Spannungsprüfer: Wo lauern die Fallen?

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Spannungsprüfer gehören zur Mindestausstattung einer Elektrofachkraft
Spannungsprüfer gehören zur Mindestausstattung einer Elektrofachkraft

Für das Feststellen der Spannungsfreiheit ist ein Spannungsprüfer unerlässlich. Er gehört zur Grundausstattung einer jeden Elektrofachkraft.

Bereits im Oktober 1925 wurde in den „Betriebsvorschriften für elektrische Anlagen“, dem Vorläufer der DIN VDE 0105-100 „Betrieb von elektrischen Anlagen – Teil 100: Allgemeine Festlegungen“, der Einsatz von Spannungsprüfern gefordert (§ 6a Nr. 4):
„Zum Nachweise, dass die Arbeitsstelle spannungsfrei ist, können dienen: Spannungsprüfungen […]“
Schon zwei Jahre später gab es Mindestanforderungen an Spannungsprüfer in den „Leitsätzen für Spannungssucher bis 750 V“, der späteren VDE 0425/1927.

Heute gehört der Spannungsprüfer zur Mindestausstattung, um die dritte der fünf Sicherheitsregeln durchzuführen. Im Niederspannungsbereich unterscheidet man zwischen drei verschiedenen Arten von Spannungsprüfern:

  • zweipolige Spannungsprüfer (nach DIN VDE 0682-401)
  • einpolige Spannungsprüfer (nach DIN VDE 0680-6)
  • berührungslose Spannungsprüfer

Das Multimeter und der Installationstester können auch Spannungen messen, sind jedoch keine Spannungsprüfer im eigentlichen Sinn.

Grundsätzlich muss jeder Spannungsprüfer für den vorgesehenen Einsatzzweck – auch im Niederspannungsnetz – geeignet sein und vor Gefährdungen schützen. Der Unternehmer muss sich darüber im Rahmen seiner Unternehmerpflichten eingehend Gedanken machen. Er muss dies nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) auch dokumentieren.

Spannungsfreiheit feststellen = Arbeiten unter Spannung

Grundsätzlich zählt das Feststellen der Spannungsfreiheit schon zu den Arbeiten unter Spannung, wie sie in der DIN VDE 0105-100 beschrieben werden. Dass keine besonderen organisatorischen Maßnahmen notwendig sind, bedeutet nicht, dass es hierzu keine Regelung geben muss und alle möglichen Spannungsprüfer auch alle Anforderungen erfüllen. Es muss mindestens geregelt werden, welche Art von Spannungsprüfer verwendet werden darf und welche Mindestanforderungen hinsichtlich Überspannungskategorie und Spannungsbereich erfüllt werden müssen.

Aufgaben eines Spannungsprüfers

  • Ein Spannungsprüfer muss in allererster Linie gefährliche Spannungen zuverlässig erkennen. Als gefährliche Spannung gilt gemäß den anerkannten Regeln der Technik alles über 50 V AC und 120 V DC.
  • Fehlbedienungen müssen weitestgehend ausgeschlossen sein, der Spannungsprüfer muss also einfach und zuverlässig zu bedienen sein.
  • Ein Spannungsprüfer darf den Bediener nicht gefährden. Er muss so gebaut sein, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Körperdurchströmung oder Störlichtbogenbildung auftreten kann.

Zweipoliger Spannungsprüfer

Seit vielen Jahrzehnten hat sich der zweipolige Spannungsprüfer als Grundausstattung einer jeden qualifizierten Elektrofachkraft bewährt. Grundsätzlich ist der zweipolige Spannungsprüfer ein Gerät zum „Arbeiten unter Spannung“ (AuS). Wie ein zweipoliger Spannungsprüfer konzipiert werden muss, ist in der DIN VDE 0682-401 (DIN EN 61243-3) zusammengefasst. Die Norm legt hohe Anforderungen fest, um sicher die Spannungsfreiheit anzuzeigen:

  • Der Spannungsprüfer besteht aus zwei „Handhaben“, also zwei Teilen, die fest miteinander verbunden sind.
  • Die Spannungsanzeige muss ohne eine Bedienhandlung batterieunabhängig funktionieren.
  • Eine Spannung muss ab 50 V AC sicher angezeigt werden. Dabei ist nicht eine genaue Spannungsanzeige erforderlich, sondern vor allem, dass eine gefährliche Spannung vorhanden ist.
Typischer zweipoliger Spannungsprüfer
Abb.: Typischer zweipoliger Spannungsprüfer

Die weitere wesentliche Anforderung betrifft die Messmittelkategorie.

