Das Angel-Shirt: ein smartes T-Shirt

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4,8/5 Sterne (11 Stimmen)
Intelligente Textilien können bei einem Elektrounfall helfen
Ein smartes T-Shirt beim Einsatz (Bildquelle: ADRESYS)

„Smart Homes“ dürften jedem Elektro-Azubi ein Begriff sein. In letzter Zeit hört man auch von smarter Schutzausrüstung und intelligenten Textilien. Was genau soll das sein, wie soll das funktionieren und wer braucht so etwas? Die Redaktion von „Azubis unter Strom“ hat sich darüber mit der Expertin Silke Wohnsdorf unterhalten.

Ein Interview von unserem Redakteur, Friedhelm Kring, mit Silke Wohnsdorf von ADRESYS

Silke ist Textilingenieurin bei einem Salzburger Unternehmen namens ADRESYS. Das steht für Adaptive Regelsysteme Gesellschaft m.b.H. ADRESYS entwickelt Produkte für Prüfungen in elektrischen Hoch- und Mittelspannungsanlagen, aber auch für die Arbeitssicherheit in Elektroberufen.

Silke arbeitet gerade an einem sehr spannenden Projekt, aber das erzählt sie euch am besten selbst.

Wie bist Du zur Textilingenieurin geworden und was sind die typischen Aufgaben in diesem Berufsfeld?

Ich habe es schon als junges Mädchen geliebt, mit Textilien zu arbeiten, zu häkeln, zu stricken oder zu nähen. So bin ich nach dem Abitur auf das Studium „Textile Technologien“ an der Hochschule Niederrhein gestoßen. Dort habe ich viel über die Herstellung von technischen Textilien gelernt und die vielen Möglichkeiten, wie man diese ausrüsten, beschichten und funktionalisieren kann.

Da technische Textilien sowohl in Heimtextilien, der Automobilindustrie, der Medizintechnik, in PSA u.v.m. Verwendung finden, sind die Aufgaben, denen man sich als Textilingenieurin stellen muss, sehr unterschiedlich und sehr vielseitig.

Was hat Textilingenieurwesen mit Elektrotechnik zu tun?

Ein besonderer Bereich der technischen Textilien sind die sogenannten Smart Textiles. Hier geht es um die Grundidee, Elektronik in ein textiles System zu integrieren, indem man zum Beispiel leitfähige Garne in eine Gewebe miteinwebt oder textile Sensoren herstellt mit denen Feuchtigkeit, Druck, usw. gemessen werden kann.

Laut eurer Homepage entwickelt ADRESYS intelligente Arbeitsbekleidung für Notfallsituationen im Elektrobereich. Aber wie kann denn ein Kleidungsstück „intelligent“ sein, ist das nicht eher ein Marketingtrick?

Wenn man es ganz genau nimmt, ist prinzipiell auch eine Regenjacke in gewisser Weise „intelligent“, weil sie die Fähigkeit hat, den Körper trocken zu halten, auch wenn man raus in den Regen geht.

Doch wenn wir von intelligenten Kleidungsstücken reden, dann meinen wir eher textile Systeme, die eine Energie- und Kommunikationsfunktion haben. Also zum Beispiel ein Kleidungsstück, in das textile Aktuatoren und Sensoren eingebaut sind, die mit elektrischen Leitern mit einer Datenverarbeitungseinheit verbunden sind, welche die gesammelten Daten auswerten und mit dem Träger kommunizieren kann.

Das klingt ein bisschen nach Science-Fiction, kannst du vielleicht mal Beispiele nennen, welche smarten Produkte es schon gibt?

Der Brustgurt zur Messung von Puls und ggf. anderen Vitalparametern ist den meisten noch ein Begriff. Hier kann über zwei textile Elektroden im Brustbereich der Puls gemessen werden. Eine abnehmbare Datenverarbeitungseinheit kommuniziert beispielweise via Bluetooth mit einer App, in der die Daten visualisiert und gespeichert werden können. Des Weiteren gibt es von Google Jacquard eine Jeansjacke, mit der die Musik auf dem Handy gesteuert werden kann oder eine Spezialeinlage für Schuhe, die die Druckverteilung des Fußes ermitteln kann.

