Planspiele und Simulationen in der Berufsausbildung

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In den meisten Fällen sind Planspiele als Unternehmensplanspiele angelegt.
In den meisten Fällen sind Planspiele als Unternehmensplanspiele angelegt. (Prostock-Studio/iStock/Getty Images Plus)

Besonders die praktischen Anteile der Ausbildung kommen bei den Lernenden gut an. Hinsichtlich Sicherheitsbedenken oder Kostenfaktoren ist der direkte praktische Einstieg – das sogenannte Learning by Doing – allerdings oft gar nicht oder erst in einem fortgeschrittenem Stadium der Ausbildung möglich. Hier bieten Simulationen und Planspiele eine gute Möglichkeit, um dem Auszubildenden die Praxis gefahrlos näher zu bringen.

Die Wissensvermittlung im Rahmen einer Ausbildung in den Elektroberufen bietet den Ausbildern die Chance, viele unterschiedliche didaktische Ansätze einzubinden. Befragt man die Lernenden, welche Inhalte besonders gut ankommen, so sind vor allem die praktischen Anteile in der Ausbildung beliebt. In vielen Situationen im Ausbildungsalltag ist allerdings der direkte praktische Einstieg, das sogenannte „Learning by Doing“, aufgrund von Sicherheitsbedenken oder hinsichtlich der Kostenfaktoren gar nicht oder zumindest erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Ausbildung möglich.

Will man sich also trotz allem an die Praxis herantasten, so sind Simulationen eine gute Möglichkeit. Genau wie man im Flugsimulator das gefahrlose Starten und Landen oder den Umgang mit Ausnahmesituationen durchleben kann, ohne Schaden zu nehmen, sind beispielsweise auch beim virtuellen Schweißen in der Ausbildung die Möglichkeiten eines gefahrlosen Erwerbs von Fähigkeiten und Fertigkeiten ohne Materialverbrauch und Verletzungsrisiko gegeben.

Sobald Simulationen jedoch komplexere Zusammenhänge beinhalten und man als Teilnehmender in seiner Rolle gezwungen ist, Entscheidungen zu treffen, die wiederum Rückkopplungseffekte auf die Situation der ganzen Gruppe haben, erweitert sich die zweckgebundene Simulation zum ergebnisoffenen Planspiel.

Die Methode Planspiel

Wenn man einem Außenstehenden die Methode Planspiel beschreiben soll, wird man zunächst unweigerlich über den Einsatzbereich reden müssen, den das Spiel umfasst. In den meisten Fällen sind Planspiele als Unternehmensplanspiele angelegt, die betriebswirtschaftliche und soziale Zusammenhänge thematisieren. Als Variation können auch Teilbereiche, z.B. die Instandhaltung eines Unternehmens oder ein Produktionssystem, in den Fokus gerückt werden. Aber auch größere, übergeordnete Zusammenhänge, beispielsweise in der Simulation globaler Wirtschaftssysteme, sind populär.

Je nach Größe, Teilnehmeranzahl und Spieldauer lassen sich zudem unterschiedliche Formate finden; vom Brettspiel über virtuell bzw. computergestützt durchgeführte Planspiele bis zur Präsenzveranstaltung in einer Modellfabrik.

Innerhalb des Planspiels wird der Azubi, allein oder zusammen mit anderen, mit einer simulierten Ausgangssituation konfrontiert, in der er eine bestimmte Rolle einnehmen muss. Seine Aufgabe ist es, im Folgenden Entscheidungen zu treffen, Handlungen durchzuführen und mit den daraus entstehenden Konsequenzen umzugehen, wobei er durch die jeweiligen Spielregeln des Planspiels bestimmten Handlungszwängen unterworfen ist. Das Spielen fördert hierbei durch die soziale Interaktion auch Teamkompetenz und Sozialverhalten.

Ein weiterer positiver Effekt durch den Einsatz eines Planspiels ist in der Regel ein verbessertes Verständnis komplexer Systeme, das besonders dann zum Tragen kommt, wenn der Auszubildende vor dem Planspiel bereits über gewisse Grundkenntnisse verfügt.

Die Methode Planspiel unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von anderen didaktischen Methoden.