Nach der Norm muss ein zweipoliger Spannungsprüfer mindestens der Messmittelkategorie III (CAT III) entsprechen.
Um Schäden zu vermeiden, müssen nach DIN IEC 61010-1 die Mess- und Prüfgeräte seit 1997 in die Messmittelkategorien (auch Überspannungskategorien genannt) CAT I bis CAT IV eingeordnet werden. Diese Angabe ist im Allgemeinen in der Nähe der Anschlussbuchsen für den Messkreis angebracht. Nur bei zweipoligen Spannungsprüfern darf die Messmittelkategorie aufgrund des beengten Raums im Datenblatt und in der Betriebsanleitung genannt sein. Sie muss nicht zwingend auf dem Gerät selbst angebracht werden.
Die Messmittelkategorien sind in der DIN IEC 61010-1 beschrieben:

  • CAT II
    Der zu messende Stromkreis ist direkt mit einem Stromkreis des Niederspannungsnetzes verbunden. Beispiel: Steuerstromkreis einer Maschine innerhalb von Haushaltsgeräten
  • CAT III
    Messungen innerhalb der Gebäudeinstallation, nicht energiereiche Stromkreise, Endstromkreise in der Industrie und Haushalt sowie an Motoren
  • CAT IV
    Messungen in der Nähe der Quelle des Niederspannungsnetzes. Beispiele: Vorzählerbereich in der Hausinstallation, Niederspannungs-Hauptverteilungen, Hauptstromkreise eines BHKW

So war es möglich, dass zweipolige Spannungsprüfer der CAT II in Verkehr gebracht wurden. Restbestände dieser Geräte des untersten Preissegments wurden noch bis zum 01.05.2013 verkauft, was durch eine lange Übergangsfrist der Norm auch möglich war.

Zweipoliger Spannungsprüfer nur mit CAT II
Abb.: Zweipoliger Spannungsprüfer nur mit CAT II

Die Elektrofachkraft sollte diese Geräte jedoch meiden! Nicht einmal ein „Selbsttest“ an einer Schukosteckdose wäre sicher möglich, denn diese fällt schon in den Bereich der CAT III.

Eine andere Anforderung betrifft die sogenannte Lastzuschaltung. Mithilfe der Lastzuschaltung ist es möglich, den Prüfstrom von unter 3,5 mA auf maximal 200 mA zu erhöhen. Da dabei an den Prüfspitzen gefährliche Berührungsspannungen auftreten können, darf die Lastzuschaltung nur durch das gleichzeitige Bedienen von zwei Tastern erfolgen. Damit soll erreicht werden, dass der Spannungsprüfer mit beiden Händen – während der Lastzuschaltung – gehalten wird. Durch diese Maßnahme ist das gleichzeitige Berühren der Prüfspitzen nicht möglich und eine dadurch bewerkstelligte Körperdurchströmung nahezu ausgeschlossen.

Einpoliger Spannungsprüfer

Der einpolige Spannungsprüfer hat sich im Lauf der letzten Jahrzehnte nicht verändert. Grundsätzlich ist auch er ein Gerät zum Arbeiten unter Spannung und darf zum Feststellen der Spannungsfreiheit eingesetzt werden. Ob dies auch sicher durchgeführt werden kann, ist zweifelhaft.

Typische einpolige Spannungsprüfer nach DIN VDE 0680-6
Abb.: Typische einpolige Spannungsprüfer nach DIN VDE 0680-6

Im Niederspannungsbereich sind diese in der DIN VDE 0680-6 mit Ausgabe vom April 1977 genormt. Seither hat sich an dem umgangssprachlich „Lügenstift“ genannten Spannungsprüfer nichts Wesentliches geändert. Grundsätzlich ist der Einsatz dieses Spannungsprüfers nicht verboten, jedoch für die Feststellung der Spannungsfreiheit nach heutigen Maßstäben nicht mehr Stand der Technik.

Der Ausdruck „Lügenstift“ hat durchaus seine Berechtigung – nur allzu oft lässt sich keine zweifelsfreie Aussage treffen: So kann das Aufleuchten der Glimmlampe aufgrund zu starker Umgebungshelligkeit oft nicht eindeutig erkannt werden. Wenn in dem Stromkreis kapazitive Einkopplungen vorkommen, kann die Anzeige vom Benutzer falsch interpretiert werden, da die Glimmlampe trotzdem aufleuchtet – oftmals nicht ganz so hell wie bei 230 V.

Durch die Berührung an der Kontaktelektrode darf ein Berührungsstrom bis zu 0,5 mA zum Fließen kommen. Je nach Bauart des „Lügenstifts“ werden die vollen 0,5 mA benötigt, um die Glimmlampe eindeutig zum Leuchten zu bringen.

Aufgrund von (ungewollter) Standortisolierung kann es sein, dass dieser benötigte Stromfluss nicht zustande kommt und die Glimmlampe nicht ausreichend leuchtet. Auch sehr trockene Haut oder Hornhaut haben einen ähnlichen Effekt. Der nicht erfahrene Benutzer sieht eventuell zwischen der kapazitiven Einkopplung und der Anzeige bei Standortisolierung keinen Unterschied und denkt, dass der Stromkreis spannungsfrei ist.

