Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung

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Dokumentieren Sie die Gefährdungsanalyse
Dokumentieren Sie die Gefährdungsanalyse (Bildquelle: ninuns/iStock/Thinkstock

Zur Gewährleistung der Sicherheit Ihrer Mitarbeiter sind Sie als Unternehmer dazu verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen zu erstellen. Das bedeutet, Arbeitsplätze müssen auf Risiken und Gefahren geprüft, Gefahren bewertet und Schutzmaßnahmen definiert und umgesetzt werden. Eine aufwändige aber wichtige Aufgabe.

Gefährdungsbeurteilung und Gefahrenanalyse

Zwei Begriffe, die sich überschneiden? Oder bedeuten beide dasselbe?

Das Schwierigste und die größte Arbeit bei einer Gefährdungsbeurteilung ist die Gefahrenanalyse.

Mitarbeiter einbeziehen

Bei der Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung bietet sich die Einbeziehung von Arbeitnehmern an, denn sie kennen die technischen Gefahren ihrer Arbeitsumgebung am unmittelbarsten. Wichtig ist hierbei eine Zusammenarbeit des jeweiligen Fachverantwortlichen (Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragter, befähigte Person) und der Mitarbeiter im einzelnen Beurteilungsbereich an. Durch systematische Befragungen der Mitarbeiter und ihrer unmittelbaren Vorgesetzen lassen sich die wesentlichen Gefahren am Arbeitsplatz ermitteln.

Achtung: Der Spezialist ist immer der Mitarbeiter vor Ort! Der Berater kann höchstens helfen, einen Leitfaden zu finden, eine Struktur zu schaffen und den Mitarbeiter vor Ort zu sensibilisieren. Denn jeder kann betriebsblind werden und seine Gefahren nicht mehr sehen!

Die Befragung kann durch Erhebungs- und Beurteilungsbögen strukturiert werden - auf Papier oder elektronisch. Weitere Gefahren müssen die Fachverantwortlichen durch Untersuchungen des Arbeitsplatzes und seiner Gefahren selbst erheben.

Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen erfolgt zum einen tätigkeitsbezogen, zum anderen gefährdungsbezogen. Um gleichartige Arbeitsbedingungen zu beurteilen, können Beurteilungsformulare oder Vorgehensweisen für typisierte Arbeitsplätze entwickelt werden. Sie können Gefährdungsklassen und Gefährdungstypen enthalten, um die Beurteilung zu strukturieren.

Mithilfe der Beurteilungsformulare werden die Gefährdungen ermittelt und dokumentiert. Bei elektrischen Betriebsmitteln muss ermittelt werden, welche Gefahrenmerkmale gegeben sind (werden sie regelmäßig geprüft, haben sie CE-Kennzeichnung etc.). Dies ist so weit fortzusetzen, bis die Gefahr klar ermittelt und dokumentiert ist.

Später wird überprüft, ob die zur Beseitigung oder Begrenzung der Gefährdung vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllt bzw. nicht erfüllt sind oder vorhandene Maßnahmen entfallen können. Hierzu können die Beurteilungsformulare empfohlene Schutzmaßnahmen für bestimmte Gefährdungsklassen und Gefährdungstypen vorgeben. Entspricht der Arbeitsplatz der Empfehlung und sind keine Umstände erkennbar, die eine andere als die empfohlene Maßnahme erfordern, kann der Arbeitsplatz als sicher bewertet werden.

Zusammenarbeit von Elektrofachkraft und Fachkraft für Arbeitssicherheit

Wie die Zusammenarbeit z.B. von Elektrofachkraft und Fachkraft für Arbeitssicherheit aussehen soll, bleibt den Unternehmen überlassen. Es gibt auch keine Vorgaben für die Verteilung von Aufgaben und Einsatzzeiten, wie sie etwa die Berufsgenossenschaften in der DGUV Vorschrift 2 zwischen Fachkraft für Arbeitssicherheit und Betriebsarzt festgelegt haben. In der für Elektrofachkräfte relevanten DGUV Vorschrift 3 wird die Fachkraft für Arbeitssicherheit nicht einmal erwähnt.

