Gefährdungen und Schutzmaßnahmen im Umgang mit Wasserstoff

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Wasserstoff als Mittel zur Reduzierung von CO2-Emissionen
Im Zuge der Energiewende spielt Wasserstoff bei der Reduzierung von CO2-Emissionen eine bedeutende Rolle. (Bildquelle: Sakorn Sukkasemsakorn/iStock/Getty Images Plus)

Aktuell wird intensiv über die künftige Rolle von Wasserstoff für die Energieversorgung in Deutschland und Europa diskutiert. Als verantwortliche Elektrofachkraft wissen Sie, dass beim Einsatz von Wasserstoff als Energiequelle zahlreiche Gefährdungen bestehen. Auf welche spezifischen Gefährdungen gilt es beim Arbeiten im Bereich von Wasserstoffanlagen und -leitungen zu achten und welche Schutzmaßnahmen stehen zur Verfügung?

Wasserstoff spielt wichtige Rolle bei Energiewende

Im Zuge der Energiewende spielt Wasserstoff bei der Reduzierung von CO2-Emissionen eine bedeutende Rolle, weil er durch die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien mithilfe der Elektrolyse klimafreundlich produziert werden kann. Wird hierzu ausschließlich grüner Strom verwendet und entsteht dabei kein CO2, gilt der Wasserstoff als grün. Anlagen zur Produktion, Verarbeitung und zum Transport von Wasserstoff werden insbesondere bei Energieversorgern, in der Stahlbranche und in der chemischen Industrie betrieben. Dazu zählen beispielsweise:

  • Erzeugungsanlagen (beispielsweise Elektrolyse-Anlagen)
  • Gasaufbereitung
  • Gas-Druckregel- und Messanlagen
  • Gas-Verdichter
  • Rohrleitungen (beispielsweise Armaturen, Abblase- und Entspannungsleitungen, Schlauchleitungen)
  • Speicherbehälter
  • Verbrauchsanlagen (beispielsweise Direktreduktionsanlagen, Glasindustrie, Haubenglühereien, Hydrierung, Öfen und Wannen in der Glas- und Keramikindustrie Thermoprozessanlagen)

Gefährdungsbeurteilung ist gesetzliche Pflicht

Um festzustellen, ob Beschäftigte im Rahmen ihrer Tätigkeiten an Wasserstoffanlagen und -leitungen mit Gefahrstoffen in Kontakt kommen oder ob bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten Gefahrstoffe entstehen oder freigesetzt werden können, müssen die Betreiber von Wasserstoffanlagen auf der Grundlage von § 5 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz), § 6 GefStoffV (Gefahrstoffverordnung) sowie § 3 BetrSichV (Betriebssicherheitsverordnung) eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Dabei gilt es, die speziellen Eigenschaften von Wasserstoff zu berücksichtigen.

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Vorsicht Druck!

Im Bereich von Wasserstoffanlagen und -leitungen bestehen Gefährdungen durch Druck, die es gemäß § 3 BetrSichV zu beurteilen gilt. Entsprechende Hinweise liefert die TRBS 2141 „Gefährdungen durch Dampf und Druck“. Die TRBS 1201 Teil 1 „Prüfung von Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen“ bietet konkrete Hilfestellungen für die Ermittlung und Festlegung notwendiger Prüfungen und Kontrollen. Die Technische Regel liefert dem Arbeitgeber wichtige Informationen

  • zur Ermittlung der Prüffrist für wiederkehrende Prüfungen,
  • zur Bewertung und Dokumentation von Prüfungen und
  • zu den Auswirkungen von Änderungen.

Arbeitsmittel müssen gebrauchstauglich sein

Bevor Arbeitsmittel bei Wasserstoffanlagen und -leitungen zum Einsatz kommen, müssen die in der Betriebssicherheitsverordnung für deren Verwendung geltenden Anforderungen berücksichtigt werden, beispielsweise zur Gebrauchstauglichkeit oder zu den Prüffristen.