  • Als selbst zu erarbeitende Lehrmethode erlaubt das Planspiel den Teilnehmern die vollständige Erarbeitung eines Themas, in dem unzählige Spielvariationen möglich sind, unerwünschte Störungen oder Spielverläufe jedoch durch die Vorgabe von Spielregeln nahezu ausgeschlossen werden. Alle Spielsituationen sind klar, da ihre Variablen strikt begrenzt sind. Die Kombination dieser Variablen und ihre Rückwirkungen aufeinander führen jedoch zu einer undurchschaubaren Komplexität.
  • Als spielender Teilnehmer wird der Auszubildende ein Teil dieser komplexen Umgebung. Er experimentiert mit der simulierten Lebenswelt und damit auch mit sich selbst. Er kann seine eigenen Entscheidungen treffen und erfährt deren Auswirkungen.
  • Das Planspiel fokussiert neben dem fachspezifischen Wissen besonders auf die in der heutigen Arbeitswelt geforderte Prozessorientierung der Auszubildenden.
  • Die Methode erlaubt das Erlernen und Erproben komplexer Kompetenzen für spätere reale Situationen

Ablauf eines Planspiels

Vorbereitung

Viele Planspiele, die komplexe Situationen simulieren, sind auch vom Aufbau her komplex und bedürfen einer gründlichen Vorbereitung. Sofern das Planspiel nicht virtuell am Computer läuft, sondern als Präsenzveranstaltung konzipiert ist, müssen ausreichend Materialien, Unterlagen, Werkzeuge etc. bereitgestellt werden. Dazu kommen der Veranstaltungsraum und mögliche Gruppenräume.

Aus didaktischen Gesichtspunkten muss der theoretische Rahmen zur Einführung der Teilnehmer in das Planspiel gestaltet sein. Auch die inhaltliche Verzahnung mit den Inhalten der Ausbildung muss gewährleistet sein, damit die Teilnehmer den maximalen Nutzen für ihre praktische Arbeit aus dem Planspiel ziehen können.

Briefing der Teilnehmer

Das Spiel beginnt zunächst mit der Vorstellung der Spielsituation durch den Spielleiter. Die nachfolgenden Schritte können auch in unterschiedlicher Reihenfolge stattfinden, wenn das Spiel es erfordert.

  1. Warum? Hierbei wird das Planspiel in den Gesamtzusammenhang der Ausbildung gestellt. Zusätzlich können hier auch theoretische Inhalte im Rahmen einer Herleitung vermittelt werden.
  2. Was ist das Ziel? Die Teilnehmer bekommen mündlich oder schriftlich die Rahmenhandlung des Spiels erläutert und erfahren die Spielregeln und die methodischen Möglichkeiten.
  3. Wer macht was? Jeder Teilnehmer bekommt eine Rolle zugewiesen, in deren Rahmen er sich zu bewegen hat. Diese Rolle kann sowohl Vorgaben wie z.B. Budget oder einzuhaltende Zeiten als auch die Definition von Verantwortlichkeit und Zuständigkeit beinhalten. Jeder Teilnehmer bekommt die Möglichkeit, Verständnisfragen zu seiner Rolle vorab mit dem Spielleiter zu klären. Sofern das Spiel es verlangt, werden in dieser Phase auch Gruppen gebildet.
  4. Wie ist die Ausgangssituation? Der Spielleiter stellt den konkreten Fall und die Ausgangslage vor. Die Teilnehmer machen sich mit den für sie vorgesehenen Materialien vertraut.

Debriefing

Zwar steht beim Planspiel für die Teilnehmer zunächst der „Spielteil“ im Vordergrund des Interesses, das Debriefing des Spiels ist aber mindestens genauso wichtig, denn hier geht es um die Ergebnissicherung und den Wissenstransfer. Ein Planspiel ohne sachgemäßes Debriefing wäre nur eine nette didaktische Unterbrechung des Ausbildungsalltags.

Das Debriefing erfolgt gemeinsam mit den Teilnehmern durch den Spielleiter. Neben dem Spielverlauf und der eigenen Rolle liegt der Schwerpunkt in der Debriefing-Diskussion auf der Reflexion der getroffenen Entscheidungen und möglichen Alternativen. Abschließend werden die Ergebnisse und Erfahrungen in den Ausbildungszusammenhang gestellt.

Die folgende 5-Themen-Checkliste kann dabei als Anregung für ein strukturiertes Debriefing dienen.