Und natürlich gibt es unser ANGEL-Shirt ;-) Ein Smart-Textile-System, das mithilfe von Elektroden, die im Shirt eingebaut sind, Elektrounfälle und Stürze erkennen und im Notfall Hilfe rufen kann.

Warum habt ihr das T-Shirt „Angel“ genannt? Soll das an Schutzengel erinnern?

Ja genau. Das ANGEL-Shirt soll wie ein Schutzengel fungieren, der in Notfällen schnell und zuverlässig Hilfe holen kann.

Kann das nicht gefährlich werden, wenn ein T-Shirt mit elektrischen oder elektronischen Komponenten nass wird? Was ist, wenn man z.B. damit in den Regen gerät?

Das haben wir natürlich bedacht. Unsere abnehmbare Elektronik ist getestet und auch die diversen Komponenten im T-Shirt sind wasserdicht verbaut. Eine gewisse Wasserdichtigkeit ist nicht nur wichtig für den Fall, dass es regnet – auch Schweiß und vor allem die Waschmaschine können den diversen Komponenten des Shirts ganz schön was abverlangen.

Um die elektronische Funktionalität zu erhalten, ist es hier sehr wichtig, alles so „abzuriegeln“, dass Flüssigkeiten jeder Art keine Chance haben, in das System einzugreifen oder etwas zu verändern. Ein Kurzschluss kann im normalen Betrieb aber sowieso nicht passieren, da das System zur Messung mit so geringen Strömen arbeitet, die für den Träger nicht spürbar und absolut ungefährlich sind.

Wie ist das mit dem Datenschutz? Kann der Chef mit einem solchen Shirt verfolgen, wo ich bin und was ich mache?

Das ist eine Frage, die wir häufig hören und da ist es uns ganz wichtig, uns zu positionieren und klar zu sagen, dass das Thema Datenschutz bei uns ganz oben auf der Agenda steht! Tatsächlich wird der Standort alle 15 Minuten und zusätzlich bei einem gemeldeten Notfall abgerufen, allerdings nur, um im Fall der Fälle die Rettungskräfte zum richtigen Ort schicken zu können.

Die Daten sind während des normalen Gebrauchs für den Chef / die Chefin nicht einsehbar – die Erstellung eines Bewegungsprofils ist somit nicht möglich. Von uns werden die GPS-Daten immer nach 14 Tagen gelöscht. Unser System ist wirklich nur darauf ausgelegt, im Notfall informieren zu können.

Ist euer ANGEL für „Azubis unter Strom“ denn irgendwie besonders interessant?

Aus unserer Sicht auf jeden Fall! Wir sehen hier die große Chance, dass junge NutzerInnen unseres ANGEL-Systems, die grade in den Beruf starten, wenig Berührungsängste mit smarten Systemen haben und intuitiv mit dem System zurechtkommen. Wird das System von Beginn an verwendet, ist es direkt ein Bestandteil des Arbeitsalltags und gehört einfach dazu.

Hinzu kommt natürlich der Aspekt der Arbeitssicherheit, der aus unserer Sicht durch das ANGEL-System deutlich erhöht wird. Dieser Aspekt kann nicht genug betont werden und für uns ist es extrem wichtig, hier auch auf das Thema Elektrounfälle aufmerksam zu machen.

Kann man dieses smarte T-Shirt mal ausprobieren?

Klar‼ Wir freuen uns immer über ProdukttesterInnen, die neugierig auf Smart Textiles sind und Freude daran haben, unser System auszuprobieren.

Was ist, wenn ein solches Shirt mal entsorgt werden muss? Wird das nicht schwierig, wenn Textilien und Elektronik so eng miteinander verbunden sind?

Betrachtet man die einzelnen Komponenten eines smarten Textils, so sind die „smarten“ Komponenten meist sehr gering im Verhältnis zum restlichen Textil, ähnlich wie der Reißverschluss bei einer Jacke. Auch hier kann die Jacke problemlos im Haushaltsmüll entsorgt werden.

