Das Blitzschutzsystem – Möglichkeit und Herausforderung für das Elektrohandwerk

4,7/5 Sterne (31 Stimmen)
Ein modernes Blitzschutzsystem schützt vor schweren Schäden.
Ein modernes Blitzschutzsystem schützt vor schweren Schäden. (Bildquelle: netopaek/iStock/Getty Images Plus)

Im Elektrohandwerk wird heute der Begriff „Blitzschutzsystem (LPS)“ gebraucht, der in zahlreichen Normen verankert ist und umfassend alle Belange des äußeren und inneren Blitzschutzes behandelt. Der Elektrofachbetrieb bietet durch die Umsetzung dieser Normen seinen Kunden eine umfassende Lösung für den kompletten und funktionierenden Schutz gegen atmosphärische und selbsterzeugte Störungen an. Dies betrifft sowohl die Gebäude als auch die darin befindliche Elektrik und Elektronik.

Wichtige Normen für die EFK

Folgende Normen muss die Elektrofachkraft daher anwenden, um ein funktionierendes Blitz- und Überspannungsschutzkonzept zu planen, umzusetzen, abzunehmen, zu prüfen und dem Kunden damit die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der Anlage zu gewährleisten.  

  • EN 62305 Teil 1–4 (VDE 0185-305 Teil 1–4) (10/2011)
  • DIN 18014 (3/2014)
  • VDE 0100-443

Natürlich sind zusätzlich dazu noch Hinweise und Empfehlungen, z.B. VdS 2010, VdS 2031, zu beachten, sowie weitere Normen, die den Brandschutz, die Arbeitssicherheit und die Montage betreffen.

Die Vielzahl der Normen und der dazu informierenden Beiblätter steigt und setzt Literaturstudium und profunde Kenntnisse beim Leser voraus. Planer, Ingenieurbüros, Elektrofachbetriebe und Sachverständige müssen sich heute auf die Umsetzung eines modernen und umfassenden Blitzschutzsystems einrichten; das bedeutet, es ist ein komplexes Herangehen an die Problematik des Blitz- und Überspannungsschutzes gefordert.

Optimaler Blitz- und Überspannungsschutz stellte schon immer hohe Anforderungen an die Planer und die Elektrofachbetriebe als Ausführende. Die Überprüfung der Komponenten und des angewendeten Konzepts setzt gute Kenntnis und viel Erfahrung beim Prüfer voraus.

Erhöhtes Gefährdungspotenzial

Die heute verwendete Elektrik und Elektronik – egal, ob im Industrie-, Versorgungs- oder Heimbereich, ob drahtgebunden oder drahtlos – ist aufgrund des Einsatzes hochwertiger und empfindlicher Bauteile extrem gefährdet durch Blitzeinschläge und die daraus resultierenden Überspannungen. Auch wenn der Blitz nicht direkt in ein Gebäude einschlägt, sind die Sekundärwirkungen, wie z.B. induzierte Spannungen in elektrisch leitfähigen Leitungen bzw. in aufgespannten Leiterschleifen (Installationsschleifen), äußerst gefährlich für alle elektrischen und elektronischen Geräte, Systeme und Anlagen – sogar bis zu einer Entfernung von 2 km vom Einschlagsort des Blitzes.

Das gleiche Gefährdungspotenzial erzeugen aber auch transiente Überspannungen, die meist durch Schalten induktiver Lasten (Motoren) oder von Geräten mit Phasenanschnittsteuerung (Thyristorschaltungen, Gleichrichter, elektronische Netzteile usw.) erzeugt werden.

Moderner Blitzschutz (LP)

Ein moderner Blitzschutz (LP) besteht immer aus einem Blitzschutzsystem (LPS = äußerer und innerer Blitzschutz) und Überspannungs-Schutzmaßnahmen (SPM).

Modernes und umfassendes Blitzschutzsystem (LP)
Modernes und umfassendes Blitzschutzsystem (LP) (Quelle: ep 1 (2012))

LP: lightning protection
LPS: lightning protection system
SPM: surge protection measures

Die IEC (International Electrotechnical Commission) als internationale Normungsorganisation für Normen im Bereich der Elektrotechnik und Elektronik mit Sitz in Genf hat für Blitz und Blitzbedrohung die Normenreihe IEC 62305 herausgegeben. Im europäischen Anwendungsgebiet wird daraus die EN 62305 und in Deutschland wird nach der darauf aufbauenden Norm DIN VDE 0185-305 gearbeitet.