Auch der Gesetzgeber bleibt bei der Einordnung der Elektrofachkraft in den betrieblichen Arbeitsschutz eher zurückhaltend. Weder die alte noch die neue Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) kennen den Begriff Elektrofachkraft. Die Betriebssicherheitsverordnung nennt die sogenannte „befähigte Person“. Diese ist durch ihre Berufsausbildung, Berufserfahrung und zeitnahe berufliche Tätigkeit qualifiziert. Inwiefern eine Elektrofachkraft eine „befähigte Person“ darstellt, wird immer wieder diskutiert, kann aber im Grunde nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Fakt ist jedoch, dass elektrische Betriebsmittel, Installationen und Anlagen nur von einer Elektrofachkraft oder durch eine elektrotechnisch unterwiesene Person unter Aufsicht einer Elektrofachkraft installiert, geprüft und gewartet werden dürfen. Und die Ergebnisse solcher Elektroprüfungen werden in die Gefährdungsbeurteilungen einfließen müssen.

Dokumentationspflicht automatisch miterfüllt

Mithilfe der Beurteilungsformulare wird die Dokumentationspflicht erfüllt. Führt die Erhebung dazu, dass alle erforderlichen Maßnahmen an einem Arbeitsplatz erfüllt sind, ist dies durch die Sicherheitsverantwortlichen auf dem Beurteilungsformularen zu vermerken. Müssen Maßnahmen ergriffen werden, ist auch dies schriftlich festzuhalten. Dies kann mit dem Vorschlag geeigneter Maßnahmen und der Festlegung einer Umsetzungsfrist verbunden werden. Hierdurch wird dokumentiert, wer bis wann welche Maßnahme umzusetzen hat.

Kosten runter und Transparenz hoch

Die strukturierte Erhebung schützt auch vor unnötigen Kosten. Sofern die Analyse ergibt, dass Maßnahmen durchgeführt werden, obwohl eine vormalige Gefahr gar nicht mehr besteht, kann die Maßnahme entfallen. Dies kommt beispielsweise in Betracht, sofern ein gefährlicher Stoff durch einen ungefährlichen ersetzt wurde und die Notwendigkeit persönlicher Schutzausrüstungen nicht mehr gegeben ist. Anhand des Beurteilungsformulars kann bei Kontrollen festgestellt werden, ob die frühere, maßnahmenbegründende Gefahr noch besteht oder weggefallen ist. Die Unterlagen dienen damit der betrieblichen Transparenz und Kommunikation. Sie sind das von Personen unabhängige Gedächtnis des Betriebs. Auch bei Zuständigkeitswechseln kann zuverlässig ermittelt werden, welche Gefahren früher bestanden und wie ihnen begegnet wurde.

Der Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung

Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Broschüren, Leitfäden und Handlungshilfen für die betriebliche Gefährdungsbeurteilung. Nicht zu wissen, wie man mit einer Gefährdungsbeurteilung anfangen soll, kann als „Entschuldigung“ nicht mehr gelten. Meist wird der Prozess der Gefährdungsbeurteilung in 5 bis 8 Schritte eingeteilt, die mehr oder weniger dem folgenden Schema entsprechen:

  1. Vorbereiten: Erfassen der Betriebsorganisation, Festlegen von Arbeitsbereichen, Personengruppen und/oder Tätigkeiten.
  2. Ermitteln der vorhandenen Gefährdungen und potenziellen Gesundheitsbelastungen.
  3. Beurteilen der Gefährdungen, z.B. mithilfe einer Risikomatrix.
  4. Festlegen von Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem TOP-Grundsatz: Technische vor organisatorischen vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen.
  5. Festgelegte Maßnahmen im Betrieb durchführen und Sicherheitsregeln umsetzen.
  6. Überprüfen, ob die getroffenen Maßnahmen wirken (und nicht zu neuen Gefährdungen führen).
  7. Stetes Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung.

Es geht immer um Gefahren!

Kernbegriff und Ausgangspunkt des betrieblichen Arbeitsschutzes, sowohl nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) als auch nach der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist die Gefährdungsbeurteilung. Nach ihr müssen sich alle Maßnahmen des Arbeitgebers zum Schutz seiner Beschäftigten richten. Der Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet den Arbeitgeber, durch eine Beurteilung die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefahren zu ermitteln. Das wird durch die Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert und vertieft. Die Regelungen erweitern die Gefährdungsbeurteilung auf die Ermittlung der notwendigen Maßnahmen für die Bereitstellung und Benutzung von sicheren Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen. Und auf die Voraussetzungen, die die beauftragten Prüfer - die sogenannten befähigten Personen - haben müssen.

Aber auch Wechselwirkungen mit anderen Arbeitsmitteln, Arbeitsstoffen und der Arbeitsumgebung müssen berücksichtigt werden.