Für Instandhaltungsmaßnahmen gelten besondere Anforderungen

Bei der Analyse und Bewertung von Gefährdungen bei der Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen müssen die Anforderungen der BetrSichV erfüllt sein (vgl. TRBS 1112 „Instandhaltung“ sowie TRBS 1112 Teil 1 „Explosionsgefährdungen bei und durch Instandhaltungsarbeiten - Beurteilungen und Schutzmaßnahmen“). Im Zuge der Instandhaltung von Gasanlagen dürfen nur geeignete Bauteile für Druck, Temperatur, Volumenstrom und Werkstoffbeständigkeit zum Einsatz kommen.

Auf diese Gefährdungsfaktoren gilt es zu achten

Bei Wasserstoffleitungen und -anlagen besteht insbesondere eine Druckgefährdung (unter Druck stehende Rohrleitungen und Anlagenteile - Expansion ohne Entzündung) sowie eine Explosionsgefährdung durch die Bildung von explosionsfähigen Wasserstoff/Luft-Gemischen.

Aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff gegenüber Luft strömt freigesetzter Wasserstoff umgehend nach oben und kann sich vor allem unter der Raumdecke ansammeln (z. B. in Dachvorsprüngen). In nicht oder schlecht belüfteten Aufstellungsräumen von Wasserstoffanlagen kann es zu gefährlichen Gasansammlungen kommen. Dabei müssen die Explosionsgrenzen des Wasserstoffs (UEG 4 Vol.-%, OEG 77 Vol.-%) beachtet werden.

In folgenden Fällen können Gas/Luft-Gemische auftreten:

  • Bildung von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre (g. e. A.) im Inneren von Leitungen und Anlagen bei der In- und Außerbetriebnahme sowie Instandhaltung
  • Freisetzung von Wasserstoff an Abblase- und Entspannungsleitungen oder Atmungsleitungen
  • Freisetzung von Wasserstoff beim Öffnen gasführender Anlagenteile und Rohrleitungen im Rahmen der Instandhaltung
  • undichte gasführende Systeme

Wegen der geringen Mindestzündenergie können Wasserstoff/Luft-Gemische bereits durch Zündquellen, die eine sehr niedrige Energie aufweisen, gezündet werden. Beispiele dafür sind:

  • elektrostatische Aufladung nicht geerdeter Arbeitsmittel, Bauteile und Personen, (z. B. metallische Ausblasevorrichtungen, Leitern)
  • mechanische Abrieb-, Reib- und Schlagvorgänge bei der Verwendung von Werkzeugen können zündfähige Funken bilden
  • Rostteilchen oder Staubpartikel, die durch einen schnell strömenden Wasserstoffstrahl mitgerissen werden, können aufgrund elektrostatischer Aufladung oder beim Aufprall auf ein Hindernis zündfähige Funken verursachen
  • Stoßwellen beim schnellen Entspannen von unter Druck stehenden Anlagenteilen

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Hinweise zu wasserstoffspezifischen Schutzmaßnahmen

Bei der Unterweisung von Beschäftigten müssen neben den allgemeinen Schutzmaßnahmen (Tätigkeit, Arbeitsbereich) insbesondere auch die wasserstoffspezifischen Gefährdungen und Schutzmaßnahmen Berücksichtigung finden. Die bei der Gefährdungsbeurteilung analysierten wasserstoffspezifischen Schutzmaßnahmen müssen darüber hinaus in der Betriebsanweisung bzw. Arbeitsfreigabe Niederschlag finden.

Hinweis

Für den Fall, dass mit dem Auftreten gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre (g. e. A.) gerechnet werden muss (vgl. TRGS 727 „Vermeidung von Zündgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen“), muss im Arbeitsbereich spezielle Schutzausrüstung, z. B. ableitfähige Handschuhe, ableitfähiges Schuhwerk, ableitfähige Schutzkleidung, getragen werden.