Welche genauen Entsorgungsregeln allerdings zukünftig gelten sollen, wird in den internationalen Normungsgremien derzeit diskutiert. Die abnehmbare Elektronik muss natürlich zuvor abgenommen und im Elektromüll entsorgt werden.

Kann es nicht passieren, dass man sich durch smarte Schutzausrüstung und intelligente Kleidung viel zu sehr auf deren Schutz verlässt und dadurch selbst unvorsichtiger wird?

Jein. Unser System ist kein Warnsystem, sondern ein automatisches Erkennungs- und Notrufsystem. Deshalb können wir den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin bei einem Unfall automatisch und schnell unterstützen. Um dem Rebound entgegen zu wirken, werten wir auch jeden Elektrounfall aus und sind damit das erste Unternehmen, welches statistische Daten zu Elektrounfällen live aufzeichnet.

Daraus können wir die wirkliche Häufigkeit von Elektrounfällen bestimmen, da in den Statistiken meist nur die schlimmen Fälle auftauchen. So lassen sich auch Schulungsbedarfe identifizieren und die MitarbeiterInnen zu mehr Achtsamkeit anregen, z. B. über einen Branchendurchschnitt.

Herzlichen Dank, Silke, für deine Antworten und den spannenden Einblick in ein zukunftsweisendes Arbeitsgebiet.

Aus welchem Material ist das Angel-Shirt?

Bei Gefährdung durch Störlichtbogen wird empfohlen, dass die unterste Kleidungsschicht aus nicht-schmelzbaren Fasern besteht, wie z.B. Baumwolle oder Wolle.

Das ANGEL-Shirt muss als unterste Kleidungsschicht getragen werden, damit die Messung über die Elektroden im Bündchen funktioniert. Deshalb ist das Shirt aus Baumwolle gefertigt und kann somit nicht auf der Haut aufschmelzen.

Darüber muss zwingend flammhemmende Kleidung, entsprechend der Gefahrensituation, getragen werden.

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  • Autor:

    Dr. Friedhelm Kring

    freier Lektor und Redakteur

    Kring, Friedhelm

    Dr. Friedhelm Kring ist freier Lektor, Redakteur und Fachjournalist mit den Schwerpunkten Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

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Kommentare

Kommentar von Helmut Bitsch |

Da bei den T-Shirt der Einsatz bei Elektrounfällen hervorgehoben wird, stellt sich mir die Frage aus welchem Material es ist. Was passiert bei einem Störlichtbogen? Brennt sich die Faser in die Haut, oder ist diese feuerfest?

Antwort von Jasmin Sprenger

Guten Tag Herr Bitsch,

wir haben hierzu bei ADRESYS nachgefragt und folgende Antwort erhalten:

Bei Gefährdung durch Störlichtbogen wird empfohlen, dass die unterste Kleidungsschicht aus nicht-schmelzbaren Fasern besteht, wie z.B. Baumwolle oder Wolle.

Das ANGEL-Shirt muss als unterste Kleidungsschicht getragen werden, damit die Messung über die Elektroden im Bündchen funktioniert. Deshalb ist das Shirt aus Baumwolle gefertigt und kann somit nicht auf der Haut aufschmelzen.

Darüber muss zwingend flammhemmende Kleidung, entsprechend der Gefahrensituation, getragen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Jasmin Sprenger von elektrofachkraft.de

 

Kommentar von Götz Andreas |

Hallo mich interessiert das smarte T-Shirt
Kann mir hier jemand genaue Inforationen zu kommen lassen
Ich möchte das bei meine Azubis mal ausprobierten und natürlich auch einführen

Antwort von Jasmin Sprenger

Guten Tag,

vielen Dank für Ihr Interesse! Wir veröffentlichen in den nächsten Tagen weitere Informationen zur Aktion.

Mit freundlichen Grüßen
Jasmin Sprenger von elektrofachkraft.de

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