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Arbeitsplatz, Arbeitsmittel und Arbeitsstoff

Nennen wir das, was intern im Unternehmen passieren kann, einfach mal „inneres Risiko“. Ein inneres Risiko entsteht entweder aus:

  1. einem Problem des Arbeitsplatzes,
  2. einem Problem des Arbeitsmittels oder
  3. einem Problem des Arbeitsstoffs.

Und das Drumherum, das sozusagen alles Einschließende, ist - wie in der folgenden Abbildung dargestellt - der Arbeitsprozess.

Die drei inneren Risiken in der Theorie
Die drei inneren Risiken in der Theorie

Der die drei Risikobereiche gemäß der Abbildung einschließende Kreis stellt den Arbeitsprozess dar. Allerdings ist das eine rein akademische Betrachtung. Jeder Praktiker weiß, dass dieses Bild eigentlich anders ist, nämlich so:

Die drei Risiken in der Praxis
Die drei Risiken in der Praxis

Welche Gefährdungen sind tatsächlich vorhanden?

Hier noch einmal ein genauerer Blick auf Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes:

§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten.

Hinweis: Oft sind es die Kombinationen, die besondere Gefahrenmomente erzeugen. Beispielweise die falsche Gestaltung von Arbeitsabläufen und unzureichende Schulung der Mitarbeiter.

Festlegung der Betriebszustände

Betriebszustände können recht vielfältig sein. Beispiele sind:

  • Planung
  • Entwicklung
  • Probebetrieb
  • Aufbau/Montage
  • Inbetriebnahme
  • Normalbetrieb
  • Störung
  • Instandsetzung
  • Wartung
  • Außerbetriebnahme
  • Abbau/Abriss
  • Entsorgung

Nicht jeder muss jeden Betriebszustand beachten oder betrachten. Das kommt immer auf die betrieblichen Gegebenheiten an.

Normalbetrieb kontra Instandsetzung und Störungen?

Die Gefahren müssen theoretisch für alle Betriebszustände ermittelt und beurteilt werden! Besonders wichtig sind im Allgemeinen der Normalbetrieb und Instandsetzung, Wartung und Störungen. Denn gerade bei Letzteren treten die meisten Unfälle auf. Jeder Praktiker weiß, dass, wenn er zur Störungsbeseitigung gerufen wird, niemand genau einschätzen kann, was ihn erwartet. Eventuell muss man zur Fehlersuche unter Spannung arbeiten, in Einhausungen kriechen oder in unmöglichen Körperhaltungen Reparaturen vornehmen.

Fakt ist: Der Instandhalter hat den gefährlichsten Job und ihm muss man besonderen Augenmerk schenken.

Die Änderung von Routinen sind häufige Gefahrenquellen. Hier hat die Betriebssicherheitsverordnung zu Verschärfungen der sicherheitstechnischen Prüfung geführt. Nach bestimmten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen müssen Arbeitsmittel besonders geprüft werden.

Gefährdungen müssen erkannt werden

Bei Betrachtung der Gefahrenbereiche müssen die bestehenden Risiken und möglichen Gefahren ermittelt werden. Dies setzt eine einheitliche Ermittlung aller Umstände voraus, die für sich oder in Wechselwirkungen mit anderen Umständen (Arbeitsmitteln, Arbeitsstoffen, Arbeitsplatzgestaltung oder Arbeitsumgebung) auf die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten Einfluss haben können. Zuerst, aber nicht abschließend, sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:

  • Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und der Arbeitsplätze, bauliche Gestaltung der Arbeitsräume und Verkehrswege, ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze
  • Gestaltung, Auswahl, Beschaffenheit und Einsatz von Maschinen, Geräten und Anlagen
  • Einsatz oder Entstehen von Gefahren
  • Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit
  • Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten (Hier kommen die neuen TRBSen zum Einsatz.)

Alle Gefahren sind zu betrachten

Bei der Betrachtung sind alle Gefahren zu erfassen. Dies umfasst sowohl klassische Unfall- und Verletzungsrisiken wie die mechanische Gefährdung, Lärm oder Strahlung als auch ungünstige Rahmenbedingungen wie psychische Belastungen, erschwerte Informationsaufnahme oder Gefährdungen durch organisatorische Mängel. Für gleichartige Arbeitsplätze mit identischen Arbeitsbedingungen ist die Ermittlung der Gefahren eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitsplätze in unterschiedlichen - aber gefahrenseitig identischen - Betrachtungsbereichen liegen.

