Unfallbericht: Niederspannungsverteilung nicht freigeschaltet

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Die Niederspannungsverteilung befand sich nicht, wie im Arbeitsauftrag eigentlich festgelegt, im freigeschalteten Zustand.
Der Unfall ereignete sich, das die Niederspannungsverteilung sich nicht, wie im Arbeitsauftrag festgelegt, im freigeschalteten Zustand befand. (Bildquelle: danielvfung/iStock/Thinkstock)

Arbeitsauftrag

Der Antriebsmotor eines Knollenbrechers in einem Kohlekraftwerk musste getauscht werden. Für diese Arbeiten wurden zwei erfahrene Elektromonteure eingeteilt. Die Anlage sollte für die Zeit der Arbeiten freigeschaltet werden.

Unfallhergang

Nach der Freischaltung der Anlage wechselten die Monteure auftragsgemäß den Motor und schalteten die Anlage wieder zu. Sie führten dann einen Probelauf durch.
Dabei stellten sie fest, dass die Drehrichtung nicht stimmte. Sie wollten nun zwei Anschlüsse wechseln.

Am Antriebsmotor konnten diese nicht einfach getauscht werden. Dazu hätten sie einen passenden Steckschlüssel zur Hand haben müssen. Deshalb gingen die Monteure zu der Niederspannungsverteilung, um am Motorschutzschalter den Phasentausch zweier Anschlüsse vorzunehmen. Nachdem der eine Monteur seinem Kollegen einen passenden Schraubendreher gereicht hatte, ließ er ihn bei den Arbeiten allein. Plötzlich vernahm er einen Knall und einen Lichtbogen. Er ging schnell wieder zurück. Hier fand er seinen Kollegen mit Verbrennungen. Er leitete sofort die Rettungsmaßnahmen ein. Weitere Kollegen eilten herbei und versorgten den Verunfallten.

Unfallanalyse

Die Unfalluntersuchung ergab, dass sich die Niederspannungsverteilung nicht, wie im Arbeitsauftrag eigentlich festgelegt, im freigeschalteten Zustand befand. Nur der Motorschutzschalter war abgeschaltet. Über dem betreffenden Schalter waren zwei Anschlussdrähte von der Sammelschiene kommend abgeklemmt.

Diese haben sich vermutlich berührt und einen Lichtbogen über die gesamte Sammelschiene ausgelöst.
Der Monteur wird anscheinend versucht haben, die Anschlussdrähte „schnell“ zu wechseln. Ein Freischalten der gesamten Niederspannungsanlage war in diesem Moment zu aufwendig. Die Gefahr, dass ungewollt ein Kurzschluss ausgelöst werden könnte, hatte er mit Sicherheit nicht einkalkuliert (§ 6 DGUV Vorschrift 3 (BGV A3)).

  • Autor:

    Dr.-Ing. Jens Jühling

    Leiter der Abteilung Prävention der BG ETEM

    Jens Juehling

    Jens Jühling ist Technischer Sekretär der Internationalen Sektion Elektrizität der IVSS (Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit) und seit 2006 Leiter der Abteilung Prävention.

    Seit vielen Jahren arbeitet er im Normungsbereich „Arbeiten unter Spannung“ mit. Derzeit ist er Obmann des Normungskomitees K214 und deutscher Vertreter in der Live Working Association.

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Kommentare

Kommentar von Roland J. |

Ich verstehe eins nicht, die Monteure haben doch den Motor getauscht,oder
Dazu musste ja auch diverses Werkzeug genutzt werden.
Und plötzlich ist der Steckschlüssel nicht mehr da, um im Falle der verkehrten Drehrichtung die Phasen zu tauschen.
Zudem kann ich mir nicht vorstellen, das die Anschlussleitung als Direktanschluss läuft, sondern das Klemmen eingesetzt werden, um bei Fällen wie dieser nicht die ganze Verteilung abgeschaltet werden muss, sondern nur der defekte Teil.

Kommentar von Raoul Ammenhäuser |

Aus meiner Sicht hat der Monteur an der falschen Stelle die Drähte umklemmen wollen. Er hätte es bei freigeschaltetem Motorschutz am Abgang zum Motor tun sollen. Dazu eine ganze Verteilung freizuschalten ist wohl nicht nötig.

Kommentar von Thomas Sachs |

Oft ist es nicht unbedingt der Druck vom Auftragsgeber, der die Kollegen schnell und nachlässig arbeiten lässt, sondern die eigene Faulheit und/oder bei schnellerem Arbeiten evtl. die Pause verlängern oder sogar eher Feierabend machen zu können.

Kommentar von StefanD. |

Viele Unfälle könnten vermieden werden, wenn nicht immer alles so schnell gehen müsste.

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