Nachlieferpflicht für Ersatzteile

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Hat der Hersteller eine Nachlieferpflicht für Ersatzteile?
Hat der Hersteller eine Nachlieferpflicht für Ersatzteile? (Bildquelle: Sanga Park/iStock/Getty Images Plus)

Nachlieferpflicht für Ersatzteile

Gleich zu Anfang eine Aussage des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 18.02.2019 (Az. 13 U 186/17):

„Eine Norm, die eine Verpflichtung des Herstellers oder Importeuers gegenüber dem Endverbraucher begründet, für die gesamte Lebensdauer der Ware Ersatzteile vorzuhalten, findet sich weder im deutschen Recht noch im EU-Verbraucherrecht. Außerdem lässt sich ein solcher Anspruch auch nicht ohne Weiteres aus einer bestehenden Vertrauensbeziehung oder § 242 BGB ableiten.“

Dies bestätigte eine ähnliche Aussage des gleichen Gerichts vom 15.01.2018 (Az. 3 U 173/17) unter Bezugnahme auf Reinking-Eggert (Der Autokauf, 13. Auflage, Rz. 1356):

„Weder im nationalen Recht noch im EU-Verbraucherrecht existiert derzeit eine Norm, die den Hersteller oder Verkäufer für die gesamte Lebensdauer der Ware zur Lieferung von Ersatzteilen verpflichtet.“

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Ökodesign-Richtlinie und Designgesetz

Die EU-Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG, in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz über die umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte, die sich u.a. mit der Umweltverträglichkeit bestimmter energieverbrauchsrelevanter Produkte sowie mit deren Bau- und Einzelteilen beschäftigt, beinhaltet keine Verpflichtung zur Bereithaltung von Ersatzteilen. Die Reparaturklausel aus § 40a des Gesetzes über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz) hilft hier ebenfalls nicht, da es sich dabei nur um Ersatzteile handelt, die das Erscheinungsbild des Produkts bestimmen.

Ökodesign-Verordnungen sehen Ersatzteillieferungen vor

Erst die aktuelle EU-Gesetzgebung hat Ökodesign- und Energieverbrauchskennzeichnungsverordnungen hervorgebracht, die für verschiedene Produktgruppen Ersatzteillieferpflichten für Zeiträume zwischen sieben und zehn Jahren nach Herstellen bzw. Inverkehrbringen des letzten Exemplars des Produkts vorgeben. Beispielhaft sei hier die EU-Verordnung 2019/1784 genannt. Eine Übersicht über die produktgruppenbezogenen Verordnungen ist bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) unter https://www.bam.de abruf- und recherchierbar. Es muss beachtet werden, dass selbst wenn eine Verordnung einschlägig wäre, ein Rückwirkungsverbot basierend auf Art. 20 Abs. 1, 3 GG besteht. Das heißt, wenn das letzte Exemplar des Produkts vor dem Inkrafttreten der Verordnung in Verkehr gebracht wurde, ist die Verordnung nicht anwendbar.

Produktlebensdauer

Grundsätzlich hat ein seriöser Hersteller Interesse, für seine Produkte Ersatzteile liefern zu können. Dies bewahrt ihn davor, dass Kunden auf Produkte anderer Hersteller ausweichen. Letztlich gibt es auch Lebensdauerannahmen oder gar -versprechen für die Produkte. Irgendwann wird aber nahezu jedes Produkt veraltet sein, sodass der Hersteller die Produktion mangels Nachfrage einstellt und dafür lieber seine Produktionskapazitäten auf ein neues Produkt konzentriert. Gründe hierfür sind neben dem technischen Fortschritt und der damit verbundenen Forderung, die Produkte an den Stand der Technik anzupassen, auch gesetzgeberische Vorschriften, die bestimmte Verfahren oder Produkte reglementieren (Beispiel: RoHS-Richtlinie der EU, die die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe beschränkt).

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Gewährleistung und Garantie

Basierend auf den allgemeinen Gewährleistungsvorschriften besteht für die Dauer der Gewährleistung ein Mangelbehebungsanspruch, der das Verfügbarhalten und Nachliefern von Ersatzteilen begründen kann. Hat der Hersteller gar eine Garantie ausgesprochen, so sollte er für deren Dauer ebenfalls Ersatzteile liefern können. Hier müssen jedoch die Garantiebedingungen beachtet werden: Insbesondere sollte darin die Leistung beschrieben sein, zu der sich der Garantiegeber im Garantiefall verpflichten will. Hierunter fallen dann auch Herstellerzusagen (Erklärungen), wie lange er eine Ersatzteilnachlieferung gewährleisten will. Tatsächlich wird der Zeitraum analog den Forderungen in den EU-Verordnungen auch erst mit dem letzten Inverkehrbringen des betreffenden Modells beginnen.

Vertragliche Vereinbarung und Vertrauensbeziehung

Längere Verfügbarkeitszeiträume können sicherlich mit dem Hersteller einzelvertraglich vereinbart werden. Dies scheitert beim Endverbraucher wahrscheinlich an der fehlenden Marktmacht. Ihm bleibt bei erkannten Verschleißteilen nur, rechtzeitig eine eigene Lagerhaltung aufzubauen. Besteht ein eigenes Interesse zum langfristigen Weiterbetrieb des Produkts, so wird insbesondere, wenn ein wiederholter Ersatzteilbedarf erkannt wurde, eine Marktbeobachtung erforderlich sein. „Just in time“ wird es nur mit entsprechendem Vertrag geben. Ein Berufen auf eine Vertrauensbeziehung wird nur möglich sein, wenn eine solche gegenüber dem Hersteller bekannt war und sich letztlich auch beweisen lässt, dass der Hersteller hier ohne Rücksichtnahme gehandelt hat (§ 241 Abs. 2 BGB). Hier kommt es immer auf den Einzelfall an, bei dem ein außergewöhnliches Vertrauen und nicht nur die bloße Hoffnung besteht. Dabei spielt sicherlich auch immer die Komplexität bis hin zur Einzigartigkeit des Produkts sowie andererseits die Verfügbarkeit von Alternativen eine Rolle. Im Massenmarkt wird sich ein außergewöhnliches Vertrauen daher weniger begründen lassen als bei Sonderanfertigungen. Der Glaube, man werde die benötigten Ersatzteile ewig erhalten können, lässt sich juristisch auch über § 242 BGB nicht in einen Anspruch wandeln.

  • Autor:

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Markus Klar, LL.M.

    EABCon-Ingenieurbüro Klar - Consulting Elektrotechnik - Arbeitsschutz - Betriebsorganisation

    Markus Klar

    Markus Klar ist langjähriger, ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Gera, seit 2011 am Landesarbeitsgericht Thüringen und als Autor und freiberuflicher Ingenieur mit dem Schwerpunkt rechtssichere Betriebsorganisation, Arbeitsschutz und Elektrosicherheit beratend tätig.

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