mängel im Ablauf der Anlagen- und Geräteprüfungen wie Sie. Als Ausbilder für Elektrotechnik / Elektronik schätze ich Ihre Artikel ausserordenlich hoch ein.
Ich hoffe, dass das noch lange so bleibt.
Herzlichen Dank
Kommentar von Philipp |
Servus, habe folgendes Problem.
Ich habe zum Prüfen einen Secutest ST Pro.
Ich habe mir das Gerät so eingestellt, es soll im Auto Programm den Ipe direkt messen. Leider springt das Gerät gerade bei nicht isoliert aufstellbaren Geräte in den Alternativ-Messmodus. Dadurch wird ein Ipe von 27mA angezeigt. Wenn ich eine Vergleichsmessung mache, dann bekomme ich bei direkter Messung 10 müA und bei indirekter Messung 100müA angezeigt.
Wie kann ich den Alternativ-Messmodus umgehen, bzw wie Funktioniert die Messung?
Kommentar von Jan Möller |
Ist bei der Drehbank eventuell irgendwo ein Anlaufkondensator verbaut oder auch ein Filter mit X, Y-Kondensatoren ? Hab es auch schon gehabt, dass durch Feuchtigkeit (Kühlwasser) und Dreck die Werte nicht mehr Stimmten.
Kommentar von Lutzsch |
Habe bei einer alten Drehbank folgendes Problem.
16 A Anschluss
Schutzleiterwiderstand ~ 0,1 Ohm.
Beim Schutzleiterstrom gemessen mit Strommesszange -die um alle 3L und N liegt- wie in DGUV 203-070 Abb3.13 beschrieben und von Benning so auch durchgeführt/ geschult- hab ich einen Wert von 0.032A /32mA, also viel zu hoch gem VDE 701/702. (genutzte(s) Messzange/Messgerät HT 9012 und 16 A Laborprüfkabel um Schutzleiter ausserhalb Messzange zu halten).
Ich bin mir nicht sicher ob ich einen Messfehler habe oder nun die Produktnorm studieren muss um diese Messwerte zu bewerten.
Bei einer neueren Standbohrmaschine hab ich ein ähnliches Problem mit 0.017A (17mA)
was ebenfallszu hoch ist.Dieses Gerät ist fest auf einer Holzplatte einer Werkbank montiert und steht nicht wie die Drehbank auf dem Boden. SL Wert und RISO sind auch hier voll im Normbereich der 701/702.
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