Anforderungen an Arbeitsmittel und Geräte bei der Instandhaltung

Für den Fall, dass mit dem Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre im Arbeitsbereich zu rechnen ist, müssen wirksame Zündquellen vermieden werden. Elektrische und nicht-elektrischer Geräte sowie Arbeitsmittel im Sinne der Richtlinie 2014/34/EU müssen entsprechend der Gerätegruppe II, Kategorie 2 G ausgewählt werden, soweit sich aus der Gefährdungsbeurteilung keine anderen Anforderungen ergeben, wie in der TRBS 1112 Teil 1 ausgeführt. Die Explosionsgruppe IIC für Wasserstoff muss berücksichtigt werden.

Darauf muss bei Handwerkzeugen geachtet werden

Im Umgang mit Wasserstoff muss auch bei durch einfache handgeführte Werkzeuge (z. B. Schraubendreher, Schraubenschlüssel, Zange) verursachten Funken von der Möglichkeit einer Entzündung ausgegangen werden.

Um diese Gefährdung zu vermeiden, finden Anwender in der TRGS 723 „Gefährliche explosionsfähige Gemische – Vermeidung der Entzündung gefährlicher explosionsfähiger Gemische“ entsprechende Hinweis für den Einsatz funkenarmer Werkzeuge aus nicht gehärtetem NE-Metall, beispielsweise Kupfer-Beryllium-Legierung zur Zündfunkenvermeidung, die zum Einsatz kommen müssen, wenn gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre im Arbeitsbereich nicht sicher vermieden werden kann.

Werkzeuge aus Kupfer-Beryllium (CuBe) sollten ausschließlich nass geschliffen werden. Dadurch wird das Entstehen von gesundheitsschädlichen Stäuben und Dämpfen beim Schleifen verhindert.

Tragbare Gaswarngeräte erfassen Auftreten von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre

Bei Instandhaltungsarbeiten, bei der die Konzentration im Arbeitsbereich überwacht wird, erfolgt eine Erfassung des Auftretens von gefährlicher explosionsfähiger Atmosphäre mithilfe von tragbaren Gaswarngeräten. Wird Alarm ausgelöst, muss der Gefahrenbereich sofort verlassen werden. Wer diese Messungen durchführt, muss gemäß der TRBS 1112 Teil 1 „Explosionsgefährdung bei und durch Instandhaltungsarbeiten – Beurteilungen und Schutzmaßnahmen“ die notwendige Fachkunde besitzen, die sich auf folgende Aspekte bezieht:

  • angewendete Arbeitsverfahren und betriebliche Verhältnisse
  • Eigenschaften der zu messenden Stoffe (Medium Wasserstoff)
  • verwendete Messgeräte bzw. Messverfahren

Anforderungen an Gaswarngeräte

Die verwendeten Gaswarngeräte müssen für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen für Wasserstoff auf Basis der Europäischen RL 2014/34/EU bezüglich ihrer Sicherheit als elektrische Betriebsmittel zulässig sein und eine entsprechende Kennzeichnung aufweisen. Darüber hinaus muss die messtechnische Funktionsfähigkeit für die beabsichtigte Anwendung gemäß den Anforderungen der RL 2014/34/EU nachgewiesen sein. Weitere Hinweis finden Anwender in der DGUV Information 213-057 „Gaswarneinrichtungen und -geräte für den Explosionsschutz, Einsatz und Betrieb“. Für Wasserstoff geeignete Gaswarngeräte sind in der EX-RL Anlage 3 „Liste funktionsgeprüfter Gaswarngeräte“ aufgelistet.

  • Autor:

    Lic. jur./Wiss. Dok. Ernst Schneider

    Inhaber eines Fachredaktionsbüros

    Ernst Schneider

    Ernst Schneider ist Mitglied in der Sektorgruppe Elektrotechnik (ANP-SGE) und in der Themengruppe Produktkonformität (ANP-TGP) des Ausschusses Normenpraxis im DIN e.V.

    Er veröffentlichte bereits eine Vielzahl von Büchern, Fachzeitschriften und elektronischen Informationsdiensten. Seit 2004 ist er außerdem Unternehmensberater für technologieorientierte Unternehmen.

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