EN 62305 Teil 1–4 (VDE 0185-305 Teil 1–4) (10/2011)

Die Norm DIN EN 62305 erklärt und definiert in ihren Teilen 1 bis 4 die Zusammenhänge des Blitz- und Überspannungsschutzes:

Teil 1 beschäftigt sich mit den allgemeinen Grundsätzen, Begriffsbestimmungen, Parametern und Erklärungen zum Blitzschutz.

Teil 2 (2/2013) beinhaltet im Wesentlichen das Risikomanagement. Eine Risikoanalyse stellt zunächst die Notwendigkeit des Blitzschutzes fest, um dann die technisch und wirtschaftlich optimale Schutzmaßnahmen festzulegen. Ergänzt wird der Teil 2 durch die Beiblätter 1, 2 und 3. Eine Berechnungshilfe zur Abschätzung des Schadensrisikos findet sich in Form einer Excel-Datei im Beiblatt 2. Die Berechnungshilfe dient dem Elektrofachbetrieb bzw. Planer als Grundlage für die Auswahl der jeweiligen Blitzschutzklasse und der Maßnahmen gegen eine Gefährdung von Leben und Werten. Die Erstellung der Risikoanalyse sowie die Planung und Ausführung eines Blitzschutzsystems entsprechend DIN EN 62305 (VDE 0185-305) bleiben die qualifizierte Leistung eines Planers bzw. einer Blitzschutzfachkraft. 

Teil 3 beschäftigt sich mit dem äußeren und inneren Blitzschutz. Er behandelt den Schutz von baulichen Anlagen gegen materielle Schäden und Lebensgefahr infolge von direkten Blitzeinschlägen. Das Blitzschutzsystem (LPS) besteht aus dem äußeren Blitzschutz (Fangeinrichtung, Ableitungen, Erdungsanlage) und dem inneren Blitzschutz (Blitzschutz-Potenzialausgleich, Beachtung des Trennungsabstands). Die fünf Beiblätter helfen der Elektrofachkraft, diese Norm optimal umzusetzen.

Teil 4 letztendlich liefert Angaben hinsichtlich Planung, Installation und Prüfung von Schutzsystemen gegen das Risiko bleibender Schäden durch elektromagnetische Blitzimpulse in baulichen Anlagen. Das dazugehörige Beiblatt 1 beschreibt die Blitzstromverteilung in Niederspannungsnetzen.

DIN 18014 (3/2014)

Diese Norm gilt für die Planung und Ausführung von Fundamenterdern und bezieht sich auf die Normen DIN VDE 0100-540 und DIN 1015-1 und sowie auf die technischen Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber.

VDE 0100-443

Diese Norm beschreibt den Schutz gegen Überspannungen und Maßnahmen gegen elektromagnetische Beeinflussungen und gibt Hinweise für den Planer und Errichter von elektrischen Anlagen über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen.

Allgemein kann gesagt werden, dass erst nach Klassifizierung des Gebäudes, nach einer Risikoanalyse (EN 62305-2) und gemäß Gesetzeslage entschieden werden kann, ob eine äußere Blitzschutzanlage zwingend notwendig ist. Anhand der ermittelten Blitzschutzklasse wird festgelegt, wo und wie viele Fangeinrichtungen platziert werden müssen. Jedoch hat auch der Eigentümer ein Mitspracherecht und kann – natürlich auf sein eigenes Risiko – die Montage einer äußeren Blitzschutzanlage ablehnen.

Tipp der Redaktion

Lesen Sie auch den Expertenbeitrag Gefährdungen durch Blitzschlag.

  • Autor:

    Dipl.-Ing. Helmut Zitzmann

    selbständiger Berater für Blitz- und Überspannungsschutz

    Zitzmann, Helmut

    Helmut Zitzmann ist seit 1988 auf dem Gebiet Blitz- und Überspannungsschutz tätig. Er ist selbständiger Berater und technischer Geschäftsführer bei der Firma Meteovertrieb Deutschland.

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 9 plus 1.