Ein weiterer Gefahrenpunkt ist, dass der einpolige Spannungsprüfer nur im Bereich zwischen 110 und 250 V AC eindeutig anzeigt. Gleichspannungen muss er gar nicht detektieren können, was zusammen mit dem sehr eingeschränkten Spannungsbereich gerade bei Arbeiten an PV-Anlagen eine sehr große Gefahr für den Nutzer darstellt.

Einpolige Spannungsprüfer sind auch nicht für die Verwendung im Außenbereich und in feuchten Räumen zugelassen – sie weisen keinen Schutz gegenüber Feuchtigkeit und Nässe auf. Die Isolierfähigkeit des einpoligen Spannungsprüfers wird durch die Feuchtigkeit so stark herabgesetzt, dass es zu einer Körperdurchströmung kommen kann.

Die Bezeichnung „Prüfschraubendreher“ ist nicht korrekt – der bestimmungsgemäße Gebrauch beschränkt sich nur auf das Spannungsprüfen und nicht auf „schrauben“!

Für das Feststellen der Spannungsfreiheit heißt es in der VDE-Schriftenreihe 13 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ (die Verfasser sind Mitglieder des DKEKomitees K 224) auf Seite 114:

„In elektrischen Anlagen mit Nennspannungen bis 1.000 V werden zur Feststellung der Spannungsfreiheit Spannungsprüfer nach DIN EN 61243-3 (VDE 0682-401) […] verwendet.“

Aus diesem Umstand ist der einpolige Spannungsprüfer aus Sicht des Autors nicht für das gesicherte Feststellen der Spannungsfreiheit geeignet.

Berührungsloser Spannungsprüfer

Berührungslose Spannungsprüfer sind ein modernes Hilfsmittel, um Spannungen zu erkennen – sollte man meinen. Doch es ist nicht ganz so einfach! Für berührungslose Spannungsprüfer gibt es keine besondere Norm. Hier kommt die Norm zur Gestaltung von Mess- und Prüfgeräten (DIN EN 61010-1; DIN VDE 0411-1) zur Anwendung.

Typischer berührungsloser Spannungsprüfer
Abb.: Typischer berührungsloser Spannungsprüfer

Der große Vorteil liegt darin, dass berührungslose Spannungsprüfer üblicherweise eine hohe Messmittelkategorie aufweisen (oftmals CAT III/1.000 V und höher). Ein großes Problem ist jedoch die Funktionsweise dieser Geräte: sie arbeiten kapazitiv, können somit nur Wechselspannungen detektieren. Für Gleichspannungen egal welcher Höhe sind sie generell nicht geeignet.

Auch ist je nach Geräteausführung die Ansprechspannung sehr unterschiedlich. Einige Geräte sprechen bereits bei 12 V an, viele bei 50 V und andere erst ab 90 bis 200 V. Eine detektierte Spannung muss also nicht unbedingt gefährlich sein, umgekehrt müssen gefährliche Spannungen nicht zwangsläufig angezeigt werden. Einige Hersteller weisen deshalb deutlich in der Betriebsanleitung darauf hin, dass ihr Produkt nicht zum Feststellen der Spannungsfreiheit in elektrischen Anlagen geeignet ist.

Wesentliche Sicherheitsmerkmale, wie ein batterieunabhängiges Anzeigesystem oder ein sicheres Detektieren von Spannungen über 50 V AC, fehlen. Eine Anzeige, dass die Batterie leer wird, gibt es in den meisten Fällen nicht. Der Benutzer muss sich auf ein einziges Anzeigesystem verlassen.

Auch wenn der Abstand zu den aktiven Teilen zu groß ist, wird die Spannung nicht sicher  angezeigt. Die Anzeige lässt sich auch durch starke elektromagnetische und elektrostatische Felder beeinflussen. Trotzdem haben berührungslose Spannungsprüfer ihre Daseinsberechtigung, z.B. zum Finden von Leitungsunterbrechungen.

Fazit

Für jede Aufgabe muss der richtige Spannungsprüfer ausgewählt werden, und zwar jeweils nach:

  • Umgebungsbedingungen
  • Spannungshöhe
  • Spannungsart
  • Messmittelkategorie

Dem Elektriker im Wohnungsbau genügt vielleicht ein einfaches Modell, während der Instandhalter eines Industriebetriebs mit Sonderspannungen und Sonderfrequenzen meist einen Spannungsprüfer mit spezieller Ausstattung benötigt.

Die Elektrofachkraft muss in jedem Fall entscheiden, welcher Spannungsprüfer geeignet ist.

Beitrag aus dem Jahr 2012, wurde geprüft und aktualisiert am 27. April 2020

Autor: Michael Lochthofen

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Kommentare

Kommentar von Adriano |

zeigt der Lügenstift immer den Minuspol an ?

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