Risiken ermitteln

Bei der Gefährdungsermittlung müssen alle möglichen Risiken erfasst werden. Technische Gefahren sind hierbei mechanische Gefährdungen (ungeschützt bewegte Maschinenteile, gefährliche Oberflächen, bewegte Transportmittel, mobile Produktionsteile, rutschige Böden, Stolper- oder Absturzstellen), elektrische Gefährdungen (bspw. Durchströmung, Lichtbögen), Gefahrstoffe sowie Brand- und Explosionsgefährdung.

Arbeitsumgebung erkennen

Der Arbeitsumgebung zurechenbare Gefahren können physikalische Faktoren (Klima, Beleuchtung, Lärm, Vibration, Strahlung), Hindernisse bei der Wahrnehmung von Informationen (Signale, Symbole, Anzeigen) oder die Handhabung von Gerätschaften und Hilfsmitteln sein.

Physische und psychische Belastung

Darüber hinaus müssen auch die physische Belastung (Heben und Tragen von Lasten, erzwungene Körperhaltung, erhöhte Kraftanstrengung) und die psychische Belastung (Art der Tätigkeit, Arbeitsaufgabe, Arbeitsteilung, Arbeitszeit, soziale Bedingungen, Arbeitsabläufe) berücksichtigt werden.

Qualifikation und Unterweisung sind wichtig

Besondere Aufmerksamkeit muss der ausreichenden Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten zukommen. Wer mit dem Umgang mit Schutzvorrichtungen nicht vertraut ist, kann sich nicht schützen. Auf besondere Gefahren muss wiederkehrend hingewiesen werden. Eine der größten Gefahrenquellen ist der routinierte Leichtsinn. Ihm muss von den Sicherheitsverantwortlichen wirksam begegnet werden. Es muss kontrolliert werden, dass ein hinreichendes Gefahrenbewusstsein besteht. Die Verwendung von Schutzeinrichtungen darf nicht unbeaufsichtigt auf alle Zeiten den Gefährdeten überlassen werden. Ebenso wenig dürfen Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften geduldet werden.

Gefährdungen müssen bewertet werden

Die ermittelten Gefährdungen müssen auf ihre Wichtigkeit hin untersucht werden. Hierzu sind die Gefahren hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und des Ausmaßes des Schadens zu bewerten. Es ist zu prüfen, ob die Arbeitsplatzgestaltung allen geltenden Vorschriften sowie den technischen und berufsgenossenschaftlichen Regeln entspricht. Auch die Übereinstimmung von Anlagen mit europäischen und deutschen Normen muss geprüft werden. Ergänzend hierzu und sofern solche Vorschriften oder Regeln nicht bestehen, sind der Arbeitsplatz und die Arbeitsmittel mit bewährten Lösungen zu vergleichen, d.h. mit dem "Stand der Technik".

Es ist zu prüfen, ob die Beschäftigten durch vorhandene Maßnahmen ausreichend geschützt sind. Wenn ja, ist das Risiko eines Schadenseintritts als gering zu bewerten. Schwerwiegende Risiken aufgrund besonders gefährlicher Umstände machen eine eingehendere Bewertung erforderlich, als sie für mögliche Bagatellschäden notwendig ist. Hier gilt es, immer die Kirche im Dorf zu lassen!

Technisch, organisatorische und personengebundene Maßnahmen

Innerhalb der Bewertung ist die Rangfolge des Paragraf 4 des Arbeitsschutzgesetzes zu berücksichtigen, aber primär müssen sichere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Das hat Vorrang vor dem sturen Einhalten von Gesetzen und Verordnungen. Erst sofern hinreichende technische Sicherheit nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann, können die Gefahren durch allgemeine oder individuelle Schutzmaßnahmen beschränkt werden. Es gilt also,

  1. technische Maßnahmen und - wenn nicht ausreichend -
  2. organisatorische Maßnahmen und - wenn immer noch nicht ausreichend -
  3. personengebundene Maßnahmen zu ergreifen.

Allerdings wissen die Praktiker, dass erst eine sinnvolle Kombination von technischen Maßnahmen mit organisatorischen Maßnahmen unter Hilfe von personengebundenen Maßnahmen einen effizienten und kostengünstigen Arbeitsschutz schafft!

Wer arbeitet macht Fehler! Wer nichts macht aber auch!

Der Gesetzgeber weiß, dass es ein „Nullrisiko“ nicht gibt. Wer arbeitet, macht Fehler!

