Chancen für Gleichstrom im Niederspannungsbereich

4,6/5 Sterne (5 Stimmen)
Viele Netzteile für Gleichstrom könnten durch LVDC überflüssig werden
Viele Netzteile für Gleichstrom könnten durch LVDC überflüssig werden (Bildquelle: Sergey Andreev/Hemera/Getty Images)

Im Februar hat die DKE eine neue Normungs-Roadmap vorgelegt. Sie befasst sich mit dem Einsatz von Gleichstromsystemen in neuen und innovativen Anwendungen in Energieversorgung und Elektromobilität. Die Roadmap stellt den Stand der Technik vor und nennt Anforderungen und Handlungsempfehlungen. Das Dokument ist eine interessante Lektüre für jeden, der in Sachen neuer Trends der Elektrotechnik für Gebäudeinstallation, Elektromobilität und Energieversorgung up to date sein will.

Aktuell liegt Version 1 einer Roadmap zu Gleichstrom im Niederspannungsbereich vor. Neben der DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE) haben Experten der involvierten Interessenvertretungen/Fachkreise mitgewirkt.

Dies spricht für ein Niederspannungs-Gleichstromnetz

Die Situation stellt sich heute so dar, dass einige Energieerzeuger wie Photovoltaiksysteme oder Brennstoffzellen Gleichstrom erzeugen. Dieser muss in Wechselstrom umgewandelt werden, damit er in die Elektroinstallation eines Gebäudes eingespeist werden kann. Dort muss er oft wieder in Gleichstrom rückverwandelt werden, um für Endanwendungen beim Verbraucher nutzbar zu sein.

Derartige DC-AC-DC-Umwandlungen führen zu erheblichen Energieverlusten. Laut den Roadmap-Autoren müssten diese Energieverluste nicht sein. Denn viele elektronische Betriebsmittel könnten mit Gleichspannung versorgt werden, ohne Konvertierungsverluste in Kauf nehmen zu müssen.

Das Dokument befasst sich auf mehr als 130 Seiten mit den Chancen für ein Niederspannungs-Gleichstromnetz. Dieses kursiert in der Fachwelt auch als LVDC (für Low-Voltage-Direct-Current-Grid). Darunter fällt der Niederspannungsbereich von Gleichspannungen bis 1.500 V. Zu den Vorteilen eines LVDC zählen:

  • AC/DC-Wandler können entfallen.
  • Viele Netzteile werden überflüssig.
  • Es gibt keine Verluste mehr durch Umwandlung von Wechselspannung in Gleichspannung.
  • LVDC sind gut geeignet für die Erzeuger alternativer Energien wie z.B. Photovoltaikanlagen.
  • LVDC sind auch für Brennstoffzellen geeignet.
  • Batterie- und andere Speichersysteme können ohne AC-DC-Wandler direkt an die Energieversorgung angeschlossen werden.
  • Auch eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) ist über Batterien mittels Gleichstrom möglich.
  • Die Netzqualität kann durch Gleichstrom-Netze verbessert werden. Die Problematik von Oberschwingungspannungen, wie sie durch nicht-lineare im Lasten AC-Netz auftreten, entfällt.

Konformität, Interoperabilität und Kompatibilität von LVDC

Der breiten Anwendung von Gleichstromsystemen gegenüber stehen Schutzkonzepte und Schutzeinrichtungen, die für Wechselstrom und seine Übertragung und Verteilung historisch gewachsen sind und sich bewährt haben.

Zentrale Bedeutung für einen Einsatz von Gleichstromsystemen haben die drei Begriffe Konformität, Interoperabilität und Kompatibilität:

  • Konformität: die Übereinstimmung eines Systems mit den in Normen und anderen Spezifikationen formulierten Anforderungen.
  • Interoperabilität: die Fähigkeit von Systemen, mittels Kommunikation über Schnittstellen zusammenzuarbeiten.
  • Kompatibilität: die Austauschbarkeit von Baugruppen sowie die Vereinbarkeit und Gleichwertigkeit von Eigenschaften.

Die Roadmap geht auf den aktuellen Stand der Technik und mögliche Weiterentwicklungen ein und befasst sich mit den folgenden Aspekten:

  • die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für LVDC
  • Betriebsmittel und Komponenten
  • Technologien und Netzstrukturen
  • Anwendungsgebiete, Use Cases und Anlagentopologien
  • den Stand der Normung und die daran beteiligten Akteure
  • die rechtlichen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Festlegungen wie Niederspannungsanschlussverordnung (NAV), Niederspannungs-Richtlinie (LVD) und EMV-Richtlinie
  • die funktionale Sicherheit von Gleichstrominstallationen und die Gefährdung von Personen, etwa durch DC-Lichtbögen,
  • Schutzkonzepte für Basisschutz, Fehlerschutz und Zusatzschutz, Schutz gegen thermische Einflüsse, Korrosionsschutz, Blitz- und Überspannungsschutz

Die Roadmap endet mit einer Zusammenfassung von Handlungsbedarf, Handlungsempfehlungen und einem Ausblick. Die dezentrale Energieversorgung und Speicherung über Gleichstrom in Deutschland wird auch als Modell für andere Regionen wie etwa Skandinavien, Indien und Südamerika gesehen. Der Vorteil von Gleichstromsystemen, liegt auch in einer größeren Reichweite (range extender) und höherer Leistung mit bzw. über denselben Kabeln und Leitungen. So wird z.B. in Indien etwa ein Fünftel der elektrischen Energie für Bewässerungspumpen benötigt. Eine Umstellung auf dezentrale Gleichstromlösungen mit Photovoltaik könnten sich binnen drei Jahren amortisieren.

Auf den Webseiten der DKE können Sie die Deutsche Normungs-Roadmap Gleichstrom im Niederspannungsbereich kostenfrei herunterladen.

DKE steht für die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE. Dieses wichtige Gremium ist im Bereich Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik für die Erarbeitung von Normen und Spezifikationen verantwortlich. Unter anderem gibt die DKE in unregelmäßigen Abständen sogenannte Normungs-Roadmaps heraus. Diese greifen aktuelle Entwicklungen auf und stellen diese in Bezug zu laufenden, geplanten und notwendigen Normungsaktivitäten. Der Leser erhält einen aktuellen Überblick, welche Standards zu einem elektrotechnischen Thema bereits existieren und wo welcher Bedarf abzusehen ist.

  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 6 und 9?