Checkliste Debriefing

  1. Spielergebnis
    • Wie ist das Spiel gelaufen?
    • Welches Ergebnis haben wir erzielt, was sind die ausschlaggebenden Gründe hierfür?
    • An welcher Stelle gab es gute/schlechte Entscheidungen aus deiner Sicht?
    • Was hat im Spiel besonders gestört/was hat das Spiel negativ beeinflusst?
    • Welche positiven Effekte waren zu beobachten?
    • Sind die Spielregeln von allen eingehalten worden?
  1. Emotion
    • Wie hast du dich in deiner Rolle gefühlt?
    • Welche guten oder schlechten Momente gab es in deiner Rolle für dich?
    • Mit wem hast du gut/schlecht/gar nicht interagiert und warum?
    • Welche Beobachtungen hast du bei anderen gemacht?
    • Wie zufrieden bist du mit deiner Rolle insgesamt?
    • Wie bewertest du deinen Anteil am Spielergebnis?
  1. Alternativszenarien
    • Was müsste geändert werden, damit eine Gruppe auf Anhieb besser ist?
    • Was wäre vor dem Spiel oder während des Spiels hilfreich gewesen?
    • Welche Regeln hatten besondere Auswirkungen auf das Spielergebnis?
    • Hätte eine andere Aufgabenverteilung das Ergebnis verbessert?
    • War die Teamzusammenstellung hilfreich?
    • Du kannst nachträglich eine Entscheidung im Spiel korrigieren – welche und warum?
  1. Schlussfolgerungen „Lessons Learned“
    • Was sind die wichtigsten (drei) Erkenntnisse für dich aus diesem Spiel?
    • Welche Annahmen, mit denen du ins Spiel gegangen bist, haben sich als falsch erwiesen, in welchen Annahmen bist du bestätigt worden?
    • Gab es Widersprüche oder Reibungspunkte zwischen deiner Rolle im Spiel und dem Gesamtziel oder dem Ergebnis des Spiels?
    • Welche Erfahrung aus dem Spiel hättest du im wahren Leben ungern gemacht?
    • Welche Zusammenhänge sind für dich im Spiel deutlich geworden, die du zuvor nicht kanntest oder nicht beachtet hast?
  1. Wissenstransfer
    • Welche der im Planspiel vorkommenden Situationen sind typischerweise auch im Alltag beobachtbar und welche finden nur im Spiel statt?
    • Was bedeuten die Ergebnisse und Schlussfolgerungen für deinen Arbeitsalltag?
    • Welche neuen Erkenntnis wirst du vermutlich als Erstes bei der Arbeit einsetzen können?
    • Für welche weiteren Situationen fühlst du dich in der Zukunft durch das Planspiel besser vorbereitet?
    • Welchen Einfluss haben Teamarbeit und Kooperation in komplexen Situationen?
    • Welche Verhaltensweisen waren besonders ineffektiv?
    • Was hast du über dich selbst in dieser Spiel-/Stresssituation gelernt?

Fazit

Planspiele sind eine gute didaktische Alternative, wenn es darum geht, Auszubildenden und Studierenden Prozesskenntnisse und dynamische Zusammenhänge in komplexen Systemen zu vermitteln. Zudem erleben sie als Teilnehmer im Planspiel unmittelbar die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und ihres Handelns in komplexen Situationen.

Neben der Simulation eines an die realen Unternehmensprozesse angelehnten Ablaufs können die Teilnehmer im Spiel gefahrlos im Team Erfahrungen sammeln. Je nach Ausrichtung des Planspiels können die Entscheidungsfähigkeit, aber auch die soziale Interaktion und der Umgang mit Störungen, falschen Entscheidungen oder Unsicherheit thematisiert werden.

Notwendig für das Funktionieren eines Planspiels ist, dass die Inhalte für den Arbeitsalltag der Teilnehmer oder ihre Aufgaben von Bedeutung sind. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit den für sie bestimmten Rollen im Planspiel identifizieren und diese auch realistisch ausfüllen.

Während in der Durchführung des Planspiels für die Teilnehmer der Spielcharakter im Vordergrund steht, ist es unverzichtbar, den Planspielerfolg nach dem Spiel durch ein Debriefing im Sinne einer umfassenden Reflexion sicherzustellen. Hier sollte besonders der Wissenstransfer vom Spiel in die berufliche Praxis thematisiert werden. Planspiele, die auf diese Weise durchgeführt werden, haben als aktive Lernmethode oftmals eine nachhaltige Wirkung und bleiben den Teilnehmern lange in Erinnerung.

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  • Autor:

    Dipl.-Psych. Frank Menzel

    Freier Berater mit den Schwerpunkten agile Führung und Problemlösetechniken

    Menzel, Frank

    Dipl.-Psych. Frank Menzel ist seit mehr als 20 Jahren als freier Berater mit den Schwerpunkten agile Führung und Problemlösetechniken tätig. Als systemischer Coach und Supervisor sowie Scrum Master betreut er hauptsächlich Unternehmen aus dem Mittelstand

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