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 ArbSchG muss die Arbeit nur so gestaltet sein, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden oder verbleibende Gefährdungen möglichst gering gehalten werden. Nach den allgemeinen und betrieblichen Erfahrungen muss ermittelt werden, mit welchen Verletzungen oder Gesundheitsbeeinträchtigungen ernsthaft zu rechnen ist. Hierbei darf der Arbeitgeber allerdings auch schwerwiegende theoretische Gefahren nicht ganz verdrängen, sofern die Gefährdung nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt.

Sorgfaltspflicht

Dies verlangt die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gesetzlich geforderte Sorgfaltspflicht gegenüber den Beschäftigten!

Gefährdungen müssen beseitigt werden

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!

Was nützt die Erkenntnis, dass eine Gefahr vorhanden ist? Nach Ermittlung und Bewertung einer Gefahr muss sie beseitigt werden! Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die vorhandenen Gefährdungen zu beseitigen, müssen festgelegt werden. Gefahren, die nicht beseitigt werden können, müssen gemindert werden. Sie müssen so weit eingegrenzt werden, dass sie als beherrschbar anzusehen sind. Dies kann durch technische oder organisatorische Maßnahmen geschehen. Denkbar sind der Einsatz neuer, grundsätzlich sicherer Technik, die Einführung sicherheitstechnischer Hilfsmittel sowie organisatorische und individuelle Schutzmaßnahmen.

Reihenfolge der Schutzmaßnahmen beachten!

Die Maßnahmen stehen in der Rangfolge des Paragrafen 4 des Arbeitsschutzgesetzes (siehe Abb. 3). Das bedeutet, sichere Technik steht vor den organisatorischen Schutzmaßnahmen und diese vor dem personenbezogenen Schutz. Die Gefahr muss vorrangig an der Quelle bekämpft werden. Wenn möglich, ist das erkannte Risiko zu beseitigen. Schutzniveau ist der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene. Die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen.

Es gilt also bei der Erstellung von Schutzmaßnahmen, die in der folgenden Abbildung dargestellte Reihenfolge unbedingt einzuhalten.

Downloadtipps der Redaktion

Gefährdungsbeurteilung: „Gefahrenarten (Gefährdungsfaktoren)"

Hier gelangen Sie zum Download.

Gefährdungsbeurteilung: „Gefährdungsermittlung allgemein"

Hier gelangen Sie zum Download.

Gefährdungsbeurteilung: „Ermittlung und Bewertung von Gefährdungen bei Instandhaltungsmaßnahmen"

Hier gelangen Sie zum Download.

Arbeitsanweisung: „Einsetzen und Entfernen von NH-Sicherungen in Schaltanlagen“

Hier gelangen Sie zum Download.

Unterweisung: „Prüfung von allgemeinen ortsveränderlichen Betriebsmitteln“

Hier gelangen Sie zum Download.

Reihenfolge der Schutzmaßnahmen
Reihenfolge der Schutzmaßnahmen

Schwangere, Jugendliche, Schwerbehinderte

Der Arbeitgeber muss die Belange besonders schutzbedürftiger Beschäftigter (Schwangere, Jugendliche, Schwerbehinderte etc.) beachten.

Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsbeauftragte etc.

Kann den Gefahren nicht sofort begegnet werden, muss der Arbeitgeber Wichtigkeit, Termine und Verantwortlichkeiten festlegen. Er muss bestimmen, welche Maßnahme bis wann und durch wen verwirklicht wird. Er kann sich hierbei sowohl seiner Sicherheitsfachkräfte und Sicherheitsbeauftragten als auch der Verantwortlichen für den jeweiligen Gefahrenbereich (Werks-, Abteilungs- oder Gruppenleiter, Meister etc.) bedienen. Erforderlich ist jedoch, dass die Verantwortlichen über genügend Entscheidungsmacht verfügen, um die Maßnahme konkret umzusetzen. So muss etwa für die Nachrüstung einer unsichereren Maschine oder die Beschaffung zusätzlicher persönlicher Schutzausrüstungen ein hinreichendes Budget bereitgestellt werden.

Ist eine Kontrolle wichtig?

Kontrolle dient der Sicherheit

Entsprechend der Wichtigkeit muss jede Maßnahme kontrolliert werden. Dies umfasst zuerst die Prüfung, ob die festgesetzte Maßnahme tatsächlich von den Verantwortlichen umgesetzt wurde. Werden gesetzte Fristen nicht eingehalten, muss der Arbeitgeber gesondert aktiv werden. Dem Verantwortlichen muss entweder eine letzte Frist zur Umsetzung gesetzt oder die Aufgabe entzogen und anders delegiert werden. Zur Durchsetzung stehen dem Arbeitgeber alle Sanktionsmaßnahmen des Arbeitsverhältnisses (Weisungsrecht, Abmahnung, Kündigungsandrohung etc.) zur Verfügung.

Prüfung der Wirksamkeit

über die Umsetzung der Maßnahme hinaus muss auch ihre Wirksamkeit geprüft werden. Dies erfordert eine Bewertung, ob die Maßnahme das vormalige Risiko wie erhofft beseitigt oder so weit eingegrenzt hat, dass die Gefahr als beherrschbar betrachtet werden kann. Ist dies nicht der Fall, muss nachgebessert werden. Erscheint eine Nachbesserung nicht möglich, muss nach alternativen Maßnahmen gesucht werden.

Letztlich müssen die getroffenen Maßnahmen wiederkehrend geprüft werden. Mit der erstmaligen Bewertung der Risiken am Arbeitsplatz hat der Arbeitgeber seinen Aufgaben nur für den Augenblick Genüge getan. Um der weiteren Entwicklung zu entsprechen, müssen die Arbeitsbedingungen fortlaufend auf Veränderungen überwacht werden.

Fortlaufende Verbesserung

Folgende Fragen stellen sich dann:

  • Entsprechen sie noch den gegebenen Gefahren?
  • Haben sich die Gefahren verändert oder vergrößert?
  • Gibt es neue Erkenntnisse aus Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene?
  • Wurden betriebliche Maßnahmen vorgenommen, die eine Neubewertung der Gefahrenlage erforderlich machen (etwa die Erhöhung der Stückzahl je Arbeitnehmer)?

Wer hilft fachlich?

Hierbei soll der Rat der Fachkraft für Arbeitssicherheit, des Betriebsarztes und des Sicherheitsbeauftragten einbezogen werden. Ihnen fallen Veränderungen oftmals am schnellsten auf, die eine überprüfung der Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig machen. Auch eine Häufung bestimmter Arbeitsunfälle können die Sicherheitsverantwortlichen und die Betriebsärzte am ehesten erkennen. Ihre Feststellungen müssen bei der Wirksamkeitskontrolle ebenso wie Mitteilungen der Beschäftigten bzw. ihrer Vertreter (Betriebsrat) berücksichtigt werden. Dies kann je nach Umfang der Gefahren bis zur Einführung eines geordneten Verfahrens zur Berücksichtigung des Arbeitsschutzes bei betrieblichen änderungen gehen.

Folgende Fragen sind relevant:

  • Wer hat wann welchen möglichen Schwachpunkt aufgezeigt?
  • Wer geht der Anzeige nach?
  • Wer prüft, ob Maßnahmen notwendig sind?
  • Wer schlägt dem Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen vor?
  • Wann und durch wen werden sie ergriffen?

Dieser Prozess ist in das Arbeitsschutzmanagement zu integrieren.

Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung

Auch wenn im Arbeitsschutzgesetz steht, dass erst ab elf Arbeitnehmern oder bei besonderen Gefahren schriftlich eine Gefährdungsbeurteilung zu erfolgen hat, gilt vor Gericht der Grundsatz: Wer schreibt, der bleibt!

Also lieber etwas mehr, als zu wenig dokumentieren, um im Problemfall nicht in Beweisnotstand zu geraten. Die Dokumentation kann folgendermaßen aussehen:

  • auf Papier, mit Unterschrift
  • als Datenbank (Files sind unzweckmäßig)
    (Es muss aber auf eine regelmäßige Sicherung der Daten geachtet werden. Dies geschieht beispielsweise über ein Bandlaufwerk oder durch das Brennen auf CD.)
  • Versand per PDF-Dokument oder ähnlichem, aber nicht als Word- oder Excel-Datei (zu einfach manipulierbar)

Wie das Gefährdungsbeurteilungsdokument auszusehen hat, ist nicht vorgeschrieben. Hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Was ist besser: Papier oder Software?

Egal! Das hängt vom Prüfer selbst und der Menge der Gefährdungsbeurteilungen ab. Nimmt man BG- oder WEKA-Checklisten und erfüllt diese mit Leben oder macht man es mit einem Softwaretool, eines gilt immer:

  • Papier oder Software - beides ist immer nur ein Hilfsmittel
  • Der Experte zum Auffinden der innerbetrieblichen Gefährdungen ist der Praktiker vor Ort!
  • Und ein Experte muss mit gesundem Menschenverstand handeln und nicht stur eine Checkliste abarbeiten